Hat der Steuerpflichtige steuerfreie ausländische Betriebsstätteneinkünfte erklärt und sich während der Außenprüfung weiterhin auf die Existenz einer ausländischen Betriebsstätte berufen, steht der Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO aufgrund Unterlassens der Vorlage der angeforderten Verrechnungspreisdokumentation nicht entgegen, dass die Außenprüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, die Existenz der Betriebsstätte sei weder belegt noch glaubhaft nachgewiesen.

Legt ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen i.S. des § 90 Abs. 3 AO nicht vor oder sind vorgelegte Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist gemäß § 162 Abs. 4 Satz 1 AO ein Zuschlag von 5.000 € festzusetzen. Nach Satz 2 der Vorschrift beträgt der Zuschlag mindestens 5 % und höchstens 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung aufgrund der Anwendung des § 162 Abs. 3 AO ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5.000 € ergibt.
Die von § 162 Abs. 4 AO in Bezug genommene Vorschrift des § 90 Abs. 3 AO bestimmt in ihren Sätzen 1 und 2, dass der Steuerpflichtige bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen hat, die auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden enthalten. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 4 AO gelten die Aufzeichnungspflichten entsprechend für Steuerpflichtige, die (u.a.) für die inländische Besteuerung Gewinne zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen haben. Näheres bestimmt die Gewinnabgrenzungsverordnung, die ihre Ermächtigungsgrundlage in § 90 Abs. 3 Satz 5 AO hat. Das Vorlageverlangen der Finanzbehörde richtet sich nach § 97 AO (§ 90 Abs. 3 Satz 7 AO).
Nach diesen Maßgaben waren die Aufforderungen des Fachprüfers zur Vorlage der Verrechnungspreisdokumentationen -gegen die der Unternehmer während der Prüfung keine Einwendungen erhoben hat- von § 90 Abs. 3 AO gedeckt. Die GbR bzw. der Unternehmer haben durch die Deklaration steuerfreier Betriebsstätteneinkünfte aus Georgien und die gegenüber der Fachprüfung erhobene Behauptung, es habe in Georgien eine Betriebsstätte bestanden, den Anlass dafür gesetzt, dass im Rahmen der Außenprüfung ein Aufklärungserfordernis entstanden ist, dem der Prüfer mit den vom Unternehmer angeforderten Aufzeichnungen hat nachgehen wollen.
Aufgrund der beharrlichen Weigerung des Unternehmers, der Aufforderung zur Vorlage von Aufzeichnungen nachzukommen, sind die Voraussetzungen des § 162 Abs. 4 AO erfüllt und hatte das Finanzamt die Zuschläge festzusetzen. Ein behördliches Entschließungsermessen hinsichtlich des „ob“ einer Festsetzung besteht nicht1. Dafür, dass nach § 162 Abs. 4 Satz 5 AO von der Festsetzung abzusehen war, weil die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 AO entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist, besteht nach summarischer Prüfung kein Anhalt.
Der Umstand, dass die Außenprüfung letztlich zu dem Ergebnis gekommen ist, die Existenz einer Betriebsstätte in Georgien sei weder belegt noch glaubhaft nachgewiesen, hindert die Festsetzung der Zuschläge nach § 162 Abs. 4 AO nicht. Die GbR bzw. der Unternehmer haben die Außenprüfung zur Untersuchung eines Betriebsstättensachverhalts veranlasst und der Unternehmer hat während der Prüfung an der Behauptung festgehalten, es existiere eine Betriebsstätte in Georgien. Dies rechtfertigt nicht nur die Aufforderung nach § 90 Abs. 3 AO, sondern auch die spätere Festsetzung der Zuschläge als Konsequenz der Weigerung des Unternehmers, der prüfenden Behörde jegliche Aufzeichnungen vorzulegen, die einer Sachaufklärung -auch in Bezug auf die Existenz einer Betriebsstätte- hätten dienen können. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung konnte das bloße Unterlassen der Vorlage einer Dokumentation gegenüber dem Prüfer von diesem keineswegs als Dokumentation des Nichtvorhandenseins einer Betriebsstätte interpretiert werden.
Die im hier entschiedenen AdV-Fall festgesetzten Zuschläge erscheinen auch der Höhe nach rechtmäßig. Für die Veranlagungszeiträume 2012 und 2013 hat das Finanzamt jeweils den sich aus § 162 Abs. 4 Satz 1 AO ergebenden Mindestbetrag von 5.000 € angesetzt. Im Hinblick auf die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2011 hat das Finanzamt von der sich aus § 162 Abs. 4 Satz 2 AO ergebenden Spanne zwischen 5 % und 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte den Höchstwert von 10 % gewählt. Ein Ermessensfehler i.S. von § 102 Satz 1 FGO ist insoweit nicht erkennbar. Das Finanzamt hat seine Entscheidung in vertretbarer Weise damit begründet, dass der Unternehmer seine Mitwirkungspflichten wiederholt verletzt habe und den Anforderungen der Außenprüfung in keinem der angefragten Punkte nachgekommen sei.
Soweit der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO in der Rechtsprechung2 und von Teilen des Schrifttums mit Blick auf die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit für unionsrechtswidrig gehalten wird3, betrifft dies den vorliegenden Fall nicht, weil Georgien nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erstreckt sich gemäß Art. 49 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft4 nur auf Niederlassungen in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten.
Den gegenüber dem hier erstinstanzlich tätigen Finanzgericht Berlin-Brandenburg5 erhobenen Einwand des Unternehmers, die Festsetzung der Zuschläge habe gegen das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 3 AO verstoßen, hat das Finanzgericht u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass das gegen den Unternehmer seinerzeit eingeleitete Steuerstrafverfahren einen anderen Verfahrensgegenstand gehabt habe. Der Unternehmer hat den Einwand in der Beschwerdeschrift auch nicht mehr aufgegriffen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Februar 2022 – I B 55 – 56/21 (AdV)
- Oellerich in Gosch, AO § 162 Rz 311; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz 77[↩]
- FG Bremen, Beschluss vom 07.07.2021 – 2 K 187/17 (3), EFG 2021, 1665[↩]
- vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz 82, m.w.N.; a.A. z.B. Oellerich in Gosch, AO § 162 Rz 302[↩]
- ABl.EU 2008, Nr. C 115, 47[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.06.2021 – 14 – V 4110/20[↩]
Bildnachweis:
- Kloster Gelati (Georgien): Makalu