Bareinzahlungen – und die Schätzung der Schwarzeinnahmen

Wenn das Finanzgericht Bareinzahlungen auf Bankkonten des Steuerpflichtigen als Ausgangsgröße für die Schätzung nicht erklärter Betriebseinnahmen heranzieht, darf es solche Bareinzahlungen, die der Steuerpflichtige nach der eigenen Würdigung des Finanzgerichts ausreichend und nachvollziehbar erläutert hat, nicht zugleich als „Schwarzeinnahmen“ und damit als zusätzliche Betriebseinnahmen ansehen.

Bareinzahlungen – und die Schätzung der Schwarzeinnahmen

Ist davon auszugehen, dass in den jeweiligen Jahren ein Gewerbebetrieb unterhalten wurde, so sind Finanzamt und Finanzgericht dem Grunde nach zur Schätzung befugt. Gemäß § 162 Abs. 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige weitere Auskunft verweigert, Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen bestehen.

Jedoch hielten in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die Ausführungen des Finanzgerichts1 zur Höhe der Schätzung in mehrfacher Hinsicht der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand:

Ausgangspunkt der Schätzung des Finanzgericht und damit die entscheidende Schätzungsgrundlage ist die Höhe der Bareinzahlungen, die in den einzelnen Jahren auf die Bankkonten der Unternehmer vorgenommen worden sind. Das Finanzgericht hat in seinen -gerade in diesem entscheidenden Abschnitt äußerst knappen und nicht aus sich heraus verständlichen- Urteilen die Höhe der Bareinzahlungen nicht selbst beziffert, sondern hierfür sowohl auf die Einspruchsentscheidungen als auch auf die Angaben der Unternehmer in den umfangreichen Anlagen zu ihrem Schriftsatz von 28.03.2017 als auch auf die Auswertung der Bankkontoauszüge durch die Steuerfahndung Bezug genommen. Diese drei Aufstellungen über die Höhe der Bareinzahlungen unterscheiden sich allerdings teilweise erheblich voneinander. Den angefochtenen Urteilen lässt sich nicht entnehmen, welcher Aufstellung das Finanzgericht mit welcher Begründung folgen wollte. Damit sind die vorinstanzlichen Entscheidungen in diesem wesentlichen Punkt für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der auch ohne ausdrückliche Rüge durch die Unternehmer zur Aufhebung der Urteile führen muss2.

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Das Finanzgericht hat ferner einzelne Bareinzahlungsbeträge einerseits als „von den Unternehmern ausreichend und nachvollziehbar erläutert“, zugleich aber als „ungeklärt“ und damit als „Schwarzeinnahmen“ angesehen. Eine solche Würdigung ist widersprüchlich und stellt daher einen -vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigenden- Verstoß gegen die Denkgesetze dar.

Desweiteren führt das Finanzgericht zum Streitjahr 2001 aus, die Unternehmer hätten „bis auf wenige Zahlungsvorgänge keine ausreichenden und nachvollziehbaren Erläuterungen“ zur Herkunft der bar eingezahlten Beträge geben können. Dies bedeutet zugleich, dass die Unternehmer für einige -wenn auch wenige- Zahlungsvorgänge auch nach Auffassung des Finanzgericht ausreichende und nachvollziehbare Erläuterungen gegeben haben. In etwas konkreterer Weise heißt es im Urteil zu den Streitjahren 2002 bis 2005, die Unternehmer hätten „bis auf wenige Zahlungsvorgänge (vgl. etwa die Zahlungen vom 30.08.2004 und 4., 14.01.sowie 12.05.2005) keine ausreichenden und nachvollziehbaren Erläuterungen“ gegeben, sowie im Urteil zu den Streitjahren 2006 bis 2010, die Unternehmer hätten „bis auf wenige Zahlungsvorgänge (vgl. etwa die Angaben zum Verkauf eines Pkw und eines Motorrads) keine ausreichenden und nachvollziehbaren Erläuterungen“ gegeben. Dabei deutet der vom Finanzgericht verwendete Begriff „etwa“ darauf hin, dass die konkreten Verweise auf die Zahlungen vom 30.08.2004, 04.01.2005, 14.01.2005, 12.05.2005 sowie die Verkäufe eines Pkw und eines Motorrads lediglich beispielhaft zu verstehen sind, es also noch weitere Zahlungsvorgänge gegeben haben dürfte, für die das Finanzgericht die Mittelherkunft als „ausreichend und nachvollziehbar erläutert“ angesehen hat.

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Während die vorgenannten Formulierungen der Finanzgericht, Urteile jeweils im Rahmen der Ausführungen zur Schätzungsbefugnis dem Grunde nach enthalten sind, hat das Finanzgericht bei der Schätzung der Höhe nach jeweils die Gesamtbeträge der jährlichen Bareinzahlungen auf die Bankkonten der Unternehmer zum Ausgangspunkt seiner eigenen Schätzung gemacht, dabei also auch diejenigen Beträge, die es zuvor als „ausreichend und nachvollziehbar erläutert“ ansah, nicht abgezogen. Eine solche Würdigung ist denklogisch ausgeschlossen, da ein und derselbe Bareinzahlungsbetrag vom Tatrichter nicht einerseits als „ausreichend und nachvollziehbar erläutert“ und zugleich als „ungeklärt“ und damit als „Schwarz-Betriebseinnahme“ angesehen werden kann.

Die weitere Rüge der Unternehmer, das Finanzgericht habe den „Überhang“ der Bareinzahlungen über die Barabhebungen unzutreffend ermittelt, ist nur teilweise begründet. Die Unternehmer verkennen, dass das Finanzgericht einen solchen „Überhang“ (also den Saldo zwischen den Bareinzahlungen und den Barabhebungen) gar nicht hat ermitteln wollen, sondern von vornherein lediglich den Bruttobetrag der Bareinzahlungen -ohne Verrechnung mit Barabhebungen- zum Ausgangspunkt seiner Schätzung gemacht hat. Insofern hat das Finanzgericht seine Schätzung auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung zunächst einmal folgerichtig durchgeführt.

Das Finanzgericht hat allerdings nicht begründet, weshalb es eine solche Saldierung nicht vorgenommen hat, obwohl dies unter den Umständen des Streitfalls begründungsbedürftig gewesen wäre. Zwar ist es dem Bundesfinanzhof angesichts der fehlenden bzw. widersprüchlichen Tatsachenfeststellungen des Finanzgericht zur Höhe der Bareinzahlungen und Barauszahlungen nicht möglich, sich ein eigenes Bild von der Höhe dieser Beträge zu machen. Nach Aktenlage deutet aber Manches darauf hin, dass die Barauszahlungen -jedenfalls in einigen der Streitjahre- einen nennenswerten Umfang erreicht haben. Auch in einem solchen Fall mag das Finanzgericht Gründe dafür finden können, solche Barauszahlungen bei einer Schätzung, deren Ausgangspunkt die Bareinzahlungen sind, unberücksichtigt zu lassen (insbesondere dann, wenn der Umfang der Barauszahlungen diejenigen Beträge, die bei einer Familie von der Größe derjenigen der Unternehmer zu erwarten sind, nicht übersteigt). Es muss diese Gründe dann aber in seiner Entscheidung ausdrücklich anführen und entsprechende tatsächliche Feststellungen zum Umfang der Barauszahlungen treffen. Daran fehlt es hier.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Februar 2020 – X R 9/19

  1. FG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 09.05.2018 – 2 K 2014/17, 2 K 2160/17 und 2 K 2220/17[]
  2. BFH, Urteil vom 17.11.2015 – VIII R 67/13, BFHE 252, 207, BStBl II 2016, 569, Rz 10, m.w.N.[]