Beendigung einer unechten Betriebsaufspaltung – und das Verpächterwahlrecht

Die Grundsätze über das Verpächterwahlrecht gelten nicht nur bei Beendigung einer „echten Betriebsaufspaltung“, sondern auch dann, wenn eine „unechte Betriebsaufspaltung“ beendet wird1.

Beendigung einer unechten Betriebsaufspaltung – und das Verpächterwahlrecht

Rechtsfolge einer Betriebsaufspaltung im Sinne der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze2 ist, dass die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG qualifiziert wird. Eine Betriebsaufspaltung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann. Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden3. Von einer personellen Verflechtung geht die Rechtsprechung aus, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen4.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall bestand danach eine solche personelle Verflechtung zwischen der P-GbR und der P-GmbH nur bis zur Übertragung der Gesellschaftsanteile an der P-GmbH auf U am 30.01.2008. Denn nach diesem Zeitpunkt konnte alleine U in der P-GmbH seinen Willen durchsetzen. Es ist insoweit irrelevant, dass die wirtschaftliche Betätigung sowohl der P-GbR als auch der P-GmbH unverändert -wovon auszugehen ist- von dieser Änderung der Beteiligungsverhältnisse fortgeführt wurde. Über diese Frage herrscht zwischen den Beteiligten Einverständnis, sodass von weiteren Ausführungen hierzu abgesehen wird. Das Ende der Betriebsaufspaltung hat nicht zu einer Betriebsaufgabe geführt, weil die P-GbR ihren Gewerbebetrieb nach den Grundsätzen der Betriebsverpachtung fortgeführt hat. Dementsprechend ist der P-GbR zum Einen kein Aufgabegewinn entstanden, und zum Anderen hat die P-GbR weiterhin bis zu ihrem Untergang durch die Anteilsvereinigung gewerbliche Einkünfte erzielt:

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Zwar führt der Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG. Eine Ausnahme hiervon und von der dadurch ausgelösten Zwangsprivatisierung des bisherigen Betriebsvermögens des Besitzunternehmens ist jedoch aufgrund einer zweckgerecht einschränkenden Auslegung des in § 16 Abs. 3 EStG normierten Betriebsaufgabetatbestandes u.a. dann geboten, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vorgelegen haben5. Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs führt dann nicht zwangsläufig zur Betriebsaufgabe und damit der Aufdeckung der stillen Reserven, wenn der Gewerbetreibende zwar seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet und der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden nicht klar und eindeutig die Aufgabe des Betriebs erklärt (sog. Verpächterwahlrecht, vgl. BFH, Urteil in BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II. 3.).

Die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung ergeben sich für den Streitfall noch aus den von der Rechtsprechung im Anschluss an das Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124 entwickelten Grundsätzen.

Die gesetzliche Regelung zur Betriebsverpachtung in § 16 Abs. 3b EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 vom 01.11.20116 findet im Streitfall keine Anwendung, denn sie gilt gemäß § 52 Abs. 34 Satz 9 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 erstmals für Betriebsaufgaben nach dem 4.11.2011.

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Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen reicht es für eine gewerbliche Betriebsverpachtung aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Welche der Betriebsgegenstände als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs. Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebs abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise). Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse des verpachtenden, nicht des pachtenden Unternehmens7. Eine Verpachtung wesentlicher Wirtschaftsgüter kann nur dann einer Betriebsverpachtung im Ganzen gleichstehen, wenn der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses den Betrieb wieder in bisheriger Weise fortsetzen könnte8.

Wird lediglich ein Betriebsgrundstück, ggf. in Verbindung mit Betriebsvorrichtungen, verpachtet, so liegt nur dann eine Betriebsverpachtung vor, wenn das Grundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Für Groß- und Einzelhandelsunternehmen wird nach der neueren BFH-Rechtsprechung angenommen, dass die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand bilden und dem Gewerbe das Gepräge geben – anders als etwa bei dem produzierenden Gewerbe9.

Danach erfüllte die Tätigkeit der P-GbR nach Ende der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung. Denn die P-GbR vermietete ihre einzige wesentliche Betriebsgrundlage -das Betriebsgrundstück- weiterhin an die P-GmbH, ohne eine Betriebsaufgabeerklärung abzugeben.

Dem steht nicht entgegen, dass die zuvor bestehende Betriebsaufspaltung eine sog. „unechte“ Betriebsaufspaltung war. Während bei einer „echten“ Betriebsaufspaltung ein ursprünglich einheitlicher Betrieb des Steuerpflichtigen in ein operativ tätiges Betriebsunternehmen und ein Besitzunternehmen, das dem Betriebsunternehmen wesentliche Teile des Anlagevermögens zur Nutzung überlässt, aufgespalten wird, sind im Fall der „unechten“ Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen nicht aus einem einheitlichen Betrieb hervorgegangen.

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Beide Arten der Betriebsaufspaltung werden steuerrechtlich gleich behandelt10. Das gilt auch für die Anwendung der Grundsätze zur Betriebsverpachtung und dem daraus folgenden Recht, den Betrieb ungeachtet der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit fortzuführen und es zu einer Betriebsaufgabe nur bei ausdrücklicher Erklärung kommen zu lassen. Es wäre vor dem Gleichheitssatz nicht zu rechtfertigen, das sog. Verpächterwahlrecht bei Wegfall der Voraussetzungen der echten Betriebsaufspaltung zu gewähren, es dagegen nur deshalb zu versagen, weil die Voraussetzungen einer unechten Betriebsaufspaltung entfallen sind. In beiden Fällen hätte der Besitzunternehmer ohne Eingreifen des Instituts der Betriebsverpachtung stille Reserven zu versteuern, ohne dass ihm -wie bei einer Betriebsveräußerung- Mittel zuflössen, mit denen er die durch einen Aufgabegewinn anfallende Einkommensteuer bezahlen könnte. Diese Erwägung betrifft sowohl die „echte“ wie die „unechte“ Betriebsaufspaltung11.

Entgegen der Ansicht des Finanzamt scheidet die Annahme einer Betriebsverpachtung durch das Besitzunternehmen nach Beendigung einer unechten Betriebsaufspaltung auch nicht deshalb aus, weil das Besitzunternehmen keinen Betrieb unterhalten habe, den es verpachten könnte. Denn die Betriebsaufspaltung hat zur Folge, dass die Tätigkeit des Besitzunternehmens, die über das Betriebsunternehmen auf Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit gerichtet ist, ihrerseits als eigenständige gewerbliche Tätigkeit beurteilt wird12. Entscheidet sich das ehemalige Besitzunternehmen dann zur weiteren Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen zur Betriebsverpachtung, so führt es die bisherige gewerbliche Tätigkeit im Ergebnis fort. Für die Annahme einer Betriebsverpachtung genügt dies.

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Soweit das Finanzgericht Baden-Württemberg angenommen hat, die Betriebsgesellschaft habe keinen Handelsbetrieb unterhalten, dessen einzige wesentliche Betriebsgrundlage das Grundstück ist, und deshalb die Grundsätze über die Betriebsverpachtung für nicht anwendbar gehalten hat13, ist dem nicht zu folgen. Das Finanzgericht ist hier offenbar der Wertung des Finanzamt gefolgt, wonach der Betrieb nicht als ein Handels, sondern als ein Produktionsbetrieb zu qualifizieren sei. Abzustellen ist dabei nicht auf die Verhältnisse der Pächterin -also der P-GmbH, sondern der Verpächterin, aus deren Perspektive der überlassene Betrieb ein Handelsbetrieb war.

Die P-GbR hat danach im Streitjahr ausschließlich gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 EStG erzielt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. April 2019 – IV R 12/16

  1. Anschluss an BFH, Urteil vom 17.04.2002 – X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527, unter B.II. 3.c bb (1) []
  2. BFH, Beschluss vom 08.11.1971 – GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, ständige Rechtsprechung[]
  3. BFH, Urteil vom 24.09.2015 – IV R 9/13, BFHE 251, 227, BStBl II 2016, 154, Rz 19[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 251, 227, BStBl II 2016, 154, Rz 27[]
  5. grundlegend dazu BFH, Urteil vom 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124, und BFH, Urteil vom 11.10.2007 – X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II. 2.[]
  6. BGBl I 2011, 2131[]
  7. BFH, Urteile vom 14.12 1978 – IV R 106/75, BFHE 127, 21, BStBl II 1979, 300, unter 2.; vom 06.03.1997 – XI R 2/96, BFHE 183, 85, BStBl II 1997, 460, unter II. 3.; in BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II. 3.b; vom 07.11.2013 – X R 21/11, Rz 15[]
  8. vgl. BFH, Urteile in BFHE 183, 85, BStBl II 1997, 460, unter II. 3.; vom 11.02.1999 – III R 112/96, BFH/NV 1999, 1198[]
  9. vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 1999, 1198; in BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II. 3.; vom 07.11.2013 – X R 21/11, Rz 16[]
  10. vgl. schon BFH, Urteil vom 16.01.1962 – I 57/61 S, BFHE 74, 275, BStBl III 1962, 104; bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 14.01.1969 – 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28, BStBl II 1969, 389, unter B.1.a; so auch Reiß in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 15 Rz 79[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 17.04.2002 – X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527, unter B.II. 3.c bb (1) []
  12. vgl. BFH, Urteile vom 18.06.2015 – IV R 11/13, Rz 29; und vom 20.08.2015 – IV R 26/13, BFHE 251, 53, BStBl II 2016, 408, Rz 11[]
  13. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2016 – 12 K 2840/13[]
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Betriebsverpachtung - nach Beendigung einer Betriebsaufspaltung

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