Abzinsung betrieblicher Verbindlichkeiten

Der Bundesfinanzhof sieht die Verpflichtung, unverzinsliche Betriebsschulden mit 5, 5 % abzuzinsen, jedenfalls für Wirtschaftsjahre bis einschließlich 2010 als verfassungsgemäß an. Zugleich hat er zudem einer nachträglich vereinbarten Verzinsung die steuerliche Anerkennung versagt.

Abzinsung betrieblicher Verbindlichkeiten

Vertragsbeziehungen zwischen verschwägerten Personen unterliegen als Angehörigenverträge einer Fremdvergleichskontrolle. Eine rückwirkend auf den Vertragsbeginn vereinbarte Verzinsung eines zunächst unverzinslich gewährten Darlehens ist (bilanz-)steuerrechtlich unbeachtlich, sofern diese Vereinbarung erst nach dem Bilanzstichtag getroffen wird.

Gegen die Höhe des Abzinsungssatzes für unverzinsliche Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG bestehen für das Jahr 2010 keine verfassungsrechtlich

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erhielt die Unternehmerin im Jahr 2010 für ihren Gewerbebetrieb von einem Bekannten ein langfristiges und zunächst nicht zu verzinsendes Darlehen über ca. 250.000 €. Während einer Außenprüfung, in der es um eine bilanzielle Gewinnerhöhung aufgrund der fehlenden Verzinsung ging, legten die Vertragspartner eine ab dem 01.01.2012 beginnende Verzinsung von jährlich 2 % fest. Später hoben sie den ursprünglichen Darlehensvertrag auf und vereinbarten rückwirkend ab 2010 eine Darlehensgewährung zu 1 % Zins.

Das Finanzgericht Köln, das das Darlehen steuerlich dem Grunde nach anerkannte, ließ die nachträglich getroffenen Verzinsungsabreden bilanziell unberücksichtigt, so dass sich für das Streitjahr ein einkommen- und gewerbesteuerpflichtiger Abzinsungsgewinn ergab1. Der Bundesfinanzhof bestätigte im Revisionsverfahren insoweit die Entscheidung der Vorinstanz:

Durch das Abzinsungsgebot für unverzinsliche Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG werde steuerlich berücksichtigt, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung weniger belaste als eine sofortige Leistungspflicht und mangels Gegenleistung für den Zahlungsaufschub nicht mit dem Nenn, sondern dem geringeren Barwert zu passivieren sei. Zeitlich nach dem jeweiligen Bilanzstichtag getroffene Zinsabreden könnten – selbst wenn sie zivilrechtlich rückwirkend erfolgten – wegen des bilanzsteuerrechtlichen Stichtagsprinzips sowie des allgemeinen steuerlichen Rückwirkungsverbots erst für künftige Wirtschaftsjahre berücksichtigt werden.

Die gerügte Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG teilte der Bundesfinanzhof für das Streitjahr nicht. Jedenfalls im Jahr 2010 habe sich das niedrigere Marktzinsniveau noch nicht derart strukturell verfestigt, dass es dem Gesetzgeber nicht noch zuzubilligen gewesen wäre, aus Vereinfachungsgründen an dem statischen Abzinsungssatz von 5, 5 % festzuhalten. Der vergleichsweise heranzuziehende Zins am Fremdkapitalmarkt habe Ende des Jahres 2010 noch knapp unter 4 % gelegen.

Der Bundesfinanzhof konnte in der Sache jedoch noch nicht abschließend selbst entscheiden und hat daher den Rechtsstreit an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen. Zu einem weiteren, von einem Schwager der Unternehmerin gewährten Darlehen hat das Finanzgericht nunmehr im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob dieses im Hinblick auf die Anforderungen an Angehörigenverträge überhaupt dem Betriebsvermögen zuzuordnen und daher überhaupt als betriebliche Verbindlichkeit, die einer Abzinsung unterliegen könnte, zu werten ist.

Der Abzinsung einer Verbindlichkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG systematisch vorgelagert ist die Feststellung, ob jene Verbindlichkeit dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zuzuordnen ist. Dies vermag der Bundesfinanzhof nach den bisherigen Feststellungen des Finanzgericht nicht sicher zu beurteilen.

Die Zuweisung einer Verbindlichkeit zum Betriebsvermögen setzt voraus, dass der hierfür auslösende Vorgang einen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb aufweist. Darlehensverbindlichkeiten stellen Betriebsvermögen dar, wenn die Kreditmittel für betriebliche Zwecke, insbesondere zum Erwerb von Wirtschaftsgütern, verwendet werden. Die Person des Gläubigers oder dessen Beweggründe für die Darlehenshingabe sind regelmäßig unbeachtlich2.

Wurde allerdings ein Darlehen, dessen Valuta betrieblich eingesetzt wird, von einem nahen Angehörigen gewährt, erfordert die Zuordnung zum Betriebsvermögen im Hinblick auf den bei Angehörigen vielfach fehlenden natürlichen Interessengegensatz darüber hinaus, dass der zugrunde liegende Vertrag unter Fremdvergleichsaspekten steuerrechtlich anzuerkennen ist.

Die hierfür erforderliche Prüfung knüpft seit der Neuausrichtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.19953 an die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten an. Nach wie vor wird vorausgesetzt, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht mehr jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen4. Indiz für die Zuordnung der Vertragsbeziehung zum betrieblichen Bereich ist insbesondere, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist. In diesem Zusammenhang erlangt der Umstand, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind, wesentliche Bedeutung5. Speziell bei Darlehensverträgen hängt die Intensität der Prüfung des Fremdvergleichs vom Anlass der Darlehensaufnahme ab. Hierbei unterliegen Vertragsbeziehungen, bei denen das Darlehen der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern dient, einer eher großzügigen Fremdvergleichsprüfung6.

Diese Grundsätze hat das Finanzgericht in Bezug auf das Vertragsverhältnis zu K rechtsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet.

Zwar ist die finanzgerichtliche Feststellung, die Zahlung von K -ebenso wie diejenige von G- sei aus Sicht der Unternehmerin als Verbindlichkeit und eben nicht als Schenkung zu werten, mangels gegenteilig vorgebrachter Anhaltspunkte revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ferner steht fest, dass die Verbindlichkeit im Umfang der beabsichtigten gewerblichen Nutzung der Immobilie einen betrieblichen Bezug aufwies. Allerdings reichen weder die Feststellungen noch die Würdigung des Finanzgericht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Darlehensgewährung durch K fremdüblich war.

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Wenn das Finanzgericht formuliert, die Verschwägerung mit K begründe „kein enges“ Verwandtschaftsverhältnis, das von „vornherein auf einen Interessengleichklang hindeutet“, verkennt es bereits, dass generell auch Vertragsbeziehungen zwischen verschwägerten Personen steuerrechtlich einem Fremdvergleich standhalten müssen. Zwar hat dies die höchstrichterliche Rechtsprechung -soweit ersichtlich- bislang nur für Mietverträge entschieden7. Allerdings sind keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb nicht Selbiges für Darlehensverträge gelten soll.

Die vom Finanzgericht -dennoch- vorgenommene Würdigung einzelner Aspekte, die für einen fremdüblich ausgestalteten Darlehensvertrag sprechen sollen, halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Dessen Würdigung berücksichtigt wesentliche Einzelfallumstände, die für die Beurteilung der Fremdüblichkeit hätten angeführt und abgewogen werden müssen, nicht, so dass das Ergebnis der Würdigung nicht nach § 118 Abs. 2 FGO zugrunde gelegt werden kann8.

Das Finanzgericht leitet die Fremdüblichkeit der Darlehensgewährung neben dem betrieblichen Verwendungszweck und dem bilanziellen Ausweis der Verbindlichkeit vornehmlich daraus ab, dass die beiderseitigen Pflichten vertraglich klar geregelt worden seien. Letzteres trifft zu, genügt aber selbst unter Beachtung der großzügigeren Fremdvergleichsprüfung bei Investitionsdarlehen nicht. Das Finanzgericht ließ zum einen den Gesichtspunkt ungewürdigt, ob die gewählte Gestaltung die gegenseitigen Vertragschancen und -risiken ausgewogen verteilt hat. Die Vereinbarung hätte Anlass zu der Erwägung geben müssen, ob die fast 35-jährige Darlehensgesamtlaufzeit und der fast 20 Jahre andauernde tilgungsfreie Zeitraum für den Darlehensgeber K nicht mit unverhältnismäßigen Risiken behaftet ist, denen keine erkennbaren adäquaten Chancen -insbesondere keine Erträge aus einer Kapitalanlage- gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang hätte das Finanzgericht auch den Umstand einbeziehen müssen, dass zu Gunsten des K nach der schriftlichen Vertragslage keine Sicherheiten bestellt wurden. Deren Fehlen wird zwar von der Rechtsprechung -für sich betrachtet- jedenfalls bei Investitionsdarlehen keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, ist allerdings zu würdigen und kann bei langfristig unkündbaren Darlehen an Gewicht gewinnen9.

Zum anderen fehlen Feststellungen des Finanzgericht zum Lebensalter des Darlehensgebers. Hieraus hätte sich ergeben können, ob dieser mit Blick auf den tilgungsfreien Zeitraum bis Oktober 2030 unter Berücksichtigung der durchschnittlichen statistischen Lebenserwartung überhaupt noch von der Rückzahlungsverpflichtung durch die Unternehmerin hätte profitieren können. Zu würdigen gewesen wäre ebenso das Lebensalter der Unternehmerin, da die vereinbarte Tilgung in den Jahren von 2030 bis 2045 Zeiträume umfasst, in denen die im Jahr (…) geborene Unternehmerin altersbedingt womöglich keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann, so dass der Rückzahlungsanspruch von jährlich fast 16.000 EUR (neben den gegenüber G bestehenden Zahlungsverpflichtungen von jährlich gut 17.000 EUR) ggf. gefährdet sein könnte.

Die Anpassung bzw. Neugestaltung der Vertragsbedingungen in den Jahren 2012 und 2014 kann die vorliegend ausschließlich für das Streitjahr 2010 vorzunehmende Beurteilung fremdüblicher Vereinbarungen nicht beeinflussen.

Ferner lässt sich eine Fremdüblichkeit des Darlehensvertrags mit K nicht ohne Weiteres aus dem Umstand ableiten, dass die Unternehmerin zeitgleich einen vereinbarungsidentischen Vertrag mit G geschlossen hat. Für den Bundesfinanzhof ist mangels entsprechender Feststellungen des Finanzgericht nicht erkennbar, ob und -wenn ja- welche persönlichen Beziehungen der Unternehmerin zu G bestehen, die zwar dessen grundsätzliche Qualifizierung als „fremder Dritter“ nicht in Frage stellen würden, wohl aber die Eignung, als objektiver Fremdvergleichsmaßstab für die Vertragsbeziehung zu K zu dienen.

Das Finanzgericht wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen und die hieraus abzuleitende Gesamtwürdigung nachzuholen haben. Hierbei könnte sich eine persönliche Anhörung der Unternehmerin ebenso anbieten wie eine Zeugeneinvernahme des Darlehensgebers.

Legt man die -revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden- Feststellungen des Finanzgericht zu dem zwischen der Unternehmerin und G bestehenden Vertragsverhältnis zugrunde, ist die hieraus resultierende Verbindlichkeit für das Streitjahr 2010 dem Grunde und der Höhe nach zu Recht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgezinst worden. Die insbesondere mit Blick auf den Abzinsungszinssatz von 5, 5 % erhobenen verfassungsrechtlichen Einwendungen werden vom Bundesfinanzhof jedenfalls für das vorliegend maßgebliche Streitjahr 2010 nicht geteilt.

Abweichend von der handelsrechtlichen Bewertung (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) sind Verbindlichkeiten für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG unter sinngemäßer Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5, 5 % abzuzinsen. Das Abzinsungsgebot findet nach Satz 2 der Vorschrift keine Anwendung auf solche Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, ebenso wenig auf solche, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Das durch das StEntlG 1999/2000/2002 mit Wirkung für nach dem 31.12 1998 endende Wirtschaftsjahre eingeführte Abzinsungsgebot gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht10. Das Abzinsungsgebot folgt mathematisch und ökonomisch dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind11.

Der durch die Unverzinslichkeit hervorgerufene Minderaufwand wird kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen12. Gegenläufig entsteht in den folgenden Jahren aufgrund der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit jeweils Aufzinsungsaufwand, bis zum Rückzahlungszeitpunkt der Nominalwert erreicht ist13. Ist das Darlehen dagegen verzinst, ist der Steuerpflichtige mit einer in der Zukunft zu erfüllenden Verpflichtung nicht weniger belastet als mit einer sofortigen Leistungspflicht, so dass die Abzinsung -im Einklang mit dem handelsrechtlichen Ansatz nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB- entfällt14.

Diesen Grundsätzen folgend, hat das Finanzgericht -soweit man dessen Feststellungen zu den Vertragsbeziehungen zum Darlehensgeber zugrunde legt- zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zum Bilanzstichtag 31.12 2010 gegeben waren.

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Die Überweisung von G im Jahr 2010 erfolgte darlehensweise und begründete für die Unternehmerin eine Verbindlichkeit, d.h. eine Verpflichtung zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten, die erzwingbar ist und somit eine wirtschaftliche Belastung darstellt15. Die Unternehmerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht -über ihre Prozessbevollmächtigten- in Abrede gestellt, dass das Kapital im Wege einer verschleierten Schenkung zugeführt wurde; derartige Erwägungen hat nach Aktenlage auch das Finanzamt nicht angestellt.

Die Darlehensmittel wurden -wie oben bereits dargelegt- betrieblich verwandt. Das Darlehensverhältnis der Unternehmerin zu G unterliegt auch keiner Fremdvergleichskontrolle. G ist als Nicht-Angehöriger -obwohl mit der Unternehmerin persönlich bekannt- für Zwecke des steuerrechtlichen Prüfungsmaßstabs im Verhältnis zu ihr als fremder Dritter anzusehen. Vertragsbeziehungen zwischen Bekannten mögen Elemente der Gefälligkeit enthalten. Ein fehlender natürlicher Interessengegensatz kann hierbei -anders als bei Verträgen unter nahen Angehörigen- aber nicht ohne Weiteres unterstellt werden, so dass die Gefahr des Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten in der Regel von vornherein nicht droht.

Das Darlehen des G war auf den Bilanzstichtag des 31.12 2010 als unverzinslich zu qualifizieren.

Ein Darlehen ist dann unverzinslich, wenn die Vertragsbeteiligten zum einen keine nominale Verzinsung vereinbart haben und die Verbindlichkeit zum anderen nicht mit anderweitigen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist, so z.B. die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur unentgeltlichen Überlassung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens16.

Die Abstandnahme vom Abzinsungsgebot erfordert allerdings keine durchgängige Verzinsung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Abzinsung selbst dann entfallen, wenn die Verzinsung nur für einen kurzen Teil der Gesamtlaufzeit vorgesehen ist17. In jedem Fall besteht keine Abzinsungspflicht, wenn ein Darlehen zunächst unverzinslich hingegeben und erst später eine Verzinsung vereinbart wird. Denn die Abzinsung berücksichtigt auch zukünftige Zinsaspekte, so dass der Vorteil der Unverzinslichkeit bei einer geänderten Vereinbarung nicht mehr besteht18.

Im Streitfall lassen weder der ursprüngliche Vertrag vom 14.10.2009 noch die Zusatzvereinbarung vom 10.08.2012 und ebenso wenig der im Juli 2014 eingereichte, eine rückwirkende Verzinsung begründende Darlehensvertrag das Abzinsungsgebot zum 31.12.2010 entfallen.

Der Darlehensvertrag vom 14.10.2009 enthält unstreitig keine nominale Verzinsung; der in dem Formularvertrag hierfür vorgesehene § 4 wurde handschriftlich gestrichen. Dem schriftlichen Vertrag kann zudem keine anderweitige wirtschaftliche Last der Unternehmerin, namentlich die von ihr angeführte Verpflichtung, dem Darlehensgeber und dessen Familie während der Aufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland kostenfreie Unterkunft und Verpflegung sowie verbilligte bzw. unentgeltliche Lebensmitteleinkäufe zu gewähren, entnommen werden.

Die Erwägung des Finanzgericht, die Unternehmerin hätte aufgrund ihres lediglich vagen Sachvortrags zum Bestehen derartiger Verpflichtungen keinen Nachweis erbracht, dass insoweit eine synallagmatische Verknüpfung mit der Darlehensgewährung bestehe, erweist sich revisionsrechtlich als fehlerfrei. Die insoweit erhobene Sachaufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) greift nicht durch. Das Vorbringen der Unternehmerin im ersten Rechtsgang beschränkte sich auf die nicht näher substantiierte Behauptung, dass „kostenlose/verbilligte (Familien-)Einkäufe getätigt werden durften“ bzw. es „für die Darlehensgeber sonstige Vorteile, z.B. die Verköstigung anlässlich der Aufenthalte der Familie in Deutschland“ gegeben habe.

Unter Beachtung der die Unternehmerin betreffenden Mitwirkungspflichten im Rahmen der Sachaufklärungspflicht des Finanzgericht19 hätte es ihr oblegen, schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, welche konkreten Vorteile und Begünstigungen für den Darlehensgeber im Hinblick auf dessen nominal unentgeltliche Kapitalgewährung vereinbart und in welchem Umfang diese auch in Anspruch genommen worden seien. Hierzu bestand bereits deshalb Anlass, da im schriftlichen Vertrag vom 14.10.2009 keine dementsprechende Vereinbarung getroffen wurde und es im Übrigen keiner nachträglichen Zinsregelung bedurft hätte, wenn die Unternehmerin tatsächlich von Anfang an durch Sachleistungsverpflichtungen wirtschaftlich belastet gewesen wäre. Gerade deshalb musste sich für das Finanzgericht auch keine weitere Sachaufklärung von Amts wegen aufdrängen; dies mag im zweiten Rechtsgang ggf. nachgeholt werden.

Die Zusatzvereinbarung vom 10.08.2012, wonach mit Wirkung ab 1.01.2012 Zinsen von 2 % zu zahlen seien, wirkt sich nicht auf den Bilanzstichtag 31.12 2010 aus.

Aufgrund des im Bilanzsteuerrecht geltenden Stichtagsprinzips (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4 HGB) hat eine nachträgliche Verzinsungsabrede nur dann Relevanz für den in Frage stehenden Stichtag, wenn die Vereinbarung eben bis zu jenem Stichtag getroffen wurde20. Änderungen, die erst nach dem Bilanzstichtag vereinbart werden, wirken als wertbegründende Ereignisse nicht zurück, selbst wenn die Vereinbarung vor der Bilanzaufstellung getroffen worden sein sollte21. Derartige Änderungen lassen die Abzinsung erst zum Bilanzstichtag nach der Vereinbarung -aufwandswirksam- entfallen22. Im Streitfall wurde die Änderungsvereinbarung erst nach dem 31.12 2010 geschlossen.

Schließlich ändert auch die vom Finanzgericht festgestellte Vereinbarung, durch die rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kapitalgewährung im Jahr 2010 ein Zins von 1 % p.a. festgelegt wurde, das steuerliche Ergebnis für das Streitjahr 2010 nicht.

Zwar weist jene Neufassung das Datum des 14.10.2009 aus. Nach den Feststellungen des Finanzgericht wurde der Vertrag aber erst während des Einspruchsverfahrens im Juli 2014 eingereicht. Mangels gegenteiliger Behauptung der Unternehmerin und wegen ansonsten bestehender Widersprüche zur zeitlichen Abfolge des ursprünglichen Darlehensvertrags (2009), dessen Ergänzung (2012) und der Neufassung ist allerdings davon auszugehen, dass Letztere erst nach dem 31.12 2010 geschlossen wurde, dieser aber zivilrechtliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung beigemessen wurde.

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Die hier begehrte steuerliche Rückwirkung ihrer letzten Vertragsänderung verstieße zum einen gegen das bilanzsteuerrechtliche Stichtagsprinzip, wonach die Bilanz die objektiv bestehenden Verhältnisse des Bilanzstichtags abzubilden hat23. Später eingetretene Umstände sind für die Bilanzierung im Regelfall unbeachtlich. Lediglich wertaufhellende Umstände sind grundsätzlich zu berücksichtigen. Wertaufhellend sind indes nicht solche Umstände, die entweder erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind24 oder erst im Anschluss an die Bilanzaufstellung erkennbar sind25. Unerheblich ist hierbei, ob einer späteren Änderungs- oder Aufhebungsvereinbarung zivilrechtliche Rückwirkung zukommen soll oder nicht.

Demzufolge könnte die rückwirkend vereinbarte Verzinsung bilanzsteuerrechtlich erst zu dem Stichtag Berücksichtigung finden, der der zivilrechtlichen Gestaltung folgt.

Zum anderen ist die begehrte Rechtsfolge -wie vom Finanzgericht zutreffend beurteilt- nicht mit § 38 AO vereinbar.

Hiernach entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Hieraus folgt, dass der durch Tatbestandsverwirklichung -vorliegend in Form des Erhalts eines unverzinslichen Darlehens- entstandene Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis im Regelfall unabänderlich ist26. Vor diesem Hintergrund ist eine steuerliche Rückwirkung ausgeschlossen, wenn die Vertragsparteien -wie im Streitfall- im Wege freier Parteivereinbarung rückwirkend schuldrechtliche Vertragsverhältnisse aufheben, ändern oder begründen27. Andernfalls stünde es im Belieben des Steuerpflichtigen, durch rückwirkende Vereinbarungen auf einen bereits entstandenen Steueranspruch mit Wirkung für die Vergangenheit Einfluss nehmen zu können28. Ausnahmen hiervon sind allenfalls dann anerkannt, wenn -anders als vorliegend- die schuldrechtliche Rückbeziehung nur von kurzer Dauer ist und sich hieraus keine steuerrechtlichen Folgen ergeben29.

Der Einwand, der Finanzbehörde entstünde bei einer steuerrechtlichen Anerkennung der rückwirkenden Zinsvereinbarung kein Nachteil, da in den nachfolgenden Jahren kein gegenläufiger Aufwand durch eine Aufzinsung zu berücksichtigen sei, verfängt bereits deshalb nicht, da andernfalls das Prinzip der Abschnittsbesteuerung unbeachtet bliebe.

Liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG vor, ordnet die Vorschrift eine Abzinsung mit einem Zinssatz von 5, 5 % an.

Die Abzinsung erfolgt grundsätzlich nach finanz- oder versicherungsmathematischen Grundsätzen, wobei es die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen ebenso für gerechtfertigt hält, den Abzinsungsbetrag nach §§ 12 ff. BewG zu ermitteln30. Letzteres begegnet bereits deshalb keinen rechtlichen Bedenken, da unverzinsliche Kapitalforderungen und Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, auch für Zwecke des Bewertungsrechts mit einem Zinssatz von 5, 5 % abzuzinsen sind (§ 12 Abs. 3 BewG).

Dieser gesetzlichen Grundlage folgt die Berechnung des Finanzamt, wobei sich unter Berücksichtigung der Tabellen 2 und 3 zum BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 699 auf den 31.12.2010 für das hier gewährte Darlehen ein Barwert von 61.566 EUR ergibt. Hierbei ging das Finanzamt nach Maßgabe des Vertrags vom 14.10.2009 zu Recht davon aus, dass die Tilgungszeit 15 Jahre (1.10.2030 bis 30.09.2045) und die Aufschubzeit bis zum Beginn der Tilgung -berechnet ab dem Bilanzstichtag- 19 Jahre und neun Monate beträgt. Soweit die Unternehmerin einwendet, das Finanzamt habe für die Ermittlung des Barwerts die Darlehenslaufzeit analog § 13 Abs. 2 BewG geschätzt, deckt sich dies nicht mit der Aktenlage.

Zu Recht hat das Finanzgericht darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Zuordnung des Abzinsungsertrags zum Gewinn des Betriebs 1 unzutreffend war. Soweit das Darlehen der Finanzierung der Anschaffungs-/Herstellungskosten diente, die anteilig auf die Nutzung der Immobilie für den Betrieb 2 entfielen, hätte es dort bilanziert werden müssen, so dass die Abzinsung dort zu Gewinn geführt hätte (63,92 %). Einkommensteuerlich ist die fehlerhafte Zuordnung im Streitfall ohne Bedeutung.

Dem (sinngemäß) hilfsweise gestellten Antrag, das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen, und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, ob § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG und/oder §§ 12 ff. BewG verfassungswidrig sind, war bereits mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzukommen. Unabhängig hiervon greifen die geltend gemachten Verfassungsverstöße nicht durch.

Die vordergründig erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des Zinssatzes von 5,5 % teilt der Bundesfinanzhof jedenfalls für das Streitjahr 2010 nicht. Insbesondere ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt.

Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln31. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen32.

Für das Steuerrecht wird dem Gesetzgeber ein weitreichender Entscheidungsspielraum zugestanden. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes33. Das BVerfG erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an34. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen.

Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der hiermit notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen35.

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Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren36. Hieraus folgt, dass eine gesetzliche Zinssatztypisierung, die sich evident von realitätsgerechten Verzinsungen am Markt entfernt (hat), den gleichheitsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügt37.

Diese verfassungsrechtlichen Grenzen wurden im Streitfall nicht überschritten.

Mit dem Abzinsungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG beabsichtigte der Gesetzgeber, steuerbilanziell den Zustand abzubilden, der sich daraus ergibt, dass unverzinsliche Verbindlichkeiten bei längerer Laufzeit wirtschaftlich weniger belastend sind als marktüblich verzinste38. Es sollen wirtschaftliche Vorteile abgeschöpft werden, die sich aus dem Empfang eines unverzinsten Darlehens ergeben39.

Die BFH-Rechtsprechung hat die Einführung der steuerrechtlichen Abzinsung von Verbindlichkeiten ebenso wie diejenige von Rückstellungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten40. Dieser Ansicht schließt sich der Bundesfinanzhof an.

Wenn die Unternehmerin darauf hinweist, dass der Gesetzgeber die Zinssatzhöhe unbegründet ließ, trifft dies zwar zu. In Anbetracht des sich auch auf die Auswahl des Steuersatzes bestehenden weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers, der klar erkennbaren Anlehnung an die allgemeine Bewertungsregelung in § 12 Abs. 3 BewG sowie der im Jahr der Einführung (1999) noch marktgerechten Abbildung des Zinsniveaus hält der Bundesfinanzhof dies allerdings für entbehrlich.

Vom BFH bereits entschieden wurde zudem, dass die vertragliche Gestaltungsmöglichkeit, selbst durch eine nur sehr geringe Verzinsung die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG auszuschalten, keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bedeutet41.

Die verfassungsrechtlichen Einwendungen, die wegen des inzwischen nachhaltig gesunkenen Marktzinsniveaus von weiten Teilen in der Literatur gegen die gesetzliche Zinssatzhöhe erhoben werden42, können für das Streitjahr 2010 keine Geltung beanspruchen.

Im Jahr 2010 hat sich noch kein strukturelles niedriges Marktzinsniveau verfestigt, aufgrund dessen der Gesetzgeber unter Berücksichtigung einer angemessenen Beobachtungsphase43 nicht weiterhin berechtigt gewesen wäre, im Interesse der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung an dem statisch-typisierenden Zinssatz von 5, 5 % festzuhalten. Trotz einer bereits längerfristig zu verzeichnenden Absenkung des gesamten Zinsniveaus gilt zu berücksichtigen, dass der -gemessen am Normzweck des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG relevante- Fremdkapitalmarktzinssatz im Dezember 2010 für die vorliegend einschlägigen Parameter (Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften bis 1 Mio. EUR bei mehr als fünfjähriger Laufzeit/Neugeschäft) seinerzeit noch zwischen 3,81 % und 3,86 % lag und sich demzufolge -im Gegensatz zum aktuellen Niveau (1,85 %; Dezember 2018)- noch nicht als dramatischer Abfall zum gesetzlichen Zinssatz darstellte44. Ferner war der Rückzahlungsanspruch für G nicht besichert. Hinzu kommt, dass der von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung vom 18.11.200945 ermittelte, monatlich bekannt gegebene Abzinsungssatz bei einer Laufzeit von 34 bis 35 Jahren im Dezember 2010 noch ca. 5,10 % betrug (Dezember 2018: 2,51 %) und somit ein nach wie vor durchaus realitätsgerechtes Vergleichsbild zum gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % gezeichnet wurde.

Soweit ferner die Vorschrift des § 6 EStG global als verfassungswidrig gerügt wird, fehlt es an einer substanziellen Begründung. Wenn in diesem Zusammenhang gemein ist, mit den durch das BilMoG geschaffenen bilanzsteuerrechtlichen Neuregelungen werde das Ergebnis der Steuerbilanz zunehmend vom handelsbilanziellen Ergebnis abgekoppelt, mag dies inhaltlich zutreffen. Abweichungen vom handelsrechtlichen Maßgeblichkeitsprinzip sind aber durch § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Abs. 6 EStG steuerrechtlich legitimiert46; sie begründen grundsätzlich keinen aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass das Maßgeblichkeitsprinzip keine strikte und einmal getroffene Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers, sondern lediglich eine „entwicklungsoffene Leitlinie“ darstellt und somit keinen Verfassungsrang genießt47.

Abweichungen vom Maßgeblichkeitsgrundsatz verletzen ausnahmsweise nur dann das Gebot folgerichtiger Ausgestaltung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen, wenn sich hierfür kein sachlicher Grund finden lässt, sie also als willkürlich zu bewerten sind48. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die weniger wirtschaftlich belastende Wirkung eines unverzinsten Darlehens durch eine Abzinsung bilanziell darzustellen, stellt sich indes nicht als Willkürakt dar49.

Ebenso wenig vermag der Bundesfinanzhof für den vorliegend relevanten Bilanzstichtag einen Verstoß gegen das Realisationsprinzip zu erkennen. Der Abzinsungsgewinn nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG weist auf den 31.12 2010 keine nicht realisierbaren Zinserträge aus, sondern nimmt kapitalisiert für die gesamte Vertragslaufzeit den ersparten Zinsaufwand vorweg. Durch die in den nachfolgenden Wirtschaftsjahren aufwandswirksamen Aufstockungen der Barwerte wird fiktiver Zinsaufwand periodengerecht zugeordnet.

§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG verletzt die Unternehmerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Abgabenrechtliche Vorschriften sind grundsätzlich nur dann an Art. 12 GG zu messen, wenn sie objektiv eine Tendenz zur Regelung des von der Steuer betroffenen Berufs erkennen lassen50. Die aus der Berufsausübung resultierende Ertragsteuerbelastung schränkt weder eine bestimmte berufliche Tätigkeit ein noch beeinflusst sie deren Inhalt; der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist daher nicht berührt51.

Das Abzinsungsgebot führt auch unter dem Aspekt einer Übermaßbesteuerung nicht zu einem Verfassungsverstoß.

Sofern die hierdurch hervorgerufene Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fällt52, ist nicht erkennbar, dass das Abzinsungsgebot eine verfassungsrechtliche Obergrenze zumutbarer Belastung erreichen und daher die Eigentumsfreiheit verletzen würde. Zwar bewirkt § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG eine (ausschließlich) von Höhe und Laufzeit des Darlehens beeinflusste Einkünfteerhöhung im Wirtschaftsjahr des Darlehenszuflusses. Der Gewinn- und Steuererhöhung aus der kapitalisierten Vorwegnahme des eingesparten Zinsaufwands steht allerdings die aufwandswirksame Aufstockung des Darlehens in den Folgejahren gegenüber, so dass die steuerliche Belastung im Abzinsungsjahr -ungeachtet von Progressionswirkungen53- über die Darlehenslaufzeit voll kompensiert wird.

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Bilanzansatz eines erst später fälligen Sanierungszuschusses

Die im Streitfall erheblichen Gewinn- und Steuerauswirkungen bei der Unternehmerin stellen die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG nicht in Frage. Die Belastungshöhe beruht -neben der Höhe des Zinssatzes- auf dem Umstand, dass ihr ein zunächst unverzinsliches Darlehen von ca. 257.000 EUR über eine Laufzeit von fast 35 Jahren gewährt wurde.

Wenn darüber hinaus die §§ 12 bis 14 BewG wegen des dort zugrunde gelegten Zinssatzes von 5, 5 % (gemeint sein kann insoweit nur die Vorschrift des § 12 Abs. 3 BewG) für verfassungswidrig erachtet werden, gelten die dargelegten Erwägungen sinngemäß. Zudem verweist § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG nicht auf § 12 Abs. 3 BewG, sondern gibt lediglich den nämlichen Abzinsungssatz vor.

Die Bezugnahme auf die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1711/15 kann ebenfalls nicht zur Aussetzung des Verfahrens führen. Die dort maßgeblichen Fragen, ob sich einerseits die Besteuerung von Erstattungszinsen gemäß § 233a AO als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG) bei gleichzeitiger Nichtabzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen (§ 12 Nr. 3 EStG) als gleichheitswidrig erweist und andererseits die durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2010 eingeführte rückwirkende Geltung des Besteuerungszugriffs nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG (§ 52a Abs. 8 Satz 2 i.d.F. des JStG 2010) dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot widerspricht54, haben vorliegend keine Relevanz.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Mai 2019 – X R 19/17

  1. FG Köln, Urteil vom 01.09.2016 – 12 K 3383/14[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 13.07.2017 – VI R 62/15, BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15, Rz 15, m.w.N.; Beschluss des Großen Bundesfinanzhofs des BFH vom 04.07.1990 – GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II. 3.d[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, unter B.I. 2.[]
  4. vgl. statt vieler BFH, Urteil vom 10.10.2018 – X R 44-45/17, BFHE 263, 11, BStBl II 2019, 203, Rz 18 f., m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 25.01.2000 – VIII R 50/97, BFHE 191, 267, BStBl II 2000, 393, unter II. 2.; ebenso BFH, Urteil vom 22.10.2013 – X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374, Rz 35[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374, Rz 40[]
  7. vgl. BFH, Urteile vom 07.05.1996 – IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, unter 1.; vom 27.07.2004 – IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192, unter II. 4.[]
  8. vgl. hierzu BFH, Urteil in BFHE 263, 11, BStBl II 2019, 203, Rz 21, m.w.N.[]
  9. vgl. BFH, Urteil in BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374, Rz 54 ff.[]
  10. vgl. zuletzt BFH, Urteile vom 18.09.2018 – XI R 30/16, BFHE 262, 386, BStBl II 2019, 67, Rz 24, sowie in BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15, Rz 19; ebenso bereits BFH, Entscheidungen vom 06.10.2009 – I R 4/08, BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, unter II. 3.a; vom 27.01.2010 – I R 35/09, BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478, unter II. 2.a[]
  11. BFH, Urteil vom 05.05.2011 – IV R 32/07, BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98, unter II. 1.c aa [zu § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG][]
  12. Groh, DB 2007, 2275, 2276[]
  13. Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 371[]
  14. BFH, Urteil in BFHE 262, 386, BStBl II 2019, 67, Rz 24[]
  15. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 04.02.1999 – IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139, unter II. 2.b aa[]
  16. vgl. BMF, Schreiben vom 26.05.2005, BStBl I 2005, 699, Rz 14; ebenso BFH, Urteil in BFHE 262, 386, BStBl II 2019, 67, Rz 24; Schmidt/Kulosa, EStG, 38. Aufl., § 6 Rz 461 „verdeckte Zinsleistungen“; M. Prinz in Bordewin/Brandt, § 6 EStG Rz 1/610; Schindler in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 6 Rz 150 „Sachleistungsverpflichtungen“[]
  17. BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 17; offengelassen dagegen im BFH, Beschluss vom 22.07.2013 – I B 183/12, BFH/NV 2013, 1779, Rz 7; zweifelnd Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461[]
  18. BFH, Urteil in BFHE 262, 386, BStBl II 2019, 67, Rz 27; Groh, DB 2007, 2275, 2277[]
  19. vgl. nur BFH, Urteil vom 30.07.2003 – X R 28/99, BFH/NV 2004, 201, unter II. 1., m.w.N.[]
  20. vgl. hierzu BFH, Urteil in BFHE 262, 386, BStBl II 2019, 67, Rz 27[]
  21. Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 371; Tiede, Steuern und Bilanzen -StuB- 2019, 82, 83[]
  22. Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461; ebenso BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 18[]
  23. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 28.03.2000 – VIII R 77/96, BFHE 191, 339, BStBl II 2002, 227, unter II. 2.c bb, m.w.N.[]
  24. u.a. BFH, Urteil vom 19.10.2005 – XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371, unter II. 3.c[]
  25. BFH, Urteil vom 15.09.2004 – I R 5/04, BFHE 208, 116, BStBl II 2009, 100, unter II. 7.b[]
  26. vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 38 AO Rz 28, m.w.N.[]
  27. vgl. hierzu u.a. BFH, Urteil vom 24.08.2006 – IX R 40/05, BFH/NV 2006, 2236, unter II. 2.a; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 175 AO Rz 35, m.w.N.[]
  28. vgl. insoweit BFH, Urteil vom 24.04.1997 – VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682, unter II. 2.[]
  29. BFH, Urteil vom 25.11.1992 – X R 148/90, BFH/NV 1993, 586[]
  30. BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 2; ebenso Kiesel in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 6 EStG Rz 704 f.; Schindler in Kirchhof, a.a.O., § 6 Rz 149[]
  31. BVerfG, Beschlüsse vom 29.03.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082, Rz 98; vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, Rz 73; vom 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318, Rz 35[]
  32. BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082, Rz 98, und in BVerfGE 133, 377, Rz 74[]
  33. BVerfG, Beschlüsse vom 04.12 2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, unter C.I. 1.b; und vom 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter C.II. 1.d[]
  34. BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318; und vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I. 2.a aa; BVerfG, Urteil vom 09.12 2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I. 2.[]
  35. BVerfG, Entscheidungen vom 20.04.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274, Rz 58; in BVerfGE 133, 377, Rz 88; vom 05.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350, Rz 66, sowie in BVerfGE 120, 1, unter C.I. 2.a aa[]
  36. BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 133, 377, Rz 87; vom 04.07.2012 – 2 BvC 1, 2/11, BVerfGE 132, 39, Rz 29, und in BVerfGE 120, 1, unter C.I. 2.a aa; vgl. zudem BFH, Urteil vom 09.11.2017 – III R 10/16, BFHE 260, 9, BStBl II 2018, 255, Rz 15[]
  37. vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 25.04.2018 – IX B 21/18, BFHE 260, 431, BStBl II 2018, 415, Rz 18 ff. – für den 6 %-igen Zinssatz gemäß § 238 AO; ebenso Vorlagebeschluss des Finanzgericht Köln vom 12.10.2017 – 10 K 977/17, EFG 2018, 287, Rz 65 ff. – für den 6 %-igen Abzinsungssatz bei Pensionsrückstellungen nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG[]
  38. BT-Drs. 14/23, 171 f. [für Rückstellungen] sowie BT-Drs. 14/443, 23 [für Verbindlichkeiten][]
  39. vgl. Cloer/Holle/Niemeyer, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2019, 347, 350; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 454: „Vorwegnahme des eingesparten Zinsaufwands für die gesamte Laufzeit“; Groh, DB 2007, 2275, 2276: „Minderaufwand infolge der Zinslosigkeit“[]
  40. BFH, Entscheidungen in BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15, Rz 21; in BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, unter II. 5.; in BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478, Rz 20, sowie in BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98, Rz 41 ff.[]
  41. BFH, Beschluss in BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, unter II. 3.a[]
  42. u.a. Kiesel in HHR, § 6 EStG Rz 700; Cloer/Holle/Niemeyer, DStR 2019, 347, 350 f.; Hey/Steffen, Schriften des Instituts Finanzen und Steuern 511, 126 ff.; Paus, Finanz-Rundschau -FR- 2005, 1195, 1198; Tiede, StuB 2019, 82, 83; ggf. auch Schindler in Kirchhof, a.a.O., § 6 Rz 149; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 454: „in der derzeitigen Niedrigzinsphase recht hoch erscheinender[n] Zinssatz[es]“[]
  43. vgl. hierzu Hey, FR 2016, 485, 489, m.w.N.[]
  44. vgl. zum Zahlenmaterial Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für März 2011, 44, 47, sowie für März 2019, 47[]
  45. BGBl I 2009, 3790[]
  46. vgl. insoweit für § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG Kiesel in HHR, § 6 EStG Rz 701[]
  47. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, BStBl II 2009, 685, unter B.I. 2.b bb; U. Prinz, DB 2019, 804[]
  48. BFH, Urteil in BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98, Rz 46, m.w.N.[]
  49. in diesem Sinne auch BFH, Urteil in BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, unter II. 5.[]
  50. BVerfG, Entscheidungen vom 30.10.1961 – 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181, unter B.01.; vom 11.10.1977 – 1 BvR 343/73 u.a., BVerfGE 47, 1, BStBl II 1978, 174, unter C.IV.; und vom 18.06.1991 – 2 BvR 760/90 unter I. 2.[]
  51. vgl. insoweit auch BFH, Urteil vom 19.09.2002 – IV R 45/00, BFHE 200, 317, BStBl II 2003, 21, unter II. 3.d – Gewerbesteuerbelastung[]
  52. vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, unter C.II. 1.; dagegen offengelassen vom BVerfG, Beschluss in BVerfGE 123, 111, BStBl II 2009, 685, unter B.III. – ggf. auch das subsidiäre Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit [Art. 2 Abs. 1 GG][]
  53. vgl. BFH, Beschluss in BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, unter II. 3.a[]
  54. vgl. vorhergehend BFH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII R 30/13[]
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Abzinsung unverzinslicher Langfristdarlehen