Die Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid – und die Möglichkeit der Rechtsverletzung

Die Möglichkeit der Rechtsverletzung als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ist schon dann gegeben, wenn der Mitunternehmer geltend macht, der unmittelbar erstrebte steuerrechtliche Nachteil sei mit einem mittelbaren steuerrechtlichen Vorteil in einem anderen Verwaltungsakt steuerrechtlich verknüpft.

Die Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid – und die Möglichkeit der Rechtsverletzung

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall steht die Feststellung eines Ergänzungsbilanzgewinns des Mitunternehmers im Streit. Da dieser Streit allein auf Gründen beruht, die den Mitunternehmer als den einzelnen Mitunternehmer betreffen, ist ausnahmsweise (auch) der Mitunternehmer selbst klagebefugt.

Gegen Gewinnfeststellungsbescheide sind zur Klage befugt nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zunächst der zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder in dessen Ermangelung der Klagebevollmächtigte nach § 48 Abs. 2 FGO. Den Gesellschaftern steht daneben nur in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO ein eigenes Klagerecht gegen solche Feststellungsbescheide zu.

§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO ermächtigt danach einen Gesellschafter zur eigenen Klageerhebung, soweit es sich um eine Frage handelt, die diesen Gesellschafter persönlich angeht. Nicht ausreichend ist hierfür, dass die festgestellten Besteuerungsgrundlagen Bedeutung für die Besteuerung des Gesellschafters haben. Kennzeichnend für die persönlichen Streitfragen i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist vielmehr, dass sie nicht dem Bereich der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung, sondern der eigenen Sphäre des Gesellschafters zugeordnet sind1.

Dementsprechend ist der einzelne Mitunternehmer hinsichtlich der Feststellung eines Ergänzungsbilanzgewinns nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO nur klagebefugt, wenn der Streit über den festgestellten Ergänzungsbilanzgewinn allein auf Gründen beruht, die der eigenen Sphäre des Mitunternehmers zugeordnet sind, und nicht bereits dann, wenn eine die Höhe des Gesamthandsvermögens betreffende Frage streitig ist, die sich zwangsläufig auch auf den Ergänzungsbilanzgewinn des einzelnen Mitunternehmers auswirkt.

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Danach war der Mitunternehmer nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO zur Klage gegen die (geänderte) Feststellung des Ergänzungsbilanzgewinns befugt. Denn im Streit steht nicht lediglich eine die Höhe des Gesamthandsvermögens betreffende Frage, die sich zwangsläufig auch auf den Ergänzungsbilanzgewinn des einzelnen Mitunternehmers auswirkt. Ob für den Mitunternehmer ein Betrag von 4.990, 80 € aufgrund von Abschreibungen in einer negativen Ergänzungsbilanz als Ergänzungsbilanzgewinn zu erfassen ist, hängt vielmehr von der Entscheidung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage ab, ob der Mitunternehmer den Gewinn aus einer in seinem Einzelunternehmen gebildeten § 6b EStG-Rücklage von den Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter der S-KG abziehen konnte, und beruht damit auf Gründen, die nicht die Gesamthand betreffen, sondern die allein seiner eigenen Sphäre zugeordnet sind.

Entgegen der Auffassung des im vorliegenden Fall erstinstanzlich tätigen Finanzgerichts München2 fehlt es auch nicht an der für die Klagebefugnis erforderlichen Geltendmachung einer Rechtsverletzung. Insoweit reicht für die Zulässigkeit der Klage die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aus. Der Mitunternehmer zeigt eine solche mögliche Rechtsverletzung auf.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Mitunternehmer geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind bereits erfüllt, wenn das Klagevorbringen es als zumindest möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Entscheidung eigene Rechte des Mitunternehmers verletzt3. Verneint das Finanzgericht zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage und entscheidet nicht in der Sache, sondern erlässt nur ein Prozessurteil, so verletzt es auch den Anspruch des Mitunternehmers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 FGO4.

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Keine Rechtsverletzung macht ein Mitunternehmer regelmäßig dann geltend, wenn er sich dagegen wendet, dass eine gegen ihn festgesetzte Steuer oder für ihn festgestellte Einkünfte zu niedrig seien. Eine Rechtsverletzung kann aber dann vorliegen, wenn ein Zusammenhang zwischen der angegriffenen -unmittelbar- begünstigenden Steuerfestsetzung oder Einkünftefeststellung und einem den Mitunternehmer -mittelbar- benachteiligenden anderen Verwaltungsakt besteht.

So ist ein Steuerpflichtiger durch einen zu niedrigen Gewinnanteil in einer Gewinnfeststellung dann in seinen Rechten verletzt, wenn sich dies in späteren Veranlagungszeiträumen zu seinen Ungunsten auswirken kann oder wenn die Feststellung eines zu niedrigen Gewinns Folge eines Bilanzansatzes ist, der sich in vorhergehenden Veranlagungszeiträumen bereits zulasten des Steuerpflichtigen ausgewirkt hat5.

Der Mitunternehmer zeigt vorliegend einen solchen Zusammenhang zwischen dem angegriffenen, unmittelbar begünstigenden Gewinnfeststellungsbescheid und einer mittelbaren Benachteiligung durch einen anderen Verwaltungsakt auf und macht somit eine Rechtsverletzung geltend.

Für die Entscheidung des Streitfalls ist von Bedeutung, in welchem Festsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren darüber zu befinden ist, ob und ggf. in welcher Höhe die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG erfüllt sind und ob und ggf. in welchem Umfang und auf welche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens einer Mitunternehmerschaft, an der der Veräußerer beteiligt ist, der in die Rücklage eingestellte Gewinn übertragen werden konnte.

Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf Anschaffungskosten von Grund und Boden sowie Gebäuden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Jahr angeschafft oder hergestellt worden sind, übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können sodann die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 6b EStG begünstigter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage aufzulösen. Ist eine Rücklage noch am Schluss der grundsätzlich vierjährigen Investitionsfrist vorhanden, so wird sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufgelöst (§ 6b Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 EStG); ist keine Kürzung wegen vorgenommener Investitionen erfolgt, so ist der Gewinn in dem Jahr der Auflösung der Rücklage für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 Prozent des aufgelösten Rücklagebetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).

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§ 6b EStG erlaubt wegen der -bis zum 31.12.1998 und ab dem 01.01.2002 wieder geltenden6- gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise dieser Steuervergünstigung auch den Abzug eines dem Gesellschafter zuzurechnenden Veräußerungsgewinns nicht nur betriebsbezogen, sondern auch von Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter eines Einzel- oder Sonderbetriebsvermögens des Gesellschafters sowie in Höhe des auf den Gesellschafter entfallenden ideellen Anteils von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist7. Demgegenüber war eine rechtsträgerübergreifende Übertragung unter Geltung der betriebsbezogenen Betrachtungsweise in der Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2001 nicht zulässig. Die gesellschafterbezogene Betrachtungsweise findet (wieder) Anwendung auf Veräußerungen, die nach dem 31.12.2001 vorgenommen werden (vgl. § 52 Abs. 18a EStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20.12.20018).

Im Streitfall stellt sich materiell-rechtlich die Frage, ob die betriebsbezogene oder die gesellschafterbezogene Betrachtungsweise anzuwenden ist. Das hängt davon ab, ob die Veräußerung von Grundbesitz im Einzelunternehmen des Mitunternehmers noch im Jahr 2001 oder erst nach dem 31.12.2001 erfolgt ist. Ist sie noch im Jahr 2001 erfolgt, konnte der Mitunternehmer den Gewinn aus der Reinvestitionsrücklage nicht bei den Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern der S-KG in Abzug bringen; ist sie hingegen, wie von ihm behauptet, erst nach dem 31.12.2001 erfolgt, war der von ihm begehrte Abzug möglich.

Verfahrensrechtlich ist für die Entscheidung des Streitfalls von Bedeutung, ob diese Frage im Festsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren des veräußernden Betriebs oder in dem des reinvestierenden Betriebs zu entscheiden ist.

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Nach dem Vorbringen des Mitunternehmers stellt der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid für die S-KG einen Grundlagenbescheid für die Veranlagung des Mitunternehmers zur Einkommensteuer dar. In dem Gewinnfeststellungsbescheid werde verbindlich darüber entschieden, ob der im Einzelunternehmen des Mitunternehmers in eine Reinvestitionsrücklage eingestellte Gewinn von seinen Anschaffungskosten für anteilige Wirtschaftsgüter der S-KG abgezogen werden könne. Dies setze voraus, dass im Betrieb der S-KG als dem reinvestierenden Betrieb ein geeignetes Reinvestitionsgut vorhanden sei. Dies wiederum beinhalte auch die Prüfung, ob auf den Streitfall die gesellschafterbezogene oder aber die betriebsbezogene Betrachtung zur Anwendung komme. Damit entfalte die (Nicht-)Gewährung des Abzugs im Reinvestitionsbetrieb nach § 182 Abs. 1 AO Bindungswirkung für die Frage, ob die Rücklage im Einzelunternehmen erfolgsneutral oder erfolgswirksam aufzulösen sei. Der im Streitfall begehrte und zu einer Gewinnerhöhung führende Abzug im Gewinnfeststellungsbescheid der S-KG wirke sich aufgrund der Bindungswirkung für die Veranlagung des Mitunternehmers für sein Einzelunternehmen begünstigend aus, da für dieses dann eine erfolgsneutrale Auflösung der Rücklage zugrunde zu legen sei.

Es genügt für die Annahme einer möglichen Rechtsverletzung, dass die von dem Mitunternehmer vorgetragene rechtliche Verknüpfung zwischen dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid und dem Steuerbescheid für das Einzelunternehmen des Mitunternehmers auf Grundlage des geltenden Steuerrechts bestehen könnte. Ob sie tatsächlich gegeben ist, ist eine Frage der Begründetheit.

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Träfe die vom Mitunternehmer vorgetragene rechtliche Verknüpfung zu, hätte der Mitunternehmer auch keine andere rechtliche Möglichkeit, den Eintritt der begünstigenden Folge bei der Besteuerung seines Einzelunternehmens herbeizuführen, als durch Anfechtung des ihn begünstigenden Gewinnfeststellungsbescheids. Denn nach § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO wäre er im Besteuerungsverfahren seines Einzelunternehmens mit Einwendungen ausgeschlossen, die dem Verfahren zum Erlass des Grundlagenbescheids zuzuordnen wären. Auf solche Einwendungen gestützte Rechtsbehelfe des Mitunternehmers in dem Besteuerungsverfahren des Einzelunternehmens wären bereits deshalb unbegründet9.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts München war der Mitunternehmer danach klagebefugt und die Klage zulässig.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Dezember 2021 – IV R 7/19

  1. z.B. BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 21 f., beispielhaft zu Sonderbetriebseinnahmen, m.w.N.[]
  2. FG München, Urteil vom 25.07.2017 – 5 K 3197/13[]
  3. z.B. BFH, Urteile vom 07.02.2013 – IV R 33/12, Rz 14; und vom 11.02.2021 – VI R 37/18, Rz 20[]
  4. z.B. BFH, Urteile vom 25.09.2013 – VIII R 17/11, Rz 30; und vom 22.06.2016 – V R 49/15, Rz 21[]
  5. vgl. BFH, Beschluss vom 09.09.2005 – IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22, unter 1.a [Rz 10]; BFH, Urteile vom 24.10.2006 – I R 2/06, BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469, unter II. 1. [Rz 12]; und vom 05.06.2014 – IV R 26/11, BFHE 246, 160, BStBl II 2014, 886, Rz 20[]
  6. dazu BFH, Urteil vom 09.09.2010 – IV R 22/07, m.w.N.[]
  7. vgl. BFH, Urteile vom 10.07.1980 – IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84, unter 2.02.b [Rz 47]; vom 19.12.2012 – IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313, Rz 31; vom 09.11.2017 – IV R 19/14, BFHE 260, 121, BStBl II 2018, 575, Rz 27; und vom 22.11.2018 – VI R 50/16, BFHE 263, 44, BStBl II 2019, 313, Rz 22[]
  8. BGBl I 2001, 3858[]
  9. ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. BFH, Urteile vom 01.07.2010 – IV R 100/06, Rz 59; vom 05.11.2015 – III R 12/13, BFHE 252, 304, BStBl II 2016, 420, Rz 68; und vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632, Rz 20[]
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