Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das Finanzgericht im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich.

Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen, wie Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler1.
Die Revision ist in solchen Fällen in der Regel auch nicht wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
Zwar ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO auch dann zuzulassen, wenn die Entscheidung des Finanzgericht in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden kann2; die Entscheidung muss objektiv willkürlich erscheinen oder greifbar gesetzwidrig sein.
Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann jedoch allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des Finanzgericht wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist3.
Im hier entschiedenen Streitfall hatte das Finanzgericht auch den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO und § 76 Abs. 2 FGO), weil es eine eigene Schätzung vorgenommen hat. Weder liegt deshalb eine Überraschungsentscheidung vor noch bestand eine weitergehende Hinweispflicht des Finanzgericht.
Eine Überraschungsentscheidung kann zwar vorliegen, wenn das Finanzgericht sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste4. Einer umfassenden Erörterung der für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte bedarf es dabei aber nicht5. Im vorliegenden Fall scheidet eine solche Überraschungsentscheidung aus, weil die Steuerhinterziehung der Kläger das zentrale Thema des Verfahrens war und die Kläger daher mit einer eigenen Schätzung des Finanzgericht rechnen mussten.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Finanzgericht auch nicht, den Beteiligten die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte anzudeuten und diese mit den Beteiligten umfassend zu erörtern6. Dies gilt erst Recht im Verhältnis zu einem Beteiligten, der -wie im Streitfall die Kläger- rechtskundig beraten ist7.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20. Juli 2017 – VIII B 107/16
- BFH, Beschluss vom 21.01.2009 – X B 125/08, BFH/NV 2009, 951[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 05.09.2011 – X B 144/10, BFH/NV 2012, 3, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2009, 951; vom 27.01.2009 – X B 28/08, BFH/NV 2009, 717; und vom 10.05.2012 – X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461[↩]
- BFH, Beschluss vom 13.07.2012 – IX B 3/12, BFH/NV 2012, 1635[↩]
- so schon BFH, Beschluss vom 25.05.2000 – VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235[↩]
- BFH, Beschluss vom 12.07.2012 – I B 131/11, BFH/NV 2012, 1815[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 06.03.2013 – X B 139/12, BFH/NV 2013, 978, m.w.N.[↩]