Die Veräußerung der Hofstelle eines verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs führt nicht zu dessen zwangsweiser Aufgabe.

Wurden die vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen -ohne die Hofstelle- zunächst im Ganzen verpachtet, entfällt durch den Verkauf der Hofstelle nicht das Verpächterwahlrecht.
Der Steuerpflichtige hat nach ständiger Rechtsprechung im Fall der Verpachtung seines Betriebs ein Wahlrecht, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Wirtschaftsgüter seines Betriebs unter Auflösung der stillen Reserven in sein Privatvermögen überführen oder (ob und wie lange er) das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen und daraus betriebliche Einkünfte erzielen will1.
Das Wahlrecht entfällt aber, wenn anlässlich oder während der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen des landwirtschaftlichen Betriebs so umgestaltet werden, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können. Denn die identitätswahrende Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs ist an den Fortbestand der verpachteten wesentlichen Betriebsgrundlagen gebunden. Dass die Hofstelle bei der Verpachtung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Ganzen ebenso wie bei der parzellenweisen Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen mitverpachtet wird, ist für die Anwendung der Betriebsverpachtungsgrundsätze nicht erforderlich2.
Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass es schon immer land- und forstwirtschaftliche Betriebe ohne Hofstelle gab, es namentlich bei der Bewirtschaftung von Stückländereien einer Hofstelle nicht bedarf3. So lange der Verpächter keine eindeutige Erklärung der Betriebsaufgabe abgibt, ist er daher grundsätzlich frei, den Verpachtungsbetrieb zu Beginn oder während der Verpachtung in einem Umfang umzustrukturieren, der einer Wiederaufnahme der Eigenbewirtschaftung, wenn auch in abgewandelter Form, nicht entgegensteht4.
Ist aber eine Hofstelle keine unabdingbare Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, folgt daraus zugleich, dass das weitere Schicksal der zurückbehaltenen Hofstelle für die Absicht der Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit auf den verpachteten Grundstücksflächen ebenfalls keine Bedeutung (mehr) haben kann5. Mithin führt auch die Veräußerung der Hofstelle nicht zu einer Zwangsbetriebsaufgabe6. Entscheidend ist, ob der Verpächter ausdrücklich die Aufgabe des Betriebs erklärt7. Dies ergibt sich auch aus der -im Streitjahr allerdings noch nicht anwendbaren- Vorschrift in § 16 Abs. 3b Satz 1 Nr. 1 EStG (i.V.m. § 14 Satz 2 EStG).
Nach diesen Maßstäben hat im hier entschiedenen Fall das erstinstanzlich tätige Finanzgericht München zu Unrecht eine durch den Verkauf der Hofstelle ausgelöste Zwangsbetriebsaufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs der E bejaht8. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts München wurde der Betrieb nicht zwangsweise dadurch zerschlagen, dass die Erbin die Hofstelle veräußerte. Infolge der Veräußerung der Hofstelle entfielen nicht die Voraussetzungen für die Fortführung des Verpächterwahlrechts. Denn sie war als Verpächterin grundsätzlich frei, den Verpachtungsbetrieb in einem Umfang umzustrukturieren, der einer Wiederaufnahme der Eigenbewirtschaftung nicht entgegenstand. Sie konnte daher die Hofstelle auch veräußern. Dass mit den verbliebenen, verpachteten Flächen eine Wiederaufnahme der Eigenbewirtschaftung nicht möglich war, ist nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Februar 2021 – VI R 17/19
- grundlegend BFH, Urteil vom 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; zuletzt z.B. BFH, Urteile vom 17.05.2018 – VI R 73/15, Rz 26; und vom 08.05.2019 – VI R 26/17, BFHE 265, 82, BStBl II 2019, 660, Rz 21[↩]
- BFH, Urteile vom 18.05.2000 – IV R 84/99, BFHE 191, 547, BStBl II 2000, 470, unter 1.; vom 21.09.2000 – IV R 29/99, BFH/NV 2001, 433; und vom 20.01.2005 – IV R 35/03, BFH/NV 2005, 1046, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 08.03.2007 – IV R 57/04, BFH/NV 2007, 1640, unter II. 3.[↩]
- s. BFH, Urteil vom 18.03.1999 – IV R 65/98, BFHE 188, 310, BStBl II 1999, 398; von Schönberg, HFR 2003, 1052[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 1640[↩]
- BFH, Urteile vom 26.06.2003 – IV R 61/01, BFHE 202, 525, BStBl II 2003, 755, unter 3.b, und in BFH/NV 2005, 1046, unter 2.a, sowie BFH, Beschluss vom 14.02.2005 – IV B 207/02[↩]
- von Schönberg, HFR 2003, 1052[↩]
- FG München, Urteil vom 25.09.2018 – 12 K 3314/16[↩]
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