Prüfingenieure, die Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen durchführen, üben eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 EStG aus. Der Freiberuflichkeit der Tätigkeit eines Prüfingenieurs steht die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte nicht entgegen, wenn er weiterhin leitend und eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig ist. An einer eigenverantwortlichen Tätigkeit fehlt es jedoch, wenn angestellte Prüfingenieure eigenständig Hauptuntersuchungen durchführen und dabei lediglich stichprobenartig überwacht werden.

Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen1. Jeder Gesellschafter muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich entfalten2.
Der freiberuflichen Tätigkeit eines Berufsträgers steht die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte nicht entgegen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Allerdings ist diese nur unschädlich, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist3. Die Leistung muss den „Stempel der Persönlichkeit“ des Berufsträgers tragen, die Tätigkeit der Mitarbeiter muss als solche des Berufsträgers erkennbar und damit ihm persönlich zurechenbar sein4. In welchem Umfang der Berufsträger selbst tätig sein muss, hängt vom jeweiligen Berufsbild ab5.
Auch bei Berufsgruppen, in denen der das Berufsbild prägende „persönliche, individuelle Dienst“ am Auftraggeber in den Hintergrund tritt6 bzw. in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen, in denen infolge des technischen Fortschritts der Anteil der „individuell freiberuflichen“ Arbeitsleistung kleiner (geworden) ist, kann nicht auf das Erfordernis der persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit verzichtet werden7. Daher muss auch bei diesen Berufsgruppen die fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag auf Ausnahmen und vereinzelte Routinefälle beschränkt bleiben8.
Dementsprechend ist ein selbständig tätiger Ingenieur nur eigenverantwortlich tätig, wenn die Ausführung jedes einzelnen Auftrags ihm selbst -und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter, den Hilfskräften oder dem Unternehmen als Ganzem- zuzurechnen bzw. als seine erkennbar ist9.
Gemessen an diesen Grundsätzen waren die Gesellschafter der Prüf-GbR zwar freiberuflich tätig, soweit sie selbst Hauptuntersuchungen durchgeführt haben. Soweit die Prüf-GbR den überwiegenden Teil der Hauptuntersuchungen und der sonstigen Prüftätigkeiten durch angestellte Prüfingenieure hat durchführen lassen, fehlt es jedoch -wie das Finanzgericht zutreffend erkannt hat- an einer eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Prüf-GbR.
Die Gesellschafter der Prüf-GbR sind freiberuflich tätig geworden, soweit sie selbst Hauptuntersuchungen durchgeführt haben.
Zu den freien Berufen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehört u.a. die selbständig ausgeübte Tätigkeit als Ingenieur. Auch der Prüfingenieur, der Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen durchführt, wird freiberuflich tätig.
Zu den Hauptaufgaben des Prüfingenieurs zählt die Durchführung von Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen an Fahrzeugen gemäß § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) sowie die Erstellung von Änderungsabnahmen nach § 19 Abs. 3 StVZO. Untersuchungsumfang und -ablauf der Hauptuntersuchung sowie der Sicherheitsprüfungen sind detailliert geregelt (vgl. insbesondere § 29 StVZO, Anlage VIII, VIIIa, VIIIb zu § 29 StVZO, Richtlinie für die Durchführung der Hauptuntersuchung und die Beurteilung der dabei festgestellten Mängel an Fahrzeugen -sog. HU-Richtlinie-). Der Prüfingenieur hat das vorgeführte Fahrzeug mit Hilfe messtechnischer Verfahren aber auch visuell nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen, Verordnungen, Leitlinien und Hinweise auf Vorschriftsmäßigkeit und technische Mängel zu untersuchen, etwaige Mängel zu beurteilen und zuzuordnen, über die Erteilung der Prüfplakette zu entscheiden und die Untersuchung sowie deren Ergebnisse zu dokumentieren. Hierfür trägt er die Verantwortung (auch) gegenüber der ihn betrauenden Überwachungsorganisation, in deren Namen er tätig ist.
Dass die Art, der Umfang und die Durchführung der Hauptuntersuchung sowie der Sicherheitsprüfungen umfassend reglementiert ist, schließt für sich die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht aus. Die umfassende Reglementierung soll die Qualität und die Gleichmäßigkeit der Prüfleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben sicherstellen. Sie macht jedoch -wie auch die in Anlage VIIIb Ziff. 3 zu § 29 StVZO geregelten Anforderungen an Prüfingenieure bestätigen- eine qualifizierte Ingenieurleistung nicht entbehrlich.
Soweit die Prüf-GbR den überwiegenden Teil der Hauptuntersuchungen und sonstigen Prüftätigkeit durch angestellte Prüfingenieure hat durchführen lassen, fehlt es jedoch an einer eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Prüf-GbR.
Die Prüf-GbR hat zwar auch in Bezug auf diese Prüfungen die Prüforte und -geräte zur Verfügung gestellt, ist als Mitglied der KÜS in Erscheinung getreten und war in den Prüfprotokollen ausgewiesen. Allerdings haben die Gesellschafter an den von den angestellten Prüfingenieuren durchgeführten Untersuchungen regelmäßig nicht persönlich teilgenommen, sondern diese lediglich stichprobenartig überwacht. Sie wurden in seltenen Zweifelsfällen hinzugezogen. Auch haben sie geprüft, ob der Untersuchungsbericht ordnungsgemäß ausgefüllt ist. Die durch die Unterschrift unter den Prüfungsbericht dokumentierte Verantwortung für die jeweilige Hauptuntersuchung verblieb jedoch bei dem die Prüfung durchführenden angestellten Prüfingenieur. Eine derartige Einbindung der Gesellschafter in die von den angestellten Prüfingenieuren eigenständig durchgeführten und zu verantwortenden Prüfungen genügt nicht, um die Tätigkeit der angestellten Prüfingenieure als solche der Gesellschafter erkennbar zu machen.
Dass infolge der umfassenden gesetzlichen Vorgaben für die Tätigkeit des Prüfingenieurs eingehende Kontrollmaßnahmen der Gesellschafter der Prüf-GbR ebenso ausgeschlossen sind wie die Festlegung der Untersuchungsmethode bzw. des -inhalts oder ein Vorbehalt der Übernahme „problematischer Fälle“, rechtfertigt es entgegen der Auffassung der Prüf-GbR nicht, eine eingeschränkte Kontrolltätigkeit für die Annahme der Eigenverantwortlichkeit genügen zu lassen. Daran ändert auch der Umstand, dass die Tätigkeit des Prüfingenieurs hoheitlich ist und der Fahrzeughalter keine höchstpersönliche, individuelle Leistung der Gesellschafter der Prüf-GbR erwartet, nichts.
In dem dargelegten Verständnis des Merkmals der Eigenverantwortlichkeit liegt keine Überdehnung der Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, zumal der Einsatz fachlich vorgebildeter Mitarbeiter für Prüfingenieure -entgegen der Auffassung der Prüf-GbR- nach den genannten Grundsätzen nicht ausgeschlossen, sondern lediglich eingeschränkt ist. Der Gesetzgeber will zwar nach Wortlaut und Zweck des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG keinen Bereich der freien Berufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG von der Möglichkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter ausschließen10. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ermächtigt jedoch weder dazu, Routineaufgaben vollständig auf einen angestellten Berufsträger zu delegieren11, noch will die Regelung -wie der Begriff der „Mithilfe“ verdeutlicht- ermöglichen, dem Berufsträger eine Tätigkeit als eigene zuzurechnen, die tatsächlich ein anderer, angestellter Berufsträger eigenständig ausführt und zu verantworten hat. Dies gilt insbesondere, wenn -wie im Streitfall- der Berufsträger selbst im Zusammenhang mit einer solchen Leistungserbringung nur sehr eingeschränkt tätig sein kann.
Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft -wie im Streitfall die Gesellschafter der Prüf-GbR- ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise -mangels Eigenverantwortlichkeit- gewerblich, so ist ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren12 .
Der Bereich, in dem die Gesellschafter der Prüf-GbR nicht eigenverantwortlich tätig sind, führt zu gewerblichen Einkünften i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. Dieser ist getrennt von den freiberuflichen Tätigkeiten der Gesellschafter der Prüf-GbR zu betrachten13.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Umqualifizierung der Einkünfte gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausnahmsweise nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein könnte, weil die gewerblichen Einkünfte der Prüf-GbR lediglich ein äußerst geringes Ausmaß haben (sog. Bagatellgrenze)14, fehlen. Letzteres ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Behauptung der Prüf-GbR, die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhten im Wesentlichen auf der Erstellung der Gutachten durch ihre Gesellschafter. Denn in Anbetracht des Umfanges der von den angestellten Prüfingenieuren durchgeführten Prüftätigkeiten ist nicht ersichtlich, dass die von der Rechtsprechung entwickelte sog. Bagatellgrenze unterschritten wird, d.h. insbesondere die Nettoumsätze aus dieser Tätigkeit unter dem absoluten Höchstbetrag von 24.500 EUR liegen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Mai 2019 – VIII R 35/16
- z.B. BFH, Urteile vom 27.08.2014 – VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002; vom 26.01.2011 – VIII R 3/10, BFHE 232, 453, BStBl II 2011, 498; vom 15.06.2010 – VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906; vom 21.02.2017 – VIII R 45/13, BFHE 257, 256, BStBl II 2018, 4; vom 10.10.2012 – VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 28.10.2008 – VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642, und in BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 12.06.2018 – VIII B 154/17, BFH/NV 2018, 945; BFH, Urteile vom 15.12 2010 – VIII R 50/09, BFHE 232, 162, BStBl II 2011, 506; in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002; in BFHE 232, 453, BStBl 2011, 498[↩]
- vgl. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 232; vgl. auch Stöcker in Lademann, EStG, § 18 EStG Rz 128 f.; vgl. auch Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 433[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 08.10.2008 – VIII R 53/07, BFHE 223, 272, BStBl II 2009, 143, m.w.N.[↩]
- vgl. zum Arzt für Laboratoriumsmedizin: BFH, Urteil vom 21.03.1995 – XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732; s.a. BFH, Beschluss in BFH/NV 2018, 945[↩]
- vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 38. Aufl., § 18 Rz 28[↩]
- vgl. zum Bau- bzw. Vermessungsingenieur: z.B. BFH, Beschluss vom 07.07.2005 – XI B 227/03, BFH/NV 2006, 55; BFH, Urteile vom 20.04.1989 – IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727; vom 11.09.1968 – I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732, m.w.N.; vgl. zum Bau- bzw. Vermessungsingenieur: z.B. BFH, Beschluss in BFH/NV 2006, 55; BFH, Urteile in BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727; in BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 16.07.2014 – VIII R 41/12, BFHE 247, 195, BStBl II 2015, 216[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss in BFH/NV 2018, 945, zum Laborarzt[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 03.11.2015 – VIII R 62/13, BFHE 252, 283, BStBl II 2016, 381; in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002; vom 04.07.2007 – VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53[↩]
- vgl. zum Merkmal der Trennbarkeit z.B. BFH, Urteil in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002, m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu z.B. BFH, Urteile vom 27.08.2014 – VIII R 41/11, BFHE 247, 506, BStBl II 2015, 999, und in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002[↩]
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