Der rückwirkende Teilwertansatz

Kommt es im Jahr der (Buchwert-)Einbringung zu einer Veräußerung von Anteilen an der Personengesellschaft durch die einbringende Kapitalgesellschaft, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, wenn das Finanzgericht das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des mit Blick auf einen sog. Sperrfristverstoß angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid nicht aussetzt, bis durch einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bestandskräftig entschieden ist, ob und in welcher Höhe ein Gewinn aus der Veräußerung der Anteile in diesem Streitjahr entstanden ist.

Der rückwirkende Teilwertansatz

Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i.S. des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt.

§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG sieht vor, dass bei der Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen ist, der sich nach den Vorschriften der Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Diese sog. Buchwertfortführung gilt nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird.

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Die Einbringung der Wirtschaftsgüter zum 01.01.2011 erfüllt den Tatbestand des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG, da die GmbH einzelne Wirtschaftsgüter ihres Betriebsvermögens gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen der S-KG übertragen hatte.

§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG hindert die Buchwertübertragung nicht.

Zwar ist nach dieser Regelung der Teilwert auch anzusetzen, soweit in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 3 EStG der Anteil an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. Im Streitfall hat die Einbringung der Wirtschaftsgüter, die nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG erfolgt ist, aber weder einen Anteil einer Körperschaft an den eingebrachten Wirtschaftsgütern unmittelbar oder mittelbar begründet noch hat sich ein solcher Anteil erhöht. Denn die GmbH war an den vor der Einbringung in ihrem Alleineigentum stehenden Wirtschaftsgütern auch nach der Einbringung über die S-KG allein beteiligt; ihr vermögensmäßiger Anteil hatte sich insoweit nicht verändert.

Die Veräußerung der Mitunternehmeranteile führt nicht zu einem rückwirkenden Teilwertansatz nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG.

Wird das nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der Sperrfrist veräußert oder entnommen, ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen, es sei denn, die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven sind durch die Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG).

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Im Streitfall wurden allerdings durch die Übertragung der Mitunternehmeranteile in Höhe von insgesamt 60 % die in die S-KG eingebrachten Wirtschaftsgüter weder veräußert noch entnommen. Vielmehr verblieben die eingebrachten Wirtschaftsgüter weiterhin im Gesamthandsvermögen der S-KG. Es ist nicht möglich, die Veräußerung eines Teil-/Mitunternehmeranteils unter § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG zu subsumieren1, auch wenn der Anteil an einer Personengesellschaft steuerrechtlich die Zusammenfassung aller Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftervermögens verkörpert2. Da sich § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG auf die Veräußerung oder Entnahme des „nach Satz 3 übertragene[n] Wirtschaftsgut[s]“ bezieht, kann nur dieses, nicht dagegen auch ein Teil-/Mitunternehmeranteil tatbestandlich sein3.

Das Finanzgericht hat auch zu Recht dahin erkannt, dass die Übertragung von insgesamt 60 % der Mitunternehmeranteile nicht zu einem rückwirkenden Teilwertansatz nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG führt.

Soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach Satz 3 des § 6 Abs. 5 EStG der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht, ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen.

Diese Voraussetzungen liegen, wovon sowohl die Vorinstanz als auch beide Beteiligte ausgehen, bei reiner Wortlautbetrachtung im Streitfall vor.

Der Übertragung der Mitunternehmeranteile ist eine Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vorausgegangen. Außerdem wurde durch die Übertragungen ein Anteil der K-AG an den übertragenen Wirtschaftsgütern der GmbH begründet.

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Denn unter „Anteil“ i.S. des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist im Grundsatz die (unmittelbare oder mittelbare) vermögensmäßige Beteiligung eines Körperschaftsteuersubjekts an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut und damit an den darin gespeicherten stillen Reserven gemeint4.

Der Anteil der K-AG wurde auch aus einem „anderen Grund“ begründet. Dieses Tatbestandsmerkmal bringt zum Ausdruck, dass die Anteilsbegründung nicht -wie nach § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG- aufgrund der Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, sondern erst aufgrund eines dieser Übertragung nachgelagerten Vorgangs erfolgt. Dabei definiert § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG nicht, wie der nachgelagerte Vorgang beschaffen sein muss; es kann sich um einen „Vorgang beliebiger Art“ handeln5.

Das in der Vorinstanz tätige Finanzgericht München6 hat jedoch zu Recht dahin erkannt, dass der Wortlaut im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken ist, dass ein Sperrfristverstoß ausscheidet, wenn nachträglich ein Anteil einer Körperschaft an einem zuvor zu Buchwerten eingebrachten Wirtschaftsgut innerhalb von sieben Jahren aufgrund eines vollentgeltlichen Beteiligungserwerbs (unmittelbar oder mittelbar) begründet wird. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Sinne bereits in einem vergleichbaren Verfahren entschieden7.

Kommt ein rückwirkender Teilwertansatz nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG aufgrund der vollentgeltlichen Anteilsveräußerung nicht in Betracht, hat insoweit eine Erhöhung des im Streitjahr erzielten Gewerbeertrags der GmbH zu unterbleiben.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. August 2021 – XI R 20/19

  1. z.B. BFH, Urteil vom 15.07.2021 – IV R 36/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2021, 1588, Rz 47 ff., m.w.N.[]
  2. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 22.06.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258, Rz 33; in BFH/NV 2021, 1588, Rz 47 ff.[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2021, 1588, Rz 47 ff.[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2021, 1588, Rz 20 ff.; s.a. Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 1656[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2021, 1588, Rz 27, m.w.N.[]
  6. FG München, Urteil vom 10.07.2019 – 7 K 1253/17[]
  7. BFH, Urteil vom 18.08.2021 – XI R 43/20[]

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