Die personelle Verflechtung verlangt -abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung-, dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen reicht nicht aus1. Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.

Ein „Stimmen-Patt“ begründet also keine Betriebsaufspaltung. Eine Betriebsaufspaltung liegt mithin nicht vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesel-schafter in der Betriebskapitalgesellschaft nur über exakt 50 % der Stimmen verfügt.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall waren eine Mutter und ihre beiden Kinder mit dem Tod des Ehemanns und Vaters Gesellschafter der Betriebs-GmbH geworden. Dieser GmbH hatte die Mutter bereits seit Jahren ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nachdem die Mutter in einer Gesellschafterversammlung, in der eine Ergänzungspflegerin ihren minderjährigen Sohn vertrat, zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war, sah das Finanzamt die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als gegeben an. Es meinte, die Mutter könne die GmbH, obwohl sie nur 50 % der Stimmen innehabe, aufgrund ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen, so dass neben der sachlichen auch die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung vorliege. Die Mutter erziele daher aus der Grundstücksverpachtung gewerbliche Einkünfte.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg sah das anders und gab der Klage statt2. Die Revision des Finanzamtes hatte keinen Erfolg; der Bundesfinanzhof verneinte ebenfalls das Vorliegen einer personellen Verflechtung und wies die Revision als unbegründet zurück; die Anteile ihres minderjährigen Kindes seien der Mutter nicht zuzurechnen, da für dieses eine Ergänzungspflegschaft bestehe, die auch dessen Gesellschafterrechte umfasse. In einem solchen Fall lägen keine gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessen vor. Die Beteiligung der Mutter von exakt 50 % der Stimmen reiche aufgrund der „Patt-Situation“ für eine Beherrschung nicht aus.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat, so der Bundesfinanzhof, zutreffend erkannt, dass es trotz der vorliegenden sachlichen Verflechtung an der für das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung notwendigen personellen Verflechtung zwischen der Mutter und der GmbH fehlt, so dass der streitige Einkommensteueränderungsbescheid, der zu einer höheren Einkommensteuerbelastung der mit der Erbengemeinschaft zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Mutter geführt hat, aufzuheben ist. Die somit zulässige Klage hatte zu Recht Erfolg. Die Mutter beherrscht die GmbH nicht, da sie lediglich zu 50 % an ihr beteiligt ist. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass sie zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt wurde. Die Anteile des minderjährigen Sohnes können der Mutter mangels gleichgelagerter Interessen nicht zugerechnet werden. Auch eine personelle Verflechtung aufgrund einer faktischen Beherrschung der GmbH durch die Mutter liegt nicht vor.
Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass einer Betriebsgesellschaft wesentliche Grundlagen für ihren Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben; dieser ist anzunehmen, wenn die Person bzw. Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann3. Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden4. Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft zu bejahen, dass das Besitzunternehmen durch die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit über die Betriebsgesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist das Besitzunternehmen nach der ständigen zur Betriebsaufspaltung ergangenen Rechtsprechung des BFH gewerblich tätig5.
Eine sachliche Verflechtung setzt voraus, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen zumindest eine für dieses wesentliche Betriebsgrundlage überlässt. Da das überlassene Vermögen regelmäßig auch für das Besitzunternehmen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung hat, wird (gerade) durch diese sachliche Verflechtung gewährleistet, dass die Einflussnahme auf beide Unternehmen und ihre Geschäftspolitik koordiniert wird6. Denn erst durch die Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an das Betriebsunternehmen fungiert diese als unternehmerisches Instrument der Beherrschung.
Im Streitfall ist die Überlassung einer solchen wesentlichen Betriebsgrundlage, hier des Grundstücks, gegeben, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so dass der Bundesfinanzhof auf weitere Ausführungen verzichtet.
Für eine personelle Verflechtung ist -abgesehen vom hier nicht gegebenen Sonderfall der faktischen Beherrschung- erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen7. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Mutter war zwar Alleineigentümerin des überlassenen Grundstücks, nicht aber in der Lage, auch in der GmbH ihren Willen so durchzusetzen, dass eine personelle Verflechtung gegeben ist.
Damit ein Gesellschafter eine GmbH beherrscht, ist es gesellschaftsrechtlich ausreichend -aber auch notwendig-, dass er über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, die der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter ansonsten die laufende Geschäftsführung innehat (sog. Geschäfte des täglichen Lebens). Exakt 50 % der Stimmen reichen deshalb noch nicht aus.
Im Hinblick auf die personelle Verflechtung ist entscheidend, ob die hinter dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft stehenden Personen „einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen“ haben. Denn dann unterscheidet sich die Tätigkeit des Besitzunternehmens von der Tätigkeit eines normalen Vermieters8. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden, wobei hieran nach Auffassung des Großen Bundesfinanzhofs des BFH strenge Anforderungen zu stellen sind9.
Das Besitzunternehmen kann auch das Einzelunternehmen einer natürlichen Person sein, die an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist10. Auch in diesem Fall muss sichergestellt sein, dass dieser Gesellschafter in der Betriebsgesellschaft seinen Willen durchsetzen kann. Dazu bedarf es im Fall einer GmbH der Mehrheit der Anteile11. Etwas anderes gilt, wenn für Beschlüsse der Gesellschafter eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen ist, was hier jedoch nicht der Fall ist. Die Anzahl der Stimmen richtet sich nach dem Umfang der Anteile12. An dieser Voraussetzung hat der Bundesfinanzhof auch in seinen Urteilen vom 30.11.2005 – X R 56/0413; und vom 02.09.2008 – X R 32/0514 ausdrücklich festgehalten15. Folglich reicht eine „Patt-Situation“, bei der ein Gesellschafter nur exakt 50 % der Stimmen der Betriebsgesellschaft hält, grundsätzlich nicht aus.
Die Mutter kann als Mitglied der Erbengemeinschaft nach – V nicht schon aufgrund ihres Stimmenanteils von exakt 50 % die Betriebskapitalgesellschaft beherrschen. Für die Beurteilung des Streitfalls sind die zivilrechtlichen Besonderheiten der Erbengemeinschaft ohne Bedeutung. Sie ermöglichen es nicht, ihr eine Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung der GmbH zu verschaffen.
Da das Vermögen des – V den Klägern in ungeteilter Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zusteht (§ 1922, § 2033 BGB), ist jeder von ihnen an dem zum Nachlass gehörenden GmbH-Anteil mitberechtigt und folglich Gesellschafter. Dabei können sie ihre Rechte zwar grundsätzlich nur gemeinschaftlich ausüben16. Wie vom Finanzgericht zutreffend angenommen, gilt jedoch die sog. mittelbare einheitliche Rechtsausübung17. In diesem Fall ist abweichend vom Grundsatz gemeinschaftlicher Verwaltung der Erbengemeinschaft auf die Verteilung der Stimmrechte in der Erbengemeinschaft abzustellen. Die deshalb auf die Mutter entfallenden 50 % der Stimmen führen folglich nur zur Patt-Situation bei der Betriebs-GmbH. Die Mutter kann die Betriebs-GmbH nicht ohne weitere Umstände oder ohne die Zurechnung weiterer Stimmen beherrschen.
Sollte entgegen dieser Ansicht -so eine in der zivilrechtlichen Literatur vereinzelt vertretene Auffassung (sog. unmittelbar einheitliche Rechtsausübung, vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 47 Rz 38; wohl auch Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 18 Rz 12)- nur eine unmittelbare einheitliche Rechtsausübung zulässig sein, wäre eine Beherrschung der GmbH durch die Mutter schon deshalb zu verneinen, weil die Erbengemeinschaft Maßnahmen in Bezug auf die GmbH-Beteiligung dann nur einstimmig hätte treffen können.
Eine Beherrschung der GmbH ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass die Mutter zugleich Geschäftsführerin der GmbH wurde und so die sog. Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft bestimmen konnte. Es fehlt die weiterhin notwendige Mehrheitsbeteiligung der Mutter an der GmbH.
Seit dem BFH, Urteil vom 12.11.1985 – VIII R 240/8118 vertritt die höchstrichterliche Rechtsprechung die Ansicht, dass es für eine Beherrschung im Sinne der Betriebsaufspaltung auf das für die Geschäfte des täglichen Lebens maßgebende Stimmrechtsverhältnis ankommt19. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ist insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, dass er über eine Beschlussmehrheit i.S. von § 47 Abs. 1 GmbHG verfügt. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag in besonderen Fällen einstimmige Beschlüsse oder eine qualifizierte Mehrheit vorschreibt20. Macht der Gesellschaftsvertrag Geschäfte des täglichen Lebens21 nicht von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig, hat der Geschäftsführer die Geschäfte des täglichen Lebens zwar im Interesse der Gesellschaft, aber grundsätzlich eigenverantwortlich zu führen (vgl. § 37 Abs. 1 und § 45 GmbHG). Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der über die Mehrheit der Stimmen gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG verfügt, beherrscht deshalb dann die Geschäfte des täglichen Lebens in der Betriebsgesellschaft, wenn ihm -abgesehen vom Vorliegen eines wichtigen Grundes- die Geschäftsführungsbefugnis nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann22. Diese Sachlage ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Geschäftsführerstellung zeitlich unbefristet erteilt worden ist23.
Jüngst hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 28.05.202024 bereits eine personelle Verflechtung bejaht, wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach den Beteiligungsverhältnissen, wohl aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- und der Betriebsgesellschaft in Bezug auf die die sachliche Verflechtung begründenden Wirtschaftsgüter ihren Willen durchsetzen könne.
Dieser Entscheidung des IV. Senats des Bundesfinanzhofs lag allerdings eine besondere Sachverhaltskonstellation zugrunde. Die mit 100 % der Stimmen die Betriebskapitalgesellschaft beherrschende maßgebende Personengruppe war an der Besitzpersonengesellschaft lediglich mit 99 % beteiligt. Der 1 %-Minderheitsgesellschafter konnte aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in dieser GbR (vgl. § 709 Abs. 1 BGB) Beschlüsse der maßgebenden Personengruppe verhindern. Lediglich für diese Situation stellte der IV. Senat des Bundesfinanzhofs fest, dass bei der Beherrschung der Geschäfte der laufenden Verwaltung durch die maßgebende Personengruppe trotz des geltenden Einstimmigkeitsprinzips eine personelle Verflechtung vorliege.
Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs urteilte, eine Beherrschungsidentität liege in diesem Zusammenhang vor, wenn dieser Person(engruppe) die alleinige Geschäftsführungsbefugnis für die laufende Verwaltung einschließlich der Nutzungsüberlassung in dem Besitz- und Betriebsunternehmen übertragen sei. Könnten die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge nicht gegen den Willen der die Besitzgesellschaft beherrschenden Person oder Personengruppe aufgelöst werden und beherrsche diese zugleich alle Geschäfte der laufenden Verwaltung, sei daher Beherrschungsidentität und damit auch personelle Verflechtung gegeben25.
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung könnte es auf den ersten Blick für eine personelle Verflechtung bereits ausreichen, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft nur über 50 % der Stimmrechte verfügt, soweit die Grundstücksüberlassung als ein Geschäft des täglichen Lebens zu qualifizieren wäre. Allerdings käme es durch eine solche Interpretation des Urteils zu einer Verkennung der vom Großen Bundesfinanzhof des BFH im Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, unter V.04. geforderten strengen Anforderungen an die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung. Außerdem würde dadurch übersehen, dass es sich, soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang auf das Kriterium der Geschäfte des täglichen Lebens abgestellt hat, stets um Sachverhalte handelte, in denen die Person bzw. Personengruppe in beiden Unternehmen mehr als 50 % der Stimmen innehatte26.
Damit sich die gewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmers bzw. der Besitzgesellschaft von derjenigen eines Vermieters unterscheidet, bedarf es einer besonderen Durchsetzungskraft der hinter dem Besitz- und Betriebsunternehmen stehenden Personen. Die deshalb nötige Beherrschung beider Unternehmen muss somit strukturell mehr voraussetzen, als eine bloße Verhinderung der Veränderung des die sachliche Verflechtung ausmachenden Nutzungsverhältnisses. Die Person bzw. Personengruppe hat, unabhängig von der Frage, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung vorliegt, ihre Beherrschungsposition grundsätzlich aus eigener Macht zu erreichen. Schließlich verlangt auch § 47 Abs. 1 GmbHG, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung etwas anderes bestimmen, eine einfache Mehrheit. Gleichzeitig wird dadurch sichergestellt, dass nicht bloß ein Fall der faktischen Beherrschung vorliegt. Folglich kann das Innehaben von 50 % der Stimmen der GmbH noch nicht ausreichen, um eine personelle Verflechtung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen anzunehmen.
Der Geschäftsführerstellung und der damit verbundenen Beherrschung aller Geschäfte der laufenden Verwaltung kann nur im Fall eines gesellschaftsvertraglich festgelegten höheren Quorums zusätzliche Bedeutung zukommen. Erst dann stellt sich die Frage, ob im Einzelfall in Folge der Stimmenmehrheit auch eine tatsächliche Beherrschung gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist auch entscheidend, welche Bedeutung das Doppelvertretungsverbot des § 181 BGB hat und ob es gesellschaftsrechtlich durch die Übertragung der Vertretung auf andere Personen (etwa einen Prokuristen) umgangen werden kann27.
Eine über den Stimmenanteil von 50 % hinausgehende Zurechnung der Stimmen des minderjährigen Sohnes an die Mutter für ertragsteuerrechtliche Zwecke kann mangels gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen nicht vorgenommen werden.
Die im Rahmen der Betriebsaufspaltung notwendige Beherrschung kann im Fall der Beteiligung mehrerer Personen an einem Unternehmen auch dadurch erfüllt werden, dass die an beiden Unternehmen beteiligten Personen zwar in unterschiedlicher Höhe beteiligt sind, zusammen in beiden Unternehmen aber über die Mehrheit der Stimmen verfügen28. Wie im Fall der für eine Besitz-Gesellschaft entwickelten Personengruppentheorie wird bei einer Betriebsaufspaltung29, bei der auf Seiten des Besitzunternehmens nur eine Person, auf Seiten des Betriebsunternehmens aber mehrere Personen beteiligt sind, das Handeln der Gesellschafter des Betriebsunternehmens durch gleichgerichtete Interessen bestimmt30.
Solche gleichgerichteten Interessen lagen im Streitfall nicht -wie das Finanzamt meint- im Hinblick auf die Interessen der Mutter und ihres minderjährigen Sohnes, des Sohnes, ab dem 17.06.2010 vor und konnten, sollten sie in dem vorangegangenen Zeitraum seit dem Tode des – V anzunehmen sein, dennoch nicht zur Beherrschung der GmbH führen.
Aufgrund der Bestellung der Ergänzungspflegerin können die Anteile des Sohnes der Mutter auch nach deren ordnungsmäßiger Wahl zur Geschäftsführerin in der Gesellschafterversammlung vom 17.06.2010 nicht zugerechnet werden. Die Ergänzungspflegerin vertritt die Interessen des Sohnes in der Betriebskapitalgesellschaft unabhängig von den Interessen der Mutter, so dass die Vermutung gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen dieser beiden Kläger nicht zum Tragen kommt. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die zu Ehegatten ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts31 für minderjährige Kinder entsprechend gilt32, kommt es letztlich nicht an.
Gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst die elterliche Sorge -hier der Mutter- zwar auch das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Ist jedoch ein Pfleger bestellt, erstreckt sich die elterliche Sorge gemäß § 1630 Abs. 1 BGB nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist. Dies betrifft gerade das Verhältnis der Eltern zum Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB33.
Aufgrund der Bestellung des Ergänzungspflegers im Beschluss vom 07.06.2010 sind ausdrücklich und vollumfänglich die Gesellschafterrechte und damit insbesondere auch die Stimmrechte des Sohnes im Verhältnis zur GmbH nicht mehr Teil der Vermögenssorge der Mutter.
Eine Vermutung, dass die Interessen der Mutter und des Sohnes gleichgelagert sind, besteht deshalb im Streitfall nicht. Der Mutter sind die Stimmanteile des Sohnes nicht zuzurechnen. Der Sohn bildet ebenso wenig wie der volljährige Kläger zu 2. mit der Mutter eine Personengruppe, die die GmbH beherrscht und innerhalb derer die Mutter das Sagen hat.
Auch in dem Zeitraum zwischen dem Tod des – V und der Bestellung der Ergänzungspflegerin war eine Zusammenfassung der (ggf.) gleichgerichteten Interessen der Mutter und des Sohnes nicht möglich, so dass die Mutter die GmbH in dieser Phase nicht beherrschen konnte.
Mit dem Tod des – V hat die Betriebskapitalgesellschaft ihren Alleingeschäftsführer verloren. Mangels Geschäftsführerbestellung bis zur Gesellschafterversammlung am 11.01.2010 konnte insbesondere auch die Mutter die GmbH nicht wirksam gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vertreten. In einer solchen Situation vertreten die Gesellschafter die führungslose GmbH gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG zwar passiv, aber nicht aktiv34.
Die Gesellschafterversammlung vom 11.01.2010 konnte allerdings nicht wirksam gegenüber dem Sohn einberufen werden. Diese Einladung hätte bereits an einen Ergänzungspfleger gerichtet werden müssen35. Der Ladungsmangel führt zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung getroffenen Beschlüsse36. Die dennoch nachträglich mögliche Genehmigung durch die Ergänzungspflegerin liegt ebenso wenig vor wie eine den Mangel heilende Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister37.
Die Mutter konnte außerdem in der Gesellschafterversammlung vom 11.01.2010 nicht wirksam zur Geschäftsführerin bestellt werden. Zwar ist dies so im Protokoll vom 11.01.2010 vermerkt worden. Auch hat die Mutter den Sohn ausweislich des Protokolls dieser Gesellschafterversammlung vertreten. Allerdings war die Mutter trotz ihrer Vermögenssorge bereits zu diesem Zeitpunkt an einer Stimmabgabe für den Sohn gehindert.
Mit dem Tod des Gesellschafters geht der Geschäftsanteil ohne weiteres auf den minderjährigen Erben über; auch ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers und ohne Genehmigung des Familiengerichts wird er Anteilsinhaber38Allerdings bedarf es auch in diesem Fall bei der Stimmabgabe des Minderjährigen einer ordnungsmäßigen Vertretung. Da die Mutter als Elternteil zur Geschäftsführerin bestellt werden sollte, hatte sie aufgrund des damit bestehenden Interessenkonflikts das Verbot des Insichgeschäftes gemäß § 181 BGB zu beachten. Deshalb konnte sie sich nicht ohne Ergänzungspfleger mit den Stimmen des Sohnes zur Geschäftsführerin bestellen lassen. Die fehlende Mitwirkung eines Ergänzungspflegers führte dazu, dass die Bestellung gemäß § 1643 Abs. 3, § 1915 Abs. 1, § 1829 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam war39.
Eine Genehmigung ist im Streitfall nicht erteilt worden, da die Ergänzungspflegerin den Beschluss in der Folgezeit nicht bestätigt hat. Dies ist auch nicht konkludent geschehen. Davon könnte allenfalls ausgegangen werden, wenn der (wirksame) Gesellschafterbeschluss vom 17.06.2010 dem früheren -schwebend unwirksamen- Beschluss vom 11.01.2010 inhaltlich entsprechen und sich daher ggf. als rückwirkende Bestätigung des letzteren darstellen würde. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Denn im Gesellschafterbeschluss vom 17.06.2010 wurde die Mutter gerade nicht -wie im ursprünglichen Beschluss vorgesehen- vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit.
Außerdem fehlte es bis zur Anmeldung des Beschlusses vom 17.06.2010 an der durch den Tod des – V erforderlich gewordenen Korrektur der Gesellschafterliste (§ 16, § 40 GmbHG), die vor einer Eintragung der Geschäftsführung vorzunehmen ist40.
Auch eine faktische Beherrschung der GmbH durch die Mutter scheidet aus.
Der BFH hat zwar in besonderen Ausnahmefällen für die Beherrschung im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung auch eine faktische Beherrschung der Besitz- oder Betriebsgesellschaft durch einen Gesellschafter oder einen Dritten genügen lassen. Eine solche faktische Beherrschung liegt vor, wenn auf die Gesellschafter, deren Stimmen zur Erreichung der im Einzelfall erforderlichen Stimmenmehrheit fehlen, aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen Druck dahingehend ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person oder Personengruppe unterordnen41.
Im Streitfall kann eine solche Beherrschung nicht angenommen werden.
Schon aufgrund der Bestellung der Ergänzungspflegerin ergeben sich genügend Anhaltspunkte dafür, dass (auch) der Sohn sich insoweit nicht dem Willen seiner Mutter unterordnen muss.
Auch liegt eine faktische Beherrschung eines Gesellschafters nicht schon deshalb vor, wenn er nicht die zum Betrieb einer GmbH erforderlichen Kenntnisse besitzt42. Wird diese Kenntnis dagegen etwa durch einen sachkundigen Geschäftsführer ergänzt oder gar ersetzt, kann von einer Beherrschung durch den (alleinigen) Sachverstand eines (Mit-)Gesellschafters nicht ausgegangen werden.
Weder hat das Finanzgericht festgestellt noch sind im konkreten Fall Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Ergänzungspflegerin nicht über eine für die übertragene Aufgabe geeignete Qualifikation verfügt hätte und sie und der von ihr vertretene Sohn „völlig fachunkundig“ gewesen wären. Im Gegenteil hat das Finanzgericht festgestellt, dass der Sohn bereits im Jahr 2012 -nur zwei Jahre nach dem Streitjahr- zum weiteren einzelvertretungsberechtigten und von den Einschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer der GmbH bestellt worden ist. Dieser zeitliche Ablauf spricht durchaus dafür, dass der Sohn bereits im Streitjahr 2010 Betriebskenntnisse besaß, die eine faktische Beherrschung ausschlössen.
Ohne Bedeutung ist auch in Bezug auf die faktische Beherrschung die Duldung der Handwerkskammer zur Fortführung des Betriebs, da allein deshalb eine Beherrschung des Sohnes nicht angenommen werden kann.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. April 2021 – X R 5/19
- Bestätigung des BFH, Urteils vom 30.11.2005 – X R 56/04, BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415[↩]
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.01.2019 – 11 K 1398/16, EFG 2019, 1770[↩]
- BFH, Beschluss vom 08.11.1971 – GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, ständige Rechtsprechung[↩]
- etwa BFH, Urteil vom 18.08.2009 – X R 22/07, BFH/NV 2010, 208, Rz 31, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 16.05.2013 – IV R 54/11, BFH/NV 2013, 1557, Rz 32, m.w.N.[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 208, Rz 46, und BFH, Urteil vom 24.08.1989 – IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, unter 3., jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1992 – IV R 15/91, BFHE 171, 490, BStBl II 1993, 876, unter II. 1.a[↩]
- so auch BVerfG, Beschluss vom 14.01.1969 – 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28, BStBl II 1969, 389, unter B.01.c[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, unter V.04.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.01.1989 – IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455, unter 1.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 171, 490, BStBl II 1993, 876, unter II. 1.a[↩]
- vgl. nur BFH, Urteil vom 27.02.1991 – XI R 25/88, BFH/NV 1991, 454, unter 2., m.w.N.[↩]
- BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415, unter II. 1.b dd[↩]
- BFHE 224, 217, BStBl II 2009, 634, unter II. 2.a[↩]
- vgl. darüber hinaus die umfassenden Nachweise zur höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, 8. Aufl.2021, Rz 364 Fußnote 1[↩]
- vgl. nur OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2013 – 7 W 76/13, GmbH-Rundschau 2014, 254, Rz 14, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21, 30; Schürnbrand, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2016, 241: „gefestigte Praxis“[↩]
- BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296, unter I. 3.b[↩]
- ebenso etwa BFH, Urteile vom 27.08.1992 – IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134, unter II. 1.a; und vom 30.01.2013 – III R 72/11, BFHE 240, 541, BStBl II 2013, 684, Rz 12; BFH, Urteil vom 21.08.1996 – X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, unter 3.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415, unter II. 1.b bb[↩]
- zur Abgrenzung von ungewöhnlichen Geschäften vgl. BFH, Urteil in BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, unter 4.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415, unter II. 1.b cc[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415, unter II. 1.b ee[↩]
- BFH, Urteil vom 28.05.2020 – IV R 4/17, BFHE 269, 149, BStBl II 2020, 710, Rz 29, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 149, BStBl II 2020, 710, Rz 29[↩]
- vgl. z.B. auch BFH, Urteil in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415, unter II. 1.b dd[↩]
- bejahend: BFH, Urteil in BFHE 269, 149, BStBl II 2020, 710, Rz 35[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, unter V.4.[↩]
- zur Begrifflichkeit vgl. auch Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, 8. Aufl.2021, Rz 351[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 02.08.1972 – IV 87/65, BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475[↩]
- bejahend die Finanzverwaltung, vgl. R 15.7 Abs. 8 Satz 1 des Einkommensteuer-Handbuchs 2020[↩]
- Palandt-Götz, § 1630 BGB Rz 1[↩]
- vgl. nur Scholz/Schneider/Schneider, GmbHG, 12. Aufl., § 35 Rz 77, m.w.N.[↩]
- vgl. zur Nachlasspflegschaft: LG Berlin, Beschluss vom 23.08.1985 – 98 T 12/85, NJW-RR 1986, 195[↩]
- so BGH, Urteil vom 20.02.1984 – II ZR 116/83, Wertpapier-Mitteilungen Teil – IV 1984, 473, zur analogen Anwendung des § 241 Nr. 1 AktG[↩]
- vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 23.03.1981 – II ZR 27/80, BGHZ 80, 212[↩]
- vgl. nur Bürger, Rheinische Notar-Zeitschrift -RNotZ- 2006, 156, 168[↩]
- vgl. nur Bürger, RNotZ 2006, 156 (166), sowie allgemein auch BGH, Urteil vom 08.10.1975 – VIII ZR 115/74, Neue Juristische Wochenschrift 1976, 104, unter II. 1.b[↩]
- vgl. insoweit Mohr, Der GmbH-Steuerberater 2016, 370, 371[↩]
- BFH, Urteil vom 21.01.1999 – IV R 96/96, BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771, unter 2., m.w.N.[↩]
- vgl. insoweit auch BFH, Urteil vom 15.10.1998 – IV R 20/98, BFHE 187, 260, BStBl II 1999, 445 in Abgrenzung zum BFH, Urteil vom 29.07.1976 – IV R 145/72, BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750, welches eine faktische Beherrschung bereits bei fehlender Sachkenntnis angenommen hat[↩]