Atypisch stille Gesellschaft – und die korrespondierende Bilanzierung

Die Berücksichtigung eines Verlustes im Sonderbetriebsvermögen eines atypisch stillen Gesellschafters, der sich daraus ergibt, dass ihm gegen den Geschäftsinhaber zustehende Ausgleichsforderungen wertlos werden, kommt erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung des atypisch stillen Gesellschafters in Betracht. Dies folgt aus dem Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung, der auch für Innengesellschaften wie die atypisch stille Gesellschaft gilt.

Atypisch stille Gesellschaft – und die korrespondierende Bilanzierung

Ein Verlust im Sonderbetriebsvermögen eines atypisch stillen Gesellschafters kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass ihm gegen den Geschäftsinhaber zustehende Ausgleichsforderungen wertlos werden. Ein entsprechender Verlust wird jedoch erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung -also beim Ausscheiden des atypisch stillen Gesellschafters oder bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft- realisiert. Dies folgt aus dem Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung, der nicht nur für Außengesellschaften wie z.B. die OHG, KG oder GbR gilt, sondern auch bei einer Innengesellschaft wie der atypisch stillen Gesellschaft zur Anwendung kommt, da diese für steuerliche Zwecke wie eine im Innenverhältnis bestehende (fiktive) KG behandelt wird1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind die durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG erfassten Rechtsbeziehungen in der Steuerbilanz der Gesellschaft und in den Sonderbilanzen der Mitunternehmer korrespondierend zu bilanzieren, d.h. entsprechende Forderungen des Mitunternehmers gegen die Gesellschaft sind zeit- und betragsgleich in der Gesellschaftsbilanz und in der Sonderbilanz zu erfassen. Eine in der Gesellschaftsbilanz passivierte Verbindlichkeit gegenüber dem Mitunternehmer wird dementsprechend in dessen Sonderbilanz durch einen gleich hohen Aktivposten (Forderung) neutralisiert2.

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Zahlt ein Kommanditist Schulden der KG, so steht ihm gegen die Gesellschaft ein Ausgleichsanspruch nach §§ 110, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs zu. Dieser Anspruch besteht neben einem eventuellen Anspruch aus gesetzlichem Forderungsübergang, der sich ergeben kann, wenn der Kommanditist als Bürge in Anspruch genommen wird (§ 774 Abs. 1 BGB) oder wenn der Zahlung ein Schuldbeitritt vorausgegangen ist, durch den er zum Gesamtschuldner geworden ist (§ 426 Abs. 2 BGB)3.

Diese Ansprüche gehören -ebenso wie Ansprüche eines Gesellschafters aus einer gegenüber der KG bestehenden Darlehensforderung- zwar nicht zu dem in der Gesellschaftsbilanz auszuweisenden Eigenkapital, wohl aber zum Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten, das in der aus Gesellschaftsbilanz und Sonderbilanzen zu bildenden Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft als Eigenkapital behandelt wird. Auch wenn feststeht, dass ein solcher Ersatzanspruch wertlos ist, weil er weder von der KG noch vom persönlich haftenden Gesellschafter beglichen werden kann, folgt aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft regelmäßig nicht in Betracht kommt. Das Imparitätsprinzip gilt insoweit nicht. Vielmehr wird dieser Verlust im Sonderbetriebsvermögen -ebenso wie der Verlust der Einlage in das Gesellschaftsvermögen- grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung, also beim Ausscheiden des Gesellschafters oder bei Beendigung der Gesellschaft realisiert4.

Maßgeblich für die Verlustrealisierung ist danach der Zeitpunkt, zu dem die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb im Ganzen aufgibt oder veräußert. Die auf diesen Zeitpunkt aufzustellende Schlussbilanz zur Ermittlung des Gewinns oder Verlustes aus der Betriebsveräußerung oder -aufgabe tritt an die Stelle der handelsrechtlichen Liquidationsschlussbilanz. Der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn schließt grundsätzlich das Ergebnis der gewerblichen Betätigung des Gesellschafters ab. Deshalb sind bei der Ermittlung des Aufgabegewinns oder -verlustes sämtliche Aufwendungen des Gesellschafters gewinnmindernd zu berücksichtigen, die mit dem Aufgabevorgang verbunden sind5. Entsprechendes gilt, wenn der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, ohne dass die Gesellschaft ihren Betrieb beendet6.

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Diese -für Außengesellschaften aufgestellten- Grundsätze gelten entsprechend für die atypisch stille Gesellschaft, die eine Innengesellschaft ohne ihr als solche zustehendes Vermögen ist.

Begründet der Inhaber eines Handelsgewerbes an seinem gesamten Betrieb eine stille Gesellschaft und ist die Gesellschaft ertragsteuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen, weil der stille Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt, entsteht eine atypisch stille Gesellschaft als eigenständige Mitunternehmerschaft. Deren Mitunternehmer sind der Inhaber des Handelsgewerbes und der oder -wenn sich mehrere am gesamten Handelsgewerbe des Inhabers atypisch still beteiligen- die atypisch still Beteiligte/n7.

Die Entstehung einer atypisch stillen Gesellschaft ist ertragsteuerlich wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i.S. des § 24 des Umwandlungssteuergesetzes zu würdigen, soweit der Betrieb des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich der atypisch stillen Gesellschaft zugeordnet wird8. Für die Dauer deren Bestehens gilt der Gewerbebetrieb des Inhabers des Handelsgewerbes (Prinzipal) als Betrieb der atypisch stillen Gesellschaft9. Das Betriebsvermögen des Inhabers des Handelsgewerbes wird dadurch mitunternehmerisches Vermögen, welches vom Inhaber des Handelsgewerbes im eigenen Namen, aber für Rechnung der Mitunternehmerschaft verwaltet wird. Demgemäß steht auch der erwirtschaftete Gewinn der Mitunternehmerschaft zu und wird nach Maßgabe der gesellschaftsvertraglichen Abreden auf die Mitunternehmer verteilt7.

Da die atypisch stille Gesellschaft als reine Innengesellschaft nicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet ist, setzt sich deren steuerlicher Gesamtgewinn aus dem vom handelsrechtlichen Jahresabschluss des Prinzipals abgeleiteten steuerlichen Gewinn und den Gewinnen aus evtl. aufzustellenden Sonder- und/oder Ergänzungsbilanzen für die Mitunternehmer zusammen. Die atypisch stille Gesellschaft wird mithin für steuerliche Zwecke im Ergebnis wie eine im Innenverhältnis bestehende (fiktive) KG behandelt10.

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Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall etwaige in der (Handels-)Bilanz der GmbH passivierte Verbindlichkeiten gegenüber dem S, die daraus resultieren, dass dieser Verbindlichkeiten der GmbH beglichen hat (z.B. Ansprüche des Klägers aus Vertrag, § 683 oder § 670 BGB) und die mitunternehmerisches Vermögen der-GmbH & atypisch Still darstellen, in der Sonderbilanz des stillen Gesellschafters durch einen gleich hohen Aktivposten (Forderung) zu neutralisieren (sog. korrespondierende Bilanzierung)11

, Urteil vom 23. März 2023 – IV R 8/20 (IV R 7/17)

  1. z.B. BFH, Urteile vom 21.12.2017 – IV R 44/14, Rz 26; vom 05.06.2003 – IV R 36/02, BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871, unter III. 2.b und c; Bodden in Korn, § 15 EStG Rz 645[]
  2. vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2005, 1523, unter II.A.01.; vom 21.12.2017 – IV R 44/14, Rz 27, für Sondervergütung des atypisch stillen Gesellschafters; vgl. auch Schmidt/Wacker, EStG, 42. Aufl., § 15 Rz 404, m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871, unter III. 2.b[]
  4. BFH, Urteile in BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871, unter III. 2.c; vom 16.03.2017 – IV R 1/15, BFHE 257, 304, BStBl II 2017, 943, Rz 39[]
  5. BFH, Urteile in BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871, unter III. 2.d, und in BFHE 257, 304, BStBl II 2017, 943, Rz 40[]
  6. s. hierzu ausführlich BFH, Urteil in BFHE 257, 304, BStBl II 2017, 943, Rz 41 f.[]
  7. vgl. BFH, Urteil in BFHE 260, 543, BStBl II 2018, 587, Rz 37[][]
  8. BFH, Urteil vom 08.12.2016 – IV R 8/14, BFHE 256, 175, BStBl II 2017, 538, Rz 25[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 256, 175, BStBl II 2017, 538, Rz 27[]
  10. vgl. BFH, Urteile vom 21.12.2017 – IV R 44/14, Rz 26; in BFHE 260, 543, BStBl II 2018, 587, Rz 37[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 21.12.2017 – IV R 44/14, Rz 27, 35[]
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