Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht -ohne Bindung an die Auslegung durch das Finanzgericht- in eigener Zuständigkeit zu beantworten1.

Da ein Feststellungsbescheid mehrere verbindliche, der Bestandskraft fähige Feststellungen enthalten kann, wird der Umfang der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids zunächst durch die in ihm „getroffenen Feststellungen“ bestimmt.
Weiter beschränkt sich die Bindungswirkung einer Feststellung gegenständlich auf ihren Verfügungssatz (Tenor) und erfasst nicht ihre Begründung2. Für die danach erforderliche Abgrenzung zwischen den bindenden Verfügungssätzen und deren (bloßer) Begründung ist der Feststellungsbescheid nach § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (analog) auszulegen3. Die Begründung des Feststellungsbescheids darf indes nur dann zur Bestimmung seines Tenors herangezogen werden, wenn der Verfügungssatz selbst Raum zu Zweifeln über seinen Inhalt lässt4.
Nach Anwendung dieser Grundsätze ist das Finanzgericht in dem hier vom Bundesfinanzhof beurteilten Fall in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Feststellungsbescheid 2006 den in (materieller) Bestandskraft erwachsenen Verfügungssatz enthält, wonach B laufende, im Jahr 2006 noch dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte aus der Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von 1.424 € („brutto“) erzielt hat.
Zutreffend hat das Finanzgericht den Ausspruch „In den vorstehenden Einkünften enthaltene laufende Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, § 4 Abs. 7 UmwStG fallen5 … 1.424, 00“ als selbständigen Verfügungssatz beurteilt. Dabei steht außer Frage, dass dieser Ausspruch mit bindender Wirkung getroffen wurde.
Ebenso ist das Finanzgericht zu Recht von der Auslegungsbedürftigkeit dieses Verfügungssatzes ausgegangen. Er enthält zwar nicht ausdrücklich die Aussage, aus welcher Beteiligung die unter das Halbeinkünfteverfahren fallenden Einkünfte stammen. Dies führt aber nicht dazu, dass der Feststellungsbescheid in dieser Frage keiner Auslegung zugänglich wäre. Im Gegenteil ist der Bescheid gerade deswegen auslegungsbedürftig und die gegebene Begründung zur Bestimmung des Verfügungssatzes miteinzubeziehen6. Dabei kann zur Auslegung eines Verfügungssatzes auch ein Prüfungsbericht herangezogen werden, auf welchen in der Begründung Bezug genommen wird7.
Das hiernach vom Finanzgericht gefundene Auslegungsergebnis ist daher für den Bundesfinanzhof nicht zu beanstanden. In der Begründung („Erläuterungen“) des Feststellungsbescheids 2006 wird ausgeführt, dass der „… Feststellung … die Ergebnisse der bei Ihnen durchgeführten Außenprüfung zu Grunde (siehe Prüfungsbericht vom 27.02.2008)“ liegen. Dieser Prüfungsbericht betrifft die GmbH. Aus diesem ergibt sich klar, dass es sich bei den 1.424 € um eine vGA der GmbH an B gehandelt haben soll. Im Prüfungsbericht wird ausdrücklich angeführt, dass die vGA nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 3 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG von B zur Hälfte als Sonderbetriebseinnahme im Jahr 2006 zu versteuern sei.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Juli 2019 – IV R 47/16
- z.B. BFH, Urteile vom 24.03.1998 – I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II 1998, 601, unter II. 1.b; vom 11.05.1999 – IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, unter 2.c[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 16, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 17, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 08.11.2005 – VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253, unter II. 2.a aa (1) [↩]
- 100%[↩]
- zur Auslegung von Feststellungsbescheiden z.B. BFH, Urteile vom 28.11.1985 – IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293, unter 1.; in BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253, unter II. 2.a aa[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293, unter 1.; BFH, Beschluss vom 07.04.2005 – I B 140/04, BFHE 209, 473, BStBl II 2006, 530, unter II. 2.b[↩]