Sieht das Finanzgericht von einer Vorlage an das BVerfG ab, liegt darin kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ist eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche Frage. Ebenso ist das Finanzgericht ist als erstinstanzliches Gericht nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

Es liegt mithin kein Verfahrensfehler in Form der Vorenthaltung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) darin, dass das Finanzgericht nicht das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach § 100 Abs. 1 Satz 1 GG eingeholt bzw. kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet hat.
Wenn das Finanzgericht von einer Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG absieht, liegt darin kein Verfahrensmangel, weil die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche Frage ist1. Außerdem ist -unabhängig davon, ob hier überhaupt eine unionsrechtliche Zweifelsfrage vorliegt- das Finanzgericht als erstinstanzliches Gericht gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen2.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17. Januar 2022 – II B 49/21
- vgl. BFH, Beschluss vom 15.10.2019 – VIII B 70/19, BFH/NV 2020, 212, Rz 21[↩]
- BFH, Beschluss vom 26.06.2021 – VIII B 46/20, BFH/NV 2021, 1511, Rz 29, m.w.N.[↩]
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