Die mangels Masse abgelehnte Insolvenzeröffnung – und der Auflösungsverlust

Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, entsteht ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG nicht bereits zu dem Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens1.

Die mangels Masse abgelehnte Insolvenzeröffnung – und der Auflösungsverlust

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG).

W war Alleingesellschafter der M GmbH, die mit der Rechtskraft des Beschlusses von Februar 2015, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde, aufgelöst worden war (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG).

Die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfordert eine Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist2. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert worden ist3. Ein Verlust ist in dem Jahr zu erfassen, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist4.

Ein Auflösungsverlust steht fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen5. Die Frage ist ex ante zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens sind nicht zu berücksichtigen6.

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Im Fall der Liquidation der Gesellschaft ist eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter regelmäßig erst dann ausgeschlossen, wenn die Liquidation abgeschlossen ist7. Nur ausnahmsweise kann auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden, etwa wenn die Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist8 oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt eines Auflösungsbeschlusses vermögenslos war9. In diesen Fällen kann die Möglichkeit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden10.

Nach diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht Düsseldorf im vorliegenden Fall zu Recht angenommen, dass der vom Insolvenzverwalter geltend gemachte Verlust aus der Auflösung der M GmbH nicht im Streitjahr entstanden ist11. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde erst im Februar 2015 mangels Masse abgelehnt. Ein Auflösungsverlust ist nicht bereits im Streitjahr (2014) entstanden, da es schon an der zivilrechtlichen Auflösung der M GmbH fehlt. Soweit der Insolvenzverwalter geltend macht, die M GmbH sei im Dezember 2014 durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst worden, handelt es sich um von den bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) abweichendes tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann12. Auch in dem am selben Tag gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M GmbH ist nach den Feststellungen des Finanzgericht kein konkludenter Auflösungsbeschluss zu sehen. Anders als der Insolvenzverwalter meint, kommt es daher auf die Vermögenslosigkeit der M GmbH nicht mehr an.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. April 2022 – IX R 27/18

  1. Bestätigung des Bundesfinanzhofs, Urteils vom 13.03.2018 – IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721[]
  2. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 13.10.2015 – IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385; vom 13.03.2018 – IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721; BFH, Urteil vom 21.09.1982 – VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289[]
  3. z.B. BFH, Urteile vom 30.06.1983 – IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640; vom 02.10.1984 – VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428[]
  4. z.B. BFH, Urteile vom 01.07.2014 – IX R 47/13, BFHE 246, 188, BStBl II 2014, 786; in BFH/NV 2016, 385; vom 19.11.2019 – IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675, Rz 16[]
  5. z.B. BFH, Urteile in BFHE 246, 188, BStBl II 2014, 786; in BFH/NV 2016, 385[]
  6. z.B. BFH, Urteile vom 02.12.2014 – IX R 9/14, BFH/NV 2015, 666; vom 10.05.2016 – IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681; in BFH/NV 2020, 675, Rz 17[]
  7. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile in BFH/NV 2016, 385; in BFH/NV 2016, 1681; BFH, Beschlüsse vom 20.01.2009 – IX B 179/08, BFH/NV 2009, 756; vom 10.02.2009 – IX B 196/08, BFH/NV 2009, 761; vom 03.12.2014 – IX B 90/14, BFH/NV 2015, 493[]
  8. BFH, Urteil vom 12.12.2000 – VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385; BFH, Beschlüsse vom 27.11.1995 – VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406; vom 04.10.2007 – VIII S 3/07 (PKH), BFH/NV 2008, 209[]
  9. BFH, Urteil vom 04.11.1997 – VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344[]
  10. vgl. zum Ganzen BFH, Urteile in BFH/NV 2018, 721; in BFH/NV 2020, 675, Rz 18[]
  11. FG Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2018 – 11 K 1921/16 E[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 19.12.2006 – IX R 44/04, BFHE 216, 255, BStBl II 2008, 216; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 36, m.w.N.[]
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