Das "Handwerker-Kfz" – und die 1%-Regelung

Es bedarf der Feststellung im Einzelnen, ob bei einem zweisitzigen „Handwerkerfahrzeug“ (hier: Mercedes Benz Vito) von einer Privatnutzung durch den Steuerpflichtigen ausgegangen und deren Höhe unter Anwendung der 1 %-Regelung angesetzt werden kann1.

Das "Handwerker-Kfz" – und die 1%-Regelung

In dem hier entschiedenen Fall betrieb der klagende Handwerker in den Streitjahren 2012 bis 2014 einen Hausmeisterservice. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Von seiner Ehefrau lebte er seit 2011 dauernd getrennt; die Eheleute haben eine gemeinsame Tochter. Zum Betriebsvermögen des Handwerkers gehörten in den Streitjahren ein Kfz Mercedes Benz Vito Baureihe 639 und ein Multicar M26 Profiline. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts und dem eigenen Vorbringen des Handwerkers im Klageverfahren hatte der Handwerker im Privatvermögen kein weiteres Kfz. Eine Entnahme wegen einer möglichen Privatnutzung der Kfz erklärte der Handwerker nicht. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Vito auch privat genutzt worden sei und wandte insoweit die 1 %-Regelung an.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern2 keinen Erfolg. Das Finanzgericht konnte zur konkreten Ausstattung des -kraftfahrzeugsteuerrechtlich als LKW eingeordneten- Vito keine Feststellungen treffen, weil der Handwerker keine Lichtbilder dieses Fahrzeugs vorgelegt hat. Es ist aber aufgrund von Ermittlungen zum Fahrzeugtyp davon ausgegangen, dass es sich um ein lediglich zweisitziges Fahrzeug gehandelt haben „dürfte“, das keine Einrichtungen zu betrieblichen Zwecken (z.B. fest eingebaute Fächer für Werkzeuge) aufgewiesen habe. Auf dieser Grundlage hat es den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass auch ein solches Fahrzeug für private Fahrten genutzt werde könne, zumal der Handwerker -neben dem Multicar, für den aber auch das Finanzamt nicht von einer Privatnutzung ausgehe- nicht über ein weiteres Kfz verfügt habe. Dass der nicht in einer Stadt lebende Handwerker gar keine Privatfahrten unternehme, werde von ihm selbst nicht vorgetragen und wäre auch nicht plausibel. 

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Der Bundesfinanzhof wies die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Handwerkers zurück. Die Beschwerde ist unbegründet. Keiner der vom Handwerker geltend gemachten Zulassungsgründe ist tatsächlich gegeben:

Der Handwerker berief sich insoweit auf eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hinsichtlich der Anwendung der 1 %-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Er ist der Auffassung, die vorinstanzliche Entscheidung weiche von den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 18.12.2008; und vom 17.02.20163 ab.

Die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz setzt die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgericht einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus4. Außerdem muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben, dass dem Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt wie der vermeintlichen Divergenzentscheidung5.

Im Fall des BFH-Urteils in BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381 hatte die klagende GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer sowohl einen Opel Astra als auch einen Opel Combo zur Verfügung gestellt. Das letztgenannte Kfz war ein zweisitziger Kastenwagen, dessen fensterloser Aufbau mit Materialschränken und -fächern sowie Werkzeug ausgestattet und mit einer auffälligen Beschriftung versehen war. Das dortige Finanzamt wandte für beide Kfz die 1 %-Regelung an. Demgegenüber gab der Bundesfinanzhof der Klage teilweise statt und beschränkte die Anwendung der 1 %-Regelung auf den Opel Astra. Zur Begründung führte er aus, der Opel Combo sei als Werkstattwagen aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Kfz tatsächlich privat genutzt worden sei, lägen nicht vor.

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Damit handelt es sich bereits nicht um einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt. Im Fall des vom Handwerker herangezogenen BFH, Urteils gab es keine Anhaltspunkte für eine private Nutzung des Opel Combo, zumal der dortige Handwerker über einen zur Privatnutzung geeigneten PKW verfügte. Dies ist im Streitfall gerade anders: Da der Handwerker -abgesehen von dem nicht privat genutzten Multicar- kein weiteres Kfz besaß, ist das Finanzgericht von einer Privatnutzung des -hierfür grundsätzlich geeigneten- Vito ausgegangen. Auch handelte es sich gerade nicht um einen Werkstattwagen, da das Finanzgericht aufgrund der Angaben des Handwerkers zum Fahrzeugtyp davon ausgegangen ist, dass keine Einrichtungen zu betrieblichen Zwecken vorhanden waren.

Im Fall des Bundesfinanzhofs, Urteils in BFHE 253, 148, BStBl II 2016, 708 gehörte zum Betriebsvermögen des dortigen Handwerkers ein zweisitziger VW-Transporter T4, auf dessen fensterloser Ladefläche Werkzeuge untergebracht waren. Im Privatvermögen des dortigen Handwerkers befand sich ein PKW, der zur Beförderung der vierköpfigen Familie geeignet war. Auch hier hat der Bundesfinanzhof die Anwendung der 1 %-Regelung auf den VW Transporter abgelehnt. Allerdings ist dieser Sachverhalt mit dem Streitfall ebenfalls nicht vergleichbar, weil der dortige Handwerker über einen weiteren PKW im Privatvermögen verfügte und das dortige Finanzgericht ausdrücklich festgestellt hatte, dass die Ladefläche des Transporters dauerhaft mit den Werkzeugen belegt sei. Eine solche Feststellung ist im Streitfall nicht getroffen worden.

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Danach kann offenbleiben, ob der Handwerker überhaupt abstrakte Rechtssätze gebildet und einander gegenübergestellt hat.

Soweit der Handwerker darüber hinaus -erstmals im Beschwerdeverfahren- behauptet, für Privatfahrten stehe ihm als weiteres Kfz ein Moped zur Verfügung, steht dies sowohl zu den -nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Bundesfinanzhof daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden- Feststellungen des Finanzgericht als auch zu seinem eigenen ausdrücklichen Vorbringen im Klageverfahren in Widerspruch.

Die Anführung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.11.20096 kann der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen, da eine -etwaige- Divergenz zu einer Verwaltungsanweisung nicht zu den in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Gründen für die Zulassung der Revision gehört.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31. Mai 2023 – X B 111/22

  1. vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2008 – VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381[]
  2. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.09.2022 – 3 K 154/18[]
  3. BFH, Urteil vom 18.12.2008 – VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381; und vom 17.02.2016 – X R 32/11, BFHE 253, 148, BStBl II 2016, 708[]
  4. BFH, Beschluss vom 16.04.2019 – X B 16/19, BFH/NV 2019, 925, Rz 11, m.w.N.[]
  5. BFH, Beschluss vom 20.04.2021 – XI B 39/20, BFH/NV 2021, 1209, Rz 16, m.w.N.[]
  6. BStBl I 2009, 1326[]

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