Die durch eine atypisch stille Beteiligung an einer Organgesellschaft begründete Mitunternehmerschaft verdrängt das Organschaftsverhältnis mit der Folge, dass die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a. F. im Gewinnfestsetzungsbescheid des Organträgers nicht festzustellen ist.

Gemäß § 32c EStG a. F. ist von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Absatz 4 dieser Vorschrift abzuziehen, wenn in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 enthalten sind, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 100.278 Deutsche Mark beträgt. Gewerbliche Einkünfte im Sinne von Absatz 2 sind Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer unterliegen. Dazu gehören auch Ausschüttungen einer Organgesellschaft an den Organträger, weil sie dessen Gewinn erhöhen und damit -vorbehaltlich einer gewerbesteuerlichen Kürzung- Teil seines Gewerbeertrages im Sinne von § 7 GewStG sind1. Ausgenommen sind Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3, Nr. 2a, 3, 5, 7 und 8 GewStG zu kürzen sind.
Über die Höhe der von einer Personengesellschaft erzielten, nach § 32c EStG a. F. tarifbegünstigten Einkünfte ist im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung nach §§ 179, 180 Abs 1 Nr. 2 AO zu entscheiden2.
Im Streitfall ist die begehrte Tarifbegrenzung für die Ausschüttungen der Tochtergesellschaften nicht festzustellen. Zwar waren die Tochtergesellschaften H GmbH und M GmbH finanziell in die Klägerin eingegliedert und es bestanden mit ihnen Ergebnisabführungsverträge, die nach Auffassung des Beklagten die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft im Sinne von § 14 Nr. 1 bis 4 KStG a. F. erfüllten. In gewerbesteuerlicher Hinsicht kommt es allerdings nicht auf das Vorliegen eines Ergebnisabführungsvertrages an, vielmehr gilt eine Kapitalgesellschaft, die unter den Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 KStG a. F. in ein anderes gewerbliches Unternehmen eingegliedert ist, als dessen Betriebsstätte (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG a. F.). In den Streitjahren bestanden an den Tochtergesellschaften aber atypisch stille Beteiligungen, die als Mitunternehmerschaften für Zwecke der Gewerbesteuer die Regelungen der Organschaft verdrängen3.
Die atypisch stille Gesellschaft wird steuerlich -wie eine GmbH & Co KG- als Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG behandelt, sofern der still Beteiligte, wie im Streitfall, Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Die atypisch stille Gesellschaft ist selbst Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifizierung4, sie ermittelt ihren Gewinn anhand eigener Steuerbilanzen. Die GmbH und atypisch stille Gesellschaft ist Personengesellschaft5. Nach dem eindeutigen Wortlaut in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG a. F. (und auch nach gegenwärtiger Rechtslage) kommt als Organgesellschaft nur eine Kapitalgesellschaft in Betracht. Eine Kapitalgesellschaft kann zwar auch Organgesellschaft sein, wenn sie Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist, die Personengesellschaft selbst, an der die Organgesellschaft beteiligt ist, kann aber nicht Organgesellschaft sein, da sie eben keine Kapitalgesellschaft ist6. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Personengesellschaft auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden7.
Der Vorrang der jeweiligen Mitunternehmerschaft, der eine Zusammenrechnung von Gewerbeerträgen (und Gewerbekapitalien) der Personengesellschaft, an der die Organgesellschaft beteiligt ist, bei dem Organträger ausschließt, ist nach der Rechtsprechung des BFH aus den miteinander korrespondierenden Bestimmungen in § 8 Nr. 8, § 9 Nr. 2 und § 12 Abs. 3 Nr. 2 (bis 1997) GewStG herzuleiten. Organgesellschaft und Organträger sind nicht nur bürgerlich-rechtlich, sondern auch steuerrechtlich selbständige Gesellschaften, die für die von ihnen betriebenen Unternehmen getrennt bilanzieren. Für jedes Unternehmen des Organkreises ist eigenständig der Gewerbeertrag (§§ 7 bis 9 GewStG) und das Gewerbekapital (§ 12 GewStG, bis 1997) zu ermitteln. Kürzungen und Hinzurechnungen nach den §§ 8, 9 und 12 Abs.2 und 3 GewStG sind beim jeweiligen Gewinn bzw. Einheitswert anzusetzen8. Unerheblich für die Beurteilung der subjektiven Steuerpflicht ist der Umstand, dass bei der atypisch stillen Gesellschaft wegen Fehlens eines Gesellschaftsvermögens Steuerschuldner der Gewerbesteuer nach § 5 Abs.1 Satz 3 GewStG allein der Geschäftsinhaber ist9.
In Konsequenz dieser rechtlichen Beurteilung hat der Beklagte zu Recht den Gewinn der Klägerin um die Gewinne aus Anteilen an ihren Tochtergesellschaften H GmbH und M GmbH gem. § 9 Abs. 2a GewStG gekürzt, der die Kürzung um Gewinnanteile einer Kapitalgesellschaft betrifft, und nicht nach § 9 Abs. 2 GewStG, der die Kürzung um Gewinnanteile einer Mitunternehmerschaft regelt. Die Klägerin war nicht selbst an den Mitunternehmerschaften beteiligt, ihr ist deshalb nur der Gewinnanteil zuzurechnen, der auf ihre Tochtergesellschaften als jeweilige Mitunternehmerin entfiel. Die Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 9 Abs. 2a EStG schließt die Anwendung von § 32c EStG a. F. aus.
Die Klägerin beruft sich schließlich zu Unrecht darauf, dass sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. November 200610 unzweifelhaft ergebe, dass Einkünfte der Organgesellschaften sogar bei Nichtvorliegen eines Ergebnisabführungsvertrages der Tarifbegrenzung des § 32c EStG a. F. unterlägen. Die zitierte Entscheidung betrifft einen anderen Sachverhalt als den im Streitfall verwirklichten. In jenem Fall bestand keine stille Beteiligung an der Organgesellschaft und folglich auch keine persönliche Gewerbesteuerpflicht der Mitunternehmerschaft unter Beteiligung der Organgesellschaft.
Ebenfalls zu Unrecht wendet die Klägerin ein, die Erwägungen des BFH-Urteils vom 25. Juli 199511 seien auf den Streitfall nicht zu übertragen, weil dort, anders als im Streitfall, der Organträger selbst atypisch still an seiner Organgesellschaft beteiligt gewesen sei. Dieser Unterschied ist für die Beurteilung der Streitfrage nicht relevant. Unabhängig davon, ob sich der Organträger oder ein Dritter, wie im Streitfall, an der Organgesellschaft atypisch still beteiligt, entsteht eine Mitunternehmerschaft, mit den vorstehend dargestellten Konsequenzen für die gewerbesteuerliche Organschaft.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 2 K 250/08
- vgl. BFH, Urteil vom 27.09.2006 – IV R 50/98, BFH/NV 2007, 239[↩]
- BFH, Urteile vom 07.11.2006 – VIII R 18/98, BFH/NV 2007,667; vom 06.12.2005 – VIII R 99/02, BFH/NV 2006,104; R 185a Abs. 4 EStR 1999[↩]
- allg. Ansicht; z. B. BFH, Urteile vom 25.07.1995 – VIII R 54/93, BStBl II 1995, 794; vom 25.10.1995 – I R 76/93, BFH/NV 1996, 504[↩]
- vgl. z. B. BFH, Urteile vom 22.08.2002 – IV R 6/01, BFH/NV 2003,36; vom 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl II 1998, 328[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 25.07.1995 – VIII R 54/93, BStBl II 1995, 794; vom 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl II 1986, 311[↩]
- z. B. BFH, Urteil vom 25.10.1995 – I R 76/93, BFH/NV 1996,504 m. w. N.[↩]
- BFH, Urteile vom 25.07.1995 – VIII R 54/93, BStBl II 1995,794 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; siehe auch BFH vom 10.11.1983 – IV R 56/80, BStBl II 1984, 150[↩]
- BFH, Urteile vom 25.07.1995 – VIII R 54/93, BStBl II 1995,794; vom 23.01.1992 – XI R 47/89, BStBl II 1992, 630, jeweils m. w. N.; vom 02.03.1983 – I R 85/79, BStBl II 1983, 427; vom 08.01.1963 – I 237/61 U, BStBl III 1963, 188[↩]
- vgl. z. B. BFH, Urteil vom 14.09.1989 – IV R 85/88, BFH/NV 1990, 591; vom 10.11.1993 – I R 20/93, BStBl II 1994, 327[↩]
- BFH, Urteil vom 07.11.2006 – VIII R 18/98, BFH/NV 2007, 667[↩]
- BFH, Urteil vom 25.07.1995 – VIII R 54/93, BStBl II 1995, 794[↩]