Die abgelehnte Zeugenvernehmung des Betriebsprüfers

Die Mitwirkungspflicht fordert von den Beteiligten des Finanzgerichtsprozesses, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen; Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen1.

Die abgelehnte Zeugenvernehmung des Betriebsprüfers

Es ist daher verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht den auf Vernehmung und Ermittlung des zuständigen Sachbearbeiters bzw. des zuständigen Betriebsprüfers gerichteten Anträgen der Klägerin nicht nachgekommen ist, wenn diese als Beweisermittlungs- bzw. Ausforschungsbeweisantrag anzusehen sind.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, inde sie n ausgeführt hat, das Finanzamt habe -in Person des Veranlagungssachbearbeiters- gewusst, dass bei fehlenden Angaben zum steuerlichen Einlagekonto die Feststellung mit dem Wert 0 EUR erfolgen würde, eine Behauptung über das Vorliegen innerer Tatsachen aufgestellt. Solche sich in der Vorstellung von Menschen abspielende Vorgänge können jedoch nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden2. Behauptungen zu solchen Merkmalen -in Form von Hilfstatsachen und Beweisanzeichen3- hat die Klägerin nicht aufgestellt.

Dies war der Klägerin auch zuzumuten. Zwar darf eine Behauptung nicht schon deshalb als unerheblich behandelt werden, weil sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer nach seiner Vorstellung entscheidungserheblichen Tatsache (hier: Kenntnis des Sachbearbeiters), die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn der gegnerische Prozessbeteiligte dieser Vermutung aber -wie hier in Form der schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen zu der programmgestützten Veranlagung und zu der Markierung im Kontennachweis- mit einer plausiblen Darstellung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Für eine substantiierte Tatsachenbehauptung ist erforderlich, sich hiermit auseinanderzusetzen und greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die gegen die Sachdarstellung der Gegenseite sprechen4.

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Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Beweiserhebung hinsichtlich der Frage beantragt hat, welche Handlungen des Finanzamt dazu geführt haben, dass trotz fehlender Eintragungen in der Erklärung die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos mit einem Betrag von 0 EUR erfolgte, zielte dieser Antrag darauf, diejenigen Handlungen -und damit diejenigen Tatsachen- zu ermitteln, die die Klägerin nach ihrer Vorstellung erst in die Lage versetzt hätten, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 125 Abs. 1 AO -das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden offenkundigen Fehlers- oder des § 129 Satz 1 AO -eine offenbare Unrichtigkeit- darzutun. Gleiches gilt für die beantragte Ermittlung der Identität der Person, die handschriftliche Eintragungen im Kontennachweis vorgenommen hat, und der „Intention“, mit der diese Kennzeichnungen getätigt wurden.

Das Finanzgericht musste den Sachverhalt auch nicht unabhängig von einem entsprechenden Beweisantritt der Klägerin von Amts wegen weiter dahingehend aufklären, ob der Sachbearbeiter bewusst eine unrichtige Feststellung durchgeführt hat. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht zwar den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Jedoch hängen Umfang und Intensität der vom Finanzgericht anzustellenden Ermittlungen auch vom Vortrag und Verhalten der Beteiligten ab; insbesondere ist das Gericht nicht verpflichtet, einen Sachverhalt ohne bestimmten Anlass zu erforschen. Es muss von sich aus nur solchen Zweifeln nachgehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen mussten5.

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Im Streitfall hat die Klägerin ihre Behauptung auf das Wissen des Finanzamt hinsichtlich der „programmgesteuerten Nullfestsetzung“ beschränkt, ohne dies näher zu konkretisieren. Derartige nicht auf greifbare tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Behauptungen lösen jedoch keine Pflicht des Gerichts zur Beweisermittlung und -erhebung aus6.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29. März 2016 – I B 99/14

  1. BFH, Beschlüsse vom 06.09.2005 – IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166; vom 02.08.2006 – IX B 58/06, BFH/NV 2006, 2117; vom 07.12 2006 – VIII B 48/05, BFH/NV 2007, 712; vom 29.01.2008 – V B 201/06, BFH/NV 2008, 827[]
  2. Beschlüsse des Großen Bundesfinanzhofs des BFH vom 12.06.1978 – GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751[]
  3. vgl. BFH, Beschluss vom 15.09.2006 – VII S 16/05 (PKH), BFH/NV 2007, 455[]
  4. BFH, Beschluss vom 21.12 2001 – VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661; vgl. auch BFH, Beschluss vom 03.04.2008 – I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445[]
  5. BFH, Beschlüsse vom 22.08.2006 – I B 21/06, BFH/NV 2007, 10; vom 17.09.2003 – I B 18/03, BFH/NV 2004, 207; BFH, Urteil vom 18.07.1996 – III R 90/95, BFH/NV 1997, 139[]
  6. vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2002, 661[]