Bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist positives Eigenkapital, das aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren herrührt, unberücksichtigt zu lassen. Die durch das StÄndG 2001 eingeführte Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG (derzeit § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG) gebietet es, in dem ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand von „Null“ auszugehen1.

Schuldzinsen sind nach Maßgabe von § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähig, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Seit Einführung der Vorschrift ist der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen2. Auf der ersten Stufe ist zu klären, ob die den Schuldzinsen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten solche sind, die dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind. Sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähig sind3.
Im vorliegenden Fall hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz -ohne dies zu begründen- ausgeführt, die in den Streitjahren als Aufwand erfassten Schuldzinsen seien betrieblich veranlasst gewesen4. Feststellungen insbesondere zu Grund und Höhe des Zinsaufwands für nicht ausgezahlte Gewinnanteile der stillen Gesellschafter („Darlehen II“) fehlen indes. Im Hinblick darauf, dass eine betriebliche Veranlassung der Zinsen zwischen den Beteiligten bislang außer Streit stand, sieht auch der Bundesfinanzhof von grundsätzlichen Ausführungen hierzu ab. Allerdings sollte das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang, in dem es insoweit an seine bisherige rechtliche Beurteilung nicht gebunden ist, zumindest erwägen, dass die von den Kindern der Besitzunternehmerin gewährten Darlehen hinsichtlich der Vereinbarungen und deren Durchführung den besonderen Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen genügen müssen5. Hierbei dürfte auch der Umstand der für die Streitjahre -gemessen am Marktzinsniveau- recht hohen Verzinsung von 8 % zu berücksichtigen sein6.
Für den Fall, dass betrieblich veranlasster Zinsaufwand vorläge, entspräche die hieran anknüpfende Entscheidung der Vorinstanz, eine Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 4a EStG aufgrund des durchgängig positiven bilanziellen Eigenkapitals der Besitzunternehmerin als ausgeschlossen anzusehen, nicht der für die Streitjahre geltenden Rechtslage. Für die Besitzunternehmerin wären trotz positiven Eigenkapitals Überentnahmen anzusetzen, die grundsätzlich eine Begrenzung des Schuldzinsenabzugs auslösten.
Überentnahme i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG ist nach Satz 2 der Vorschrift der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 1 EStG). Hieraus folgt, dass die Bemessungsgrundlage der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen der Summe der jeweiligen Über- und Unterentnahmen aller in die Berechnung einzubeziehenden Wirtschaftsjahre -d.h. einer Totalperiode- entspricht7.
Durch das StÄndG 2001 hat der Gesetzgeber diese Totalperiode für die Vergangenheit zeitlich insoweit begrenzt, als Über- und Unterentnahmen aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren unberücksichtigt bleiben (§ 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001, jetzt § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG). Somit ist bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen zum 01.01.1999, dem Beginn der Totalperiode, von einem „Startkapital“ von 0 DM/€ auszugehen8. Diese Regelung, die dazu führt, dass zum Startzeitpunkt bestehendes positives sowie negatives Eigenkapital unberücksichtigt bleibt, verstößt -wie inzwischen hinlänglich geklärt- weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sowie den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit9.
Das Finanzgericht ist von anderen, allerdings zeitlich überholten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Dessen Entscheidungen, das zum 01.01.1999 bestehende positive Eigenkapital des Besitzunternehmens für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen, kann insbesondere nicht auf das BFH, Urteil in BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504 gestützt werden. Denn jenes Urteil betrifft den Veranlagungszeitraum 1999 und somit ein Jahr, für das die Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 zur Bestimmung des „Startkapitals“ noch nicht existierte. Dort hat der Bundesfinanzhof ausdrücklich festgestellt, dass lediglich in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 ein Unterentnahmevortrag (d.h. positives Eigenkapital) aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren zu berücksichtigen sei10.
Dagegen besteht -beginnend ab dem Veranlagungszeitraum 2001- für die vom Finanzgericht vertretene Gesetzesauslegung, „angespartes“ Eigenkapital aus Wirtschaftsjahren vor 1999 als vorzutragende Unterentnahmen zu berücksichtigen, kein Raum. Zwar trifft es zu, dass nach der Gesetzeskonzeption des § 4 Abs. 4a EStG eine Beschränkung des betrieblich veranlassten Schuldzinsenabzugs erst dann in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige mehr für private Zwecke entnimmt als an Eigenkapital vorhanden ist11. Hieraus folgt aber nicht, dass der Zweck der Regelung unbedingt verlangt, auch das zum Zeitpunkt der Einführung vorhandene Eigenkapital zu berücksichtigen. Insoweit hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 den zeitlichen Rahmen festlegt, für den das sog. Eigenkapitalmodell gilt, nämlich für nach dem 31.12.1998 endende Wirtschaftsjahre12. Hiervon Abweichendes wurde weder in der BFH-Entscheidung vom 17.08.2010 ( BFH, Urteil vom 17.08.2010 – VIII R 42/07, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041)) noch in der BFH-Entscheidung in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744 vertreten.
Die ab dem 01.01.1999 für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 4a EStG anzusetzenden -oben dargestellten- bilanziellen Werte sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Für den zweiten Rechtsgang weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass die vom Finanzgericht im Tatbestand seiner Entscheidungen dargestellten Kapitalkontenentwicklungen nicht in Einklang mit den durch die Außenprüfungen ermittelten -nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zutreffenden und unstreitigen- Zahlen zu bringen sind.
Dem Bundesfinanzhof war eine eigene Entscheidung in der Sache verwehrt, da das Finanzgericht -vor dem Hintergrund seiner Rechtsansicht folgerichtig- nicht über die von den Beteiligten im ersten Rechtsgang ebenfalls streitig erörterte Frage befunden hat, inwiefern die als betrieblich veranlasst angenommenen Schuldzinsen auf nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG begünstigte Zinsen für Investitionskredite entfielen.
§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG bestimmt, dass der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt bleibt. Mit dieser Privilegierung bezweckt der Gesetzgeber, derartige Investitionen nicht durch die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a EStG zu behindern13, wobei die Außerachtlassung von Zinsen für die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens rechtlich unbedenklich ist14.
Ob begünstigte Schuldzinsen i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG vorliegen, bestimmt sich nicht nach dem vereinbarten Darlehenszweck oder der Mittelverwendungsabsicht des Darlehensnehmers, sondern allein nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel für eine entsprechend privilegierte Investition15. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für eine solche Verwendung trifft den Steuerpflichtigen16.
Der Bundesfinanzhof kann nicht erkennen, inwiefern die in den Streitjahren angefallenen Schuldzinsen konkret im sachlichen Zusammenhang mit Investitionen in Anlagevermögen des Besitzunternehmens standen. Die hierfür erforderlichen Feststellungen obliegen dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz; die Feststellungslast trifft die Kläger17.
Der Bundesfinanzhof weist allerdings darauf hin, dass die im ersten Rechtsgang von den Besitzunternehmerin eingereichte chronologische Investitionsliste den von ihnen behaupteten Finanzierungszusammenhang nicht hinreichend belegen dürfte. Jener Liste ist nicht zu entnehmen, ob die Darlehen -und hierbei insbesondere die aus stehen gelassenen Gewinnanteils- und Verzinsungsansprüchen resultierenden Kapitalüberlassungen der stillen Gesellschafter- tatsächlich für den Erwerb der dort bezeichneten Wirtschaftsgüter eingesetzt wurden. Zum einen könnten die Investitionen ebenso aus freien Finanzmitteln erbracht worden sein. Zum anderen wird zu berücksichtigen sein, dass sich ausweislich der Anlage 5 des Außenprüfungsberichts vom 13.07.2007 jedenfalls für die Streitjahre 2002 und 2003 Zinsen für Investitionskredite in Höhe von 17.674 € (2002) sowie 5.700 € (2003) in Abzug gebracht wurden, die womöglich in Zusammenhang mit dem Erwerb bestimmter Sachanlagegüter stehen.
Der Einwand der Besitzunternehmerin, infolge der besonderen Betriebsstruktur ihres Unternehmens müssten sämtliche fremdfinanzierte Investitionen zwangsläufig als solche ins Anlagevermögen anzusehen sein, dürfte nicht verfangen. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass der vorliegend maßgebliche Zinsaufwand ganz oder zumindest durch das Entnahmeverhalten der Besitzunternehmerin veranlasst wurde. Wenn sie vorbringt, sie habe ihre Entnahmen durch „positive Bankguthaben“ finanziert, verkennen sie, dass diese Guthaben zumindest auch durch die darlehensweise zur Verfügung gestellten Gewinnanteils- und Verzinsungsansprüche („Darlehen II“) der stillen Gesellschafter gespeist worden sein dürften.
Sollten die Feststellungen im zweiten Rechtsgang dazu führen, dass weitergehend als bisher begünstigte Zinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG zu berücksichtigen wären, könnte das Finanzgericht zudem erwägen, ob kompensierend hierzu jeweils ein höherer Schuldzinsenaufwand für Zwecke der Höchstbetragsberechnung gemäß Satz 4 der Vorschrift in Ansatz zu bringen wäre. Nicht als Schuldzinsen i.S. des Gesetzes erfasst wurden die zu Lasten des Gewinns der Besitzunternehmerin gebuchten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter von jährlich (…). Ob die Gewinnanteile eines typisch still beteiligten Gesellschafters überhaupt in die Berechnung der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen -über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus- einzubeziehen sind, wurde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings noch nicht entschieden18.
Schließlich sollte das Finanzgericht prüfen, ob die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2006 nach der Außenprüfung hinsichtlich der Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG verfahrensrechtlich überhaupt noch geändert werden konnte. Der Bescheid vom 30.04.2010 weist als Änderungsnorm § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung aus. Dies könnte -was für den Bundesfinanzhof nach Aktenlage allerdings nicht überprüfbar ist- dafür sprechen, dass die Besitzunternehmerin jedenfalls für das Streitjahr 2006 zuvor bestandskräftig veranlagt worden waren. In diesem Fall wäre zu beurteilen, welche insoweit rechtserheblichen Tatsachen oder Beweismittel dem Finanzamt nachträglich bekannt geworden sein sollten.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. November 2019 – X R 40 -41/18
- Anschluss an BFH, Urteil vom 09.05.2012 – X R 30/06, BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667[↩]
- statt vieler BFH, Urteil vom 21.09.2005 – X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125, unter II. 3.[↩]
- BFH, Urteil vom 14.03.2018 – X R 17/16, BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744, Rz 17, m.w.N.[↩]
- FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.08.2018 – 5 K 1375/16[↩]
- vgl. hierzu u.a. BFH, Urteile vom 10.10.2018 – X R 44-45/17, BFHE 263, 11, BStBl II 2019, 203, Rz 18 ff., sowie vom 22.05.2019 – X R 19/17, DStR 2019, 2118, Rz 26 f.[↩]
- vgl. hierzu ausführlich BFH, Urteil vom 22.10.2013 – X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374, Rz 77[↩]
- vgl. hierzu auch BFH, Urteil in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744, Rz 19[↩]
- grundlegend BFH, Urteil vom 09.05.2012 – X R 30/06, BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667, Rz 32, 64[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667, Rz 38 ff. [die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss vom 07.04.2015 – 2 BvR 1868/12]; vgl. zuletzt auch BFH, Urteil vom 06.12.2018 – IV R 15/17, BFH/NV 2019, 526, Rz 25[↩]
- BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504, unter II. 4.c[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504, unter II. 4.a aa, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667, Rz 37[↩]
- BFH, Urteil vom 07.07.2016 – III R 26/15, BFHE 254, 347, BStBl II 2016, 837, Rz 19, m.w.N., sowie BFH, Urteil vom 23.03.2011 – X R 28/09, BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753, Rz 21[↩]
- BFH, Urteil vom 30.08.2012 – IV R 48/09, BFH/NV 2013, 187, Rz 22 ff.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 254, 347, BStBl II 2016, 837, Rz 21[↩]
- BFH, Urteil vom 23.02.2012 – IV R 19/08, BFHE 237, 48, BStBl II 2013, 151, Rz 14, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 237, 48, BStBl II 2013, 151, Rz 14[↩]
- bejahend allerdings FG Köln, Urteil vom 21.08.2013 – 14 K 3754/11, EFG 2014, 173, rkr.[↩]
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