Wird ein bisher bedingt verzinstes Darlehen ohne Bedingungseintritt in ein die Restlaufzeit umfassendes unbedingt verzinstes Darlehen mit einem Zinssatz, der dem effektiven Zinssatz eines bei einer Landesbank refinanzierten Darlehens entspricht, umgewandelt, so liegt auch dann ein verzinsliches Darlehen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG vor, wenn die Verzinsungsabrede zwar vor dem Bilanzstichtag erfolgte, der Zinslauf aber erst danach begann.

Wird der Gewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG -hinsichtlich der Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG- i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen angesetzt werden, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor, so dass die Bewertung jenes Betriebsvermögens nach § 6 EStG vorzunehmen ist.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5, 5 % abzuzinsen.
Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).
In dem hier entschiedenen Streitfall lagen die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand einer Verbindlichkeit, deren Laufzeit weniger als zwölf Monate beträgt, nicht vor. Gleiches gilt für den Ausnahmefall einer Verbindlichkeit, die auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruht:
Die streitbefangenen Darlehen sind Verbindlichkeiten, die i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG verzinslich sind.
Eine verzinsliche Verbindlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn das Darlehen mit einer Zinsvereinbarung verbunden ist1. Dabei steht die Nichtzahlung der vereinbarten Zinsen einer Verzinslichkeit nicht entgegen2.
Die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht3. Sie beruht auf dem Faktor „Zeit“ und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind4. Ist jedoch das Darlehen verzinst, ist der Darlehensnehmer mit einer in der Zukunft zu erfüllenden Verpflichtung nicht weniger belastet als mit einer sofortigen Leistungspflicht. Nach dem Gesetzeswortlaut ist daher für die Ausnahme von dem Abzinsungsgebot Voraussetzung, dass eine verzinsliche Verbindlichkeit vorliegt, ohne dass jedoch bezüglich der Höhe der Verzinsung weitere Anforderungen bestehen5.
Es besteht daher im Ergebnis ein „Wahlrecht“6, eine Verzinsungsabrede mit dem Darlehensgeber zu treffen, mit der Folge, dass eine Abzinsung des Darlehens nicht zu erfolgen hat oder auf eine Verzinsung generell zu verzichten, so dass eine gesetzliche Abzinsung vorzunehmen wäre.
Wird eine kurzzeitige Verzinsung von vornherein vereinbart, so ist nach Ansicht des BMF eine verzinsliche Verbindlichkeit gegeben. Eine Abzinsung soll dann unterbleiben7. Wird zunächst ein unverzinsliches Darlehen hingegeben und eine Verzinsung später vereinbart, so ist nach Ansicht des BMF ebenfalls von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen8. Auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg9 hat die Auffassung vertreten, dass ab dem Zeitpunkt der Abrede einer Verzinsung von einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG auszugehen sei. Ebenso wird in der Literatur dies vertreten10. Ob diese Aussagen auch dann gelten, wenn vor dem Bilanzstichtag eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, die aber erst für Zeiträume nach diesem Bilanzstichtag eine Verzinsung vorsieht, ist offen. Das BMF scheint auch in diesem Fall von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen11.
Der Bundesfinanzhof lässt im Streitfall offen, ob nicht schon vom Zeitpunkt der ursprünglichen Darlehensvereinbarungen an eine verzinsliche Verbindlichkeit vorlag12. Dafür spricht, dass auch eine bedingte Verzinsung (im Streitfall 3 % im Falle einer Dividendenzahlung der AG) eine Zinsvereinbarung ist. Jedenfalls folgt er der Ansicht, dass eine spätere unbedingte Verzinsungsabrede zu einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG führt, die zum Zeitpunkt des folgenden Bilanzstichtages zu berücksichtigen ist13. Dies gilt aufgrund des Zwecks der Vorschrift auch dann, wenn die Verzinsung erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt. Eine Abzinsung hat dann zu unterbleiben, wenn die Vertragspartner eine Verzinsung vereinbaren, da der Ansatz eines Abzinsungsgewinns den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entspricht. Überdies sollte nach den Gesetzesmaterialien eine Abzinsung nur deshalb erfolgen, um einen Zinsvorteil zu verhindern und den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu verwirklichen14. Bei Vereinbarung einer unbedingten Verzinsung entfällt dieser Zinsvorteil. Da bereits bei der Ermittlung des anzusetzenden Betrags für die Verbindlichkeit (= Zeitpunkt des Bilanzstichtages) Zinsaspekte der Zukunft zu berücksichtigen sind, greift zu diesem Zeitpunkt auch die Befreiung vom Abzinsungsgebot15.
Im Streitfall liegt daher aufgrund der getroffenen Vereinbarung vom 24.11.2010 spätestens ab diesem Zeitpunkt eine verzinsliche Verbindlichkeit vor, deren Verzinsungsbeginn nur nach dem Bilanzstichtag erfolgte.
Der Bundesfinanzhof kann offen lassen, ob auch für Fälle einer kurzfristigen Verzinsung oder einer minimalen Verzinsung eine „verzinsliche Verbindlichkeit“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG angenommen werden kann. Im Streitfall ist eine solche Niedrigverzinsung jedenfalls nicht gegeben. Sie sollte der Höhe des effektiven Zinssatzes des bei der A-Bank aufgenommenen Refinanzierungsdarlehens entsprechen und die restliche Laufzeit der Darlehen erfassen.
Die nachträgliche Vereinbarung einer Verzinsung erfolgte auch nicht aufgrund missbräuchlicher Gestaltung. Wegen der geänderten Lage bei den Vertragsverhandlungen war mit einer kurzfristigen Rückzahlung der Darlehen nicht mehr zu rechnen, so dass man sich zu der Verzinsungsabrede am 24.11.2010 entschloss.
Soweit die Klägerin auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 5, 5 % hat16, kommt es hierauf nicht an.
Es stellt sich auch hinsichtlich der Verzinsung nicht die Frage -wie die Vorinstanz dies angenommen hat-, ob ein wertaufhellendes oder wertbegründendes Ereignis vorlag; denn die maßgebliche Vereinbarung vom 24.11.2010 war am Bilanzstichtag 31.12 2010 bekannt. Nur bei Tatsachen, die nach dem Bilanzstichtag und bis zur Bilanzaufstellung eingetreten sind oder bekannt bzw. erkennbar werden, ist die Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Tatsachen beachtlich17.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. September 2018 – XI R 30/16
- BFH, Urteil vom 27.01.2010 – I R 35/09, BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478, Rz 15[↩]
- BFH, Beschluss vom 29.06.2009 – I B 57/09, BFH/NV 2009, 1804[↩]
- BFH, Beschluss vom 06.10.2009 – I R 4/08, BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, mit Anm. Buciek, Finanz-Rundschau 2010, 341; BFH, Urteile in BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478; vom 08.11.2016 – I R 35/15, BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768, Rz 28 f.; vom 13.07.2017 – VI R 62/15, BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15; s.a. BT-Drs. 14/23, 171[↩]
- BFH, Urteile vom 05.05.2011 – IV R 32/07, BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98; in BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768; in BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2009, 1804, unter II. 4., Rz 16; BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 13 „Zinssatz von mehr als 0 %“; Schmidt/Kulosa, 37. Aufl. § 6 Rz 461; Köster in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 6 EStG Anm. R 50; HHR/Kiesel, § 6 EStG Rz 711, es genügt „jeder wirtschaftliche Nachteil“; offen gelassen BFH, Beschluss in BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177[↩]
- Groh, Der Betrieb -DB- 2007, 2275, 2277[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 17; offen gelassen BFH, Beschluss vom 22.07.2013 – I B 183/12, BFH/NV 2013, 1779, Rz 7; zweifelnd Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 18[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.01.2009 – 12 – V 12283/07, EFG 2009, 564[↩]
- s. HHR/Kiesel, § 6 EStG Rz 711; Groh, DB 2007, 2275, 2277; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 18 i.V.m. Rz 17; ebenso Tiede, Steuern und Bilanzen 2016, 708[↩]
- vgl. dazu Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461[↩]
- s. BFH, Beschluss in BFH/NV 2013, 1779, Rz 7, zu dem umgekehrten Fall eines zunächst verzinslichen Darlehens, das später durch eine Vereinbarung in ein unverzinsliches Darlehen umgewandelt wurde[↩]
- BT-Drs. 14/23, 172[↩]
- HHR/Köster, § 6 EStG Anm. R 50[↩]
- s. hierzu das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren 2 BvR 2706/17[↩]
- ständige Rechtsprechung des BFH, s. z.B. Urteil vom 04.04.1973 – I R 130/71, BFHE 109, 55, BStBl II 1973, 485, unter 1., m.w.N.; Beschluss vom 12.12 2012 – I B 27/12, BFH/NV 2013, 545, Rz 8, m.w.N.[↩]