Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden [1].

Diese Grundsätze gelten auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit demselben erbringen muss. In einem solchen Fall muss bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der dargestellte berufliche Zusammenhang bestehen.
Danach können grundsätzlich auch Ausgaben zur Tilgung einer Bürgschaftsverbindlichkeit (einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Nebenleistungen) Werbungskosten sein. Werden sie als nachträgliche Werbungskosten geltend gemacht, muss demgemäß bereits die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung beruflich veranlasst gewesen sein [2].
Ist der Steuerpflichtige nicht nur Arbeitnehmer einer Gesellschaft, sondern auch deren Gesellschafter, kann die Übernahme einer Bürgschaft allerdings auch durch seine Gesellschafterstellung veranlasst sein. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie, sofern ‑wie im Streitfall- keine gesetzliche Kollisionsregelung besteht, bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben [3]. Maßgebend sind insoweit die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls (im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft). Dabei ist die Höhe der Beteiligung ‑neben anderen Umständen [4]- nur ein wesentliches Sachverhaltselement mit Indizwirkung hinsichtlich des Veranlassungszusammenhangs [5].
llerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Übernahme einer Bürgschaft oder anderer Sicherheiten durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit nicht nur unwesentlicher Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft regelmäßig weniger durch die berufliche Tätigkeit, sondern eher durch die Gesellschafterstellung veranlasst ist [6]. Denn ein fremder, nicht mit dem Arbeitgeber durch eine Kapitalbeteiligung verbundener Arbeitnehmer wird nur in Ausnahmefällen bereit sein, zugunsten seines offenbar gefährdeten Arbeitsplatzes das Risiko einer Bürgschaft zu übernehmen. Diese Beurteilung (Regelvermutung) entspricht auch der überwiegenden Meinung in der Literatur [7]. Von einer durch das Arbeitsverhältnis veranlassten Bürgschaftsübernahme kann daher bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit nicht nur unwesentlicher Beteiligung nur ausnahmsweise beim Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall ausgegangen werden. Sie kann z.B. gegeben sein, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer sich im Hinblick darauf verbürgt, dass er sich in seiner spezifischen Funktion als Arbeitnehmer (Geschäftsführer) schadensersatzpflichtig gemacht hat [8], oder wenn er sich im Hinblick auf eine Tätigkeit als Geschäftsführer verbürgt hat, die seine Inanspruchnahme als Haftender rechtfertigen würde [9]. Solche besonderen Umstände sind allerdings nicht nur dann anzunehmen, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer sich in seiner Funktion als Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig gemacht hat oder in dieser Funktion als Haftender in Frage kommt; es können vielmehr auch andere Gründe in Betracht kommen. Daher ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen [10].
Von den gleichen Grundsätzen ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 1990, 23 bei der Übernahme einer Bürgschaft durch einen Geschäftsführer einer GmbH auszugehen, der mit der GmbH nicht gesellschaftsrechtlich, sondern durch private ‑etwa wie im Streitfall familiäre- Beziehungen verbunden ist [11].
Auch der Verlust eines an den Arbeitgeber ausgereichten Arbeitnehmerdarlehens kann zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen hat. Als Indiz für solche beruflichen Gründe gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs etwa der Umstand, dass ein außenstehender Dritter, insbesondere eine Bank, kein Darlehen mehr gewährt hätte und daher jedenfalls nicht die Nutzung des Geldkapitals zur Erzielung von Zinseinkünften im Vordergrund steht. Allerdings kann auch in diesen Fällen der Steuerpflichtige aus anderen, nicht im Arbeitsverhältnis liegenden Gründen das Darlehen gegeben haben, wenn er etwa mit seinem Arbeitgeber und Darlehensnehmer auch gesellschaftsrechtlich oder aufgrund privater Beziehungen verbunden und das Darlehen gesellschaftsrechtlich/privat veranlasst ist. Um in diesen Fällen entscheiden zu können, ob das Darlehen aus im Arbeitsverhältnis, aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden oder aus privaten Gründen gewährt worden ist, ist eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls erforderlich. Dabei ist u.a. die Höhe der Beteiligung des Arbeitnehmers bzw. das außersteuerliche Näheverhältnis, das Verhältnis der Höhe der Lohneinkünfte im Vergleich zu den möglichen Beteiligungserträgen (Renditeentwicklungen und ‑erwartungen) sowie die Frage, welche Konsequenzen sich für den Arbeitnehmer hätten ergeben können (z.B. der Verlust des Arbeitsplatzes), wenn er seinem Arbeitgeber die entsprechende Finanzierungsmaßnahme nicht gewährt hätte [12], zu berücksichtigen [13]. Auch ist danach zu fragen, ob ein fremder, nicht beteiligter oder nicht privat verbundener Arbeitnehmer nach Maßgabe dieser Grundsätze bereit gewesen wäre, dem Arbeitgeber ein entsprechend risikobehaftetes Darlehen auszureichen [14].
Eine feste Grenze im Hinblick auf ein maximales Verlustrisiko, etwa ein Jahresgehalt, deren Überschreiten einen beruflichen Veranlassungszusammenhang per se ausschließen könnte, ist der Bundesfinanzhofsrechtsprechung fremd [15]. Eine solche wäre auch nicht mit dem Gebot der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls in Einklang zu bringen. Im Übrigen bleibt das Ziel, die eigene wirtschaftliche Existenz (Arbeitsplatz) zu sichern, unverändert, selbst wenn ein familienangehöriger Arbeitnehmer eher als ein fremder Dritter zu einem risikobehafteten finanziellen Engagement zugunsten seines Arbeitgebers bereit sein mag.
Nach den nämlichen Grundsätzen können auch Aufwendungen eines Geschäftsführers einer GmbH zur Begleichung von Verbindlichkeiten des Arbeitgebers, beispielsweise von Lieferantenforderungen [16], Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein [17]. Ein (ausschließlich) beruflicher Veranlassungszusammenhang liegt hier insbesondere vor, wenn der Geschäftsführer anderenfalls von den Gläubigern der Gesellschaft wegen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht in Haftung genommen werden könnte. In einem solchen Fall vermag weder ein gesellschaftsrechtliches noch ein privates Näheverhältnis den vorhandenen beruflichen Veranlassungszusammenhang zu verdrängen oder zu überlagern [18]. Denn insoweit wurzelt das Einstehen des Geschäftsführers für die Verbindlichkeiten des Arbeitgebers in seiner beruflichen (Un)Tätigkeit und nicht in der Gesellschafterstellung bzw. der privaten Beziehung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber.
Entscheidend kann auch sein, ob sich der Geschäftsführer zugunsten seines Arbeitgebers in seiner spezifischen Funktion als Arbeitnehmer (Geschäftsführer), etwa weil er sich als Geschäftsführer der überschuldeten GmbH schadensersatzpflichtig gemacht oder einen Haftungstatbestand erfüllt hat, finanziell engagiert hat. In einem solchen Fall tritt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der beteiligungsbezogene oder private (familiäre) Veranlassungszusammenhang hinter den beruflichen Veranlassungszusammenhang bei Übernahme einer Bürgschaft oder eines risikobehafteten Darlehens zugunsten des Arbeitgebers zurück. Entsprechendes gilt für die Übernahme von Lieferantenforderungen durch den Arbeitnehmer. Darüber hinaus ist dem naheliegenden Einwand des Geschäftsführers nachzugehen, dass er ohne die Übernahme der streitigen Aufwendungen seinen Arbeitsplatz verloren hätte. Dem lässt sich nicht allein dadurch begegnen, dass die „Rettung“ des Arbeitsplatzes in einem Familienunternehmen auch stets den Angehörigen nutzt. Vielmehr ist auch insoweit eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen.
Schließlich ist für die Frage nach der beruflichen Veranlassung der streitigen Aufwendungen der beabsichtigte Erwerb der GmbH-Anteile durch den Geschäftsführer ebenfalls ohne Bedeutung. Zum einen verweist der Bundesfinanzhof insoweit auf sein Urteil in BFHE 236, 61, BStBl II 2012, 343, nach dem Ausgaben zur Tilgung einer Bürgschaftsverpflichtung durch den Arbeitnehmer einer Gesellschaft auch dann zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen können, wenn eine Gesellschafterstellung vereinbart ist. Zum anderen erlaubt allein der Umstand, dass der Geschäftsführer das Familienunternehmen nur fortführen will, wenn seine Eltern von den Banken aus der Haftung für die betrieblichen Schulden entlassen werden, nicht, die streitbefangenen Aufwendungen des Geschäftsführers als steuerunerhebliche Einkommensverwendung anzusehen. Dies folgt für den Streitfall schon daraus, dass der Geschäftsführer die streitgegenständliche Bürgschaft nach den Feststellungen des Finanzgericht zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten eingegangen ist und insoweit die Entlassung der Eltern aus der Haftung für zuvor entstandene Verbindlichkeiten (im Rahmen des Anteilserwerbs) nicht in Rede stand. Gleiches gilt für die Ausreichung eines Darlehens an die GmbH und die Übernahme der Eingangsrechnungen. So ist im vorliegend entschiedenen Fall nicht ersichtlich, dass der Geschäftsführer mit diesen Finanzierungsmaßnahmen bezweckte, die Inanspruchnahme der Eltern (als Gesellschafter) durch die finanzierenden Banken zu vermeiden. Denn auch insoweit stand deren „Enthaftung“ für nach dem Abschluss des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrags entstandene Verbindlichkeiten nicht in Rede. Das Darlehen diente zur Verbesserung der Finanzstruktur (Austausch kurzfristiger in langfristige Verbindlichkeiten); eine Haftung der Eltern für die Eingangsrechnungen kam ohnehin nicht in Betracht. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum die zeitliche Nähe der Zahlungen zur Insolvenz der GmbH für eine private Veranlassung der Übernahme der Rechnungen sprechen soll.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. Mai 2015 – VI R 55/14
- BFH, Urteil vom 07.02.2008 – VI R 75/06, BFHE 220, 407, BStBl II 2010, 48[↩]
- BFH, Urteile vom 20.12 1988 – VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23; vom 02.03.2005 – VI R 36/01, BFH/NV 2006, 33[↩]
- BFH, Urteile vom 25.11.2010 – VI R 34/08, BFHE 232, 86, BStBl II 2012, 24; vom 26.11.1993 – VI R 3/92, BFHE 173, 69, BStBl II 1994, 242; vom 17.07.1992 – VI R 125/88, BFHE 169, 148, BStBl II 1993, 111[↩]
- dazu s. BFH, Urteil in BFHE 169, 148, BStBl II 1993, 111[↩]
- BFH, Beschluss vom 10.02.2005 – IX B 169/03, BFH/NV 2005, 1057[↩]
- BFH, Urteil vom 16.11.2011 – VI R 97/10, BFHE 236, 61, BStBl II 2012, 343, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 236, 61, BStBl II 2012, 343, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 01.12 1961 – VI 306/60 U, BFHE 74, 163, BStBl III 1962, 63[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 14.05.1991 – VI R 48/88, BFHE 164, 431, BStBl II 1991, 758[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 173, 69, BStBl II 1994, 242, und in BFHE 169, 148, BStBl II 1993, 111[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 164, 431, BStBl II 1991, 758[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil in BFHE 169, 148, BStBl II 1993, 111[↩]
- BFH, Urteile vom 10.04.2014 – VI R 57/13, BFHE 245, 330, BStBl II 2014, 850, und in BFHE 232, 86, BStBl II 2012, 24, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 1990, 23[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 164, 431, BStBl II 1991, 758, offensichtliches Missverhältnis bei einem Haftungsvolumen des 2–4fachen eines Jahresgehalts; BFH, Urteil vom 29.02.1980 – VI R 165/78, BFHE 130, 282, BStBl II 1980, 395, kein Missverhältnis bei einer Haftungssumme von mehr als dem 10fachen eines Jahresgehalts[↩]
- FG Münster, Urteil vom 20.10.1981 – X‑II 2190/79 E, EFG 1982, 291[↩]
- BFH, Beschluss vom 28.06.2007 – VI B 44/07, BFH/NV 2007, 1655[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 164, 431, BStBl II 1991, 758[↩]