Die Auskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG ist ein Verwaltungsakt i.S. von § 118 Satz 1 AO. Diese Auskunft trifft eine Regelung dahin, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten Sachverhalt gegenwärtig beurteilt. Entsprechend diesem Regelungsgehalt überprüft das Finanzgericht die Auskunft sachlich nur daraufhin, ob der Sachverhalt zutreffend erfasst und die rechtliche Beurteilung nicht evident fehlerhaft ist.

Der Bundesfinanzhof hat bereits für die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e (EStG entschieden, dass es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO handelt [1], der sich nicht in einer bloßen Wissenserklärung erschöpft. Die mit dem erforderlichen Bindungswillen versehene Erklärung des Finanzamt geht darüber hinaus und ist zusätzlich auf die Selbstbindung des zukünftigen Handelns des Finanzamt gerichtet. Das Finanzamt bindet sich gegenüber dem Arbeitgeber in der Weise, Lohnsteuer weder im Wege eines Nachforderungs- noch eines Haftungsbescheides nachzuerheben, wenn sich dieser entsprechend der Anrufungsauskunft verhält. Diese Selbstbindung ergibt sich unmittelbar aus § 42e EStG. Zwar besteht nur eine einseitige Bindung des Betriebsstätten-Finanzamt an die Anrufungsauskunft. Allein deshalb fehlt es jedoch nicht an einer „Regelung“ i.S. des § 118 Satz 1 AO. Insoweit gilt nichts anderes als für verbindliche Auskünfte und Zusagen i.S. des § 89 Abs. 2 AO und des § 204 AO, die ebenfalls lediglich einseitig die Verwaltung binden und Verwaltungsakte sind [2].
Diese Grundsätze gelten für die Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG entsprechend. Denn auch die Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG erschöpft sich nicht in einer bloßen Wissenserklärung, sondern dient der Vermeidung oder Minderung der Haftungsrisiken [3]. Deshalb hat der Antragsteller nach § 15 Abs. 4 5. VermBG einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die Anwendung der Vorschriften über vermögenswirksame Leistungen und bindet mit erteilter Auskunft das Finanzamt in gleicher Weise wie im Falle der Lohnsteueranrufungsauskunft [4].
Nach § 15 Abs. 4 5. VermBG hat das Finanzamt, das für die Besteuerung der in Absatz 3 Genannten zuständig ist, auf deren Anfrage Auskunft darüber zu erteilen, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über vermögenswirksame Leistungen anzuwenden sind, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Abs. 2 bis 4 5. VermBG angelegt werden.
Der Antragsteller hat einen ‑auch gerichtlich durchsetzbaren- Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die Anwendung der Vorschriften über die vermögenswirksamen Leistungen. Dieser Anspruch bezieht sich nicht nur darauf, dass der Antragsteller förmlich zu bescheiden ist. § 15 Abs. 4 5. VermBG vermittelt vielmehr einen Anspruch darauf, dass die Anrufungsauskunft inhaltlich richtig ist. Die Vorschrift räumt nicht nur das Recht ein, die Auffassung des Finanzamt zu erfahren, sondern auch Sicherheit über die zutreffende Rechtslage zu erlangen und Rechte und Pflichten nach dem Vermögensbildungsgesetz in einem besonderen Verfahren im Voraus (ggf. gerichtlich) verbindlich feststellen zu lassen. Auf diese Weise wird ‑wie der Bundesfinanzhof bereits zur Lohnsteueranrufungsauskunft entschieden hat [5]- dem Zweck der Anrufungsauskunft hinreichend entsprochen, präventiv Konflikte zwischen dem Finanzamt und dem Antragsteller zu vermeiden und auftretende Fragen zu der Anwendung der Vorschriften über vermögenswirksame Leistungen zeitnah einer Klärung zuzuführen.
Der Antragsteller kann daher eine erteilte Anrufungsauskunft nach den allgemeinen Regeln anfechten und Verpflichtungsklage erheben, um eine Auskunft darüber zu erlangen, wie im Einzelfall die Vorschriften über vermögenswirksame Leistungen anzuwenden sind, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Abs. 2 bis 4 5. VermBG angelegt werden. Das Finanzgericht entscheidet dann auch über den Inhalt der Auskunft. Allerdings beschränkt sich die inhaltliche Überprüfung einer Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG durch das Finanzgericht nicht anders als die Überprüfung einer Lohnsteueranrufungsauskunft [6] nur darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des ‑zutreffend erfassten- zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.
Denn die gerichtliche Kontrolldichte eines angefochtenen Verwaltungsaktes hängt wesentlich von dessen Regelungsaussage ab [7]. Diese erschöpft sich bei der Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG darin, wie die Finanzbehörde einen ihr zur Prüfung gestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Rechte und Pflichten nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz gegenwärtig beurteilt. Die Anrufungsauskunft entscheidet weder über den Anspruch auf Arbeitnehmer-Sparzulage noch setzt sie die Arbeitnehmer-Sparzulage des Arbeitnehmers fest. Denn die Arbeitnehmer-Sparzulage wird nach § 14 Abs. 1 und 4 5. VermBG in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren erst auf Antrag des Arbeitnehmers durch das für die Besteuerung des Arbeitnehmers nach dem Einkommen zuständige Finanzamt festgesetzt [8]. Der Arbeitnehmer muss die Arbeitnehmer-Sparzulage dabei regelmäßig mit der Einkommensteuererklärung beantragen [9], also erst nach Verwirklichung des Sachverhalts. Damit wirken die Besonderheiten und Regelungen der Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG nicht in das Festsetzungsverfahren der Arbeitnehmer-Sparzulage hinein. Auch wird der Antragsteller nicht verpflichtet, die Bescheinigung entsprechend der ihm erteilten Auskunft auszustellen bzw. nicht auszustellen [10]. Vielmehr dient das Anrufungsverfahren lediglich dazu, Haftungsrisiken des Antragstellers nach § 15 Abs. 3 5. VermBG zu vermeiden [3].
Trifft die Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG aber keine Entscheidung über den materiellen Anspruch auf Arbeitnehmer-Sparzulage nach § 13 Abs. 1 und 2 5. VermBG, bedarf es keiner umfassenden gerichtlichen Kontrolle, welche Folgen nach dem Vermögensbildungsgesetz der Sachverhalt tatsächlich zeitigt. Vielmehr ist nur zu untersuchen, ob das Betriebsstätten-Finanzamt mit der Mitteilung über die gegenwärtige Einschätzung der Rechtslage den Anforderungen an ein faires Verwaltungsverfahren genügt und den ihm im Rahmen einer Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG zur Prüfung gestellten Sachverhalt zutreffend erfasst hat [11]. Das Gebot der Durchführung eines fairen Verwaltungsverfahrens fordert auch, dass die Behörde keine Auskunft erteilt, die offensichtlich nicht mit dem Gesetz oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ‑soweit sie von der Finanzverwaltung angewandt wird, d.h. kein Nichtanwendungserlass besteht- in Einklang steht.
Lediglich anhand dieses Maßstabs hat das Finanzgericht die sachliche Richtigkeit einer erteilten Auskunft zu prüfen; einer umfassenden inhaltlichen Überprüfung durch das Finanzgericht bedarf es nicht [12]. Ansonsten würden dadurch Streitigkeiten ‑insbesondere aus dem Haftungsverfahren- in das Anrufungsverfahren verlagert. Es ist jedoch nicht dessen Aufgabe, ungeklärte Rechtsfragen abschließend zu beantworten oder die Übereinstimmung von Verwaltungsanweisungen mit dem Gesetz zu überprüfen. Denn gemessen an der Regelungsaussage dient die Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG vornehmlich der Vermeidung des Haftungsrisikos des Antragstellers, soweit er ihren Inhalt der Beurteilung der ihm gegebenenfalls obliegenden Bescheinigungspflicht nach § 15 Abs. 1 5. VermBG zugrunde legt. Sie bezweckt hingegen nicht, ihm das Prozessrisiko abzunehmen, falls er nicht nach dem Inhalt der Auskunft verfahren will. In diesem Fall muss er vielmehr seine Rechtsauffassung im Wege der Anfechtung eines eventuellen Haftungsbescheides durchsetzen [12].
Schließlich trägt dieses Verständnis der Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG auch dem Grundsatz der Gewaltenteilung in besonderer Weise Rechnung. Es entspricht dem Wesen einer Auskunft, dass sie die Rechtsauffassung der sie erteilenden Stelle, mithin der Finanzbehörde, beinhaltet. Würde bereits in diesem Stadium des Steuererhebungsverfahrens die von der Behörde geäußerte rechtliche Beurteilung vollumfänglich inhaltlich überprüft, so würde die Finanzbehörde im Wege der Anrufungsauskunft durch das Finanzgericht verpflichtet, eine behördliche Auskunft zu erteilen, die nicht ihrer Rechtsauffassung entspricht [12].
Nach den angeführten Rechtsgrundsätzen ist im hier entschiedenen Fall die Auskunft des Finanzamt nicht zu beanstanden. Im Streitfall hatte die Finanzbehörde auf der Grundlage des ihr in der Anrufungsauskunft zur Prüfung vorgelegten Sachverhalts eine Auskunft zu erteilen, die eine bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechtsfrage betrifft. Die Behörde hat sich zur Begründung ihrer Auffassung auf die Verwaltungsanweisung im BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 195 gestützt. Sie hat auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts eine Auffassung über die Rechte und Pflichten der Klägerin nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz vertreten, die weder ersichtlich dem Gesetz noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspricht. Da die erteilte Auskunft danach den Anforderungen an eine Anrufungsauskunft nach § 15 Abs. 4 5. VermBG entsprach, konnte eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der begehrten für die Klägerin günstigen Anrufungsauskunft keinen Erfolg haben.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Juni 2014 – VI R 90/13
- BFH, Urteil vom 30.04.2009 – VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996, m.w.N.[↩]
- Blümich/Treiber, § 15 5. VermBG Rz 41[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 27.02.2014 – VI R 23/13, BFHE 244, 572[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996; in BFHE 244, 572; jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 244, 572[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.02.2012 – IX R 11/11, BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651 zur verbindlichen Auskunft; BFH, Urteil in BFHE 244, 572 zur Lohnsteueranrufungsauskunft[↩]
- Blümich/Treiber, § 14 5. VermBG Rz 15[↩]
- Blümich/Treiber, § 14 5. VermBG Rz 20[↩]
- Altehoefer in Thüsing, 5. VermBG, § 15 Rz 34[↩]
- ebenso für die verbindliche Auskunft BFH, Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651, und für die Lohnsteueranrufungsauskunft BFH, Urteil in BFHE 244, 572[↩]
- ebenso für die Lohnsteueranrufungsauskunft BFH, Urteil in BFHE 244, 572[↩][↩][↩]