Ob ein im Vergleich zu einem Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlicher Beruf vorliegt, bestimmt sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen und nicht nach den im Zusammenhang mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG entwickelten Maßstäben.

Eine im Wesentlichen auf die Planung, Durchführung und Evaluation klinischer Studien ausgerichtete Tätigkeit einer Fachkrankenschwester ist der eines Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten nicht ähnlich. Sie ist weder therapeutischer Natur noch weist sie einen hinreichend konkreten, unmittelbaren Zusammenhang zu einer Heilbehandlungstätigkeit auf.
Nach § 2 Abs. 1 GewStG unter-liegt der Gewerbesteuer jeder im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Keinen Gewerbebetrieb stellt nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG die Ausübung eines freien Berufs dar. Einen solchen hat die Fachkrankenschwester im Streitjahr indessen nicht ausgeübt.
Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht hat die Fachkrankenschwester im Streitjahr keine wissenschaftliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) ausgeübt.
Der Begriff der „Wissenschaftlichkeit“ ist im vorliegenden Zusammenhang ein rein steuerrechtlicher, der Erfordernisse an die inhaltliche Qualität wie auch an die äußere Form der Arbeit stellt. Die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit setzt voraus, dass eine anspruchsvolle, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die geeignet ist, grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen zu erforschen, zu begründen und in einen Verständniszusammenhang zu bringen. Sie erfordert wissenschaftliche Kenntnisse und Methodik im Rahmen einer schöpferischen oder forschenden Tätigkeit (sog. reine Wissenschaft) oder eine Anwendung von Forschungserkenntnissen auf konkrete Vorgänge (angewandte Wissenschaft). Eine wissenschaftliche Tätigkeit wird verneint, wenn sie in einer praxisorientierten Kenntnisvermittlung oder Beratung besteht1. Demgegenüber kann eine der forschenden Tätigkeit entsprechende, besonders qualifizierte Arbeit angenommen werden, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Fälle systematisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden, d.h. schwierige Grundsatzfragen zu beurteilen sind, wie dies z.B. in wissenschaftlichen Gutachten, bei denen Streit- und Grenzfragen nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen sind, der Fall ist2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht zutreffend erkannt, dass die Fachkrankenschwester nicht wissenschaftlich tätig war. Es hat nachvollziehbar darauf abgestellt, dass unter Einbeziehung der schulischen und beruflichen Ausbildung der Fachkrankenschwester sowie der von ihr bis zum Streitjahr absolvierten Fort- und Weiterbildungen nicht ersichtlich ist, dass sie im Streitjahr zu wissenschaftlichem Arbeiten befähigt war.
Zudem war für den Bundesfinanzhof hinsichtlich der Art und Schwerpunkt der Tätigkeit der Fachkrankenschwester nicht erkennbar, dass sie selbst im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs forschend und damit wissenschaftlich tätig war, auch wenn ihre Arbeit der klinischen Forschung diente.
Die Tätigkeit der Fachkrankenschwester ist auch nicht einem der Katalogberufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlich.
Ein ähnlicher Beruf liegt vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit3. Die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen sein, die so qualifizierte Arbeit muss den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben4. Ist für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist5.
Geht es darum, ob eine Berufstätigkeit der eines Katalogberufs ähnlich ist, genügt eine sog. Gruppenähnlichkeit, also die Ähnlichkeit zum „Freiberufler an sich“ oder zu einer bestimmten Gruppe freiberuflicher Tätigkeiten (z.B. heilberufliche Tätigkeiten wie die Tätigkeit der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten), nicht. Da der Gesetzgeber die Katalogberufe detailliert aufzählt, müssen die ähnlichen Berufe speziell einem dieser Berufe ähnlich sein6.
Ob ein einem Katalogberuf i.S. des § 18 EStG ähnlicher Beruf vorliegt, bestimmt sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen, nicht nach den im Zusammenhang mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) entwickelten Maßstäben7.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Fachkrankenschwester keinen dem Beruf des Heilpraktikers ähnlichen Beruf ausgeübt. Hierfür fehlt es bereits an der für die Ausübung dieses Berufs notwendigen staatlichen Erlaubnis (§ 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes) und der damit verbundenen Überwachung durch die Gesundheitsämter8.
Die Tätigkeit der Fachkrankenschwester war auch nicht der eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten ähnlich.
Die Tätigkeit eines Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten umfasst vor allem aktive und passive Therapien zur Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit9. Sie ist mithin von der Erbringung einer persönlichen medizinischen Dienstleistung geprägt, die therapeutischer Natur ist und den Heilerfolg fördert10.
Demnach ist nicht jede Tätigkeit, die den Heilerfolg fördert, der des Krankengymnasten/Physiotherapeuten ähnlich. Vielmehr muss die jeweilige Tätigkeit therapeutischer Natur sein oder zumindest einen hinreichend konkreten, unmittelbaren Zusammenhang zu einer Heilbehandlungstätigkeit aufweisen. Andernfalls käme es zu einer nicht sachgerechten Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 18 EStG, denn auch offensichtlich keinem der Katalogberufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnliche Tätigkeiten (wie z.B. von Mitarbeitern der Krankenhausverwaltung)) fördern ((z.B. durch die Sicherstellung der sächlichen und personellen Ausstattung eines Krankenhauses) in gewisser Weise den Heilerfolg.
Die Fachkrankenschwester war nicht therapeutisch tätig.
Nach der für den Bundesfinanzhof bindenden Feststellung des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) war ihre Tätigkeit im Wesentlichen auf die Planung, Durchführung und Evaluation von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten ausgerichtet und umfasste darüber hinaus die Schulung, Überwachung und klinische Unterstützung der Anwender beim Einsatz der Produkte. Klinische Prüfungen sind am Menschen durchgeführte Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen (§ 4 Abs. 23 des Arzneimittelgesetzes).
Demnach therapierte die Fachkrankenschwester keine Patienten, sondern sorgte für einen erfolgreichen Verlauf klinischer Studien und unterstützte so die Entwicklung pharmazeutischer bzw. medizintechnischer Produkte.
Ihre Tätigkeit weist zudem keinen hinreichend konkreten, unmittelbaren Zusammenhang zu einer Heilbehandlungstätigkeit auf.
Die im Auftrag und Interesse der an der Entwicklung beteiligten Einrichtungen und Personen (Pharmaunternehmer, Auftragsforschungsinstitute, Ärzte etc.) durchgeführte Tätigkeit der Fachkrankenschwester war primär darauf gerichtet, eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Erprobung der Wirkweise von Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten sicherzustellen, die grundsätzlich erst nach ihrer Zulassung zur Heilung von Menschen eingesetzt werden sollten und konnten. Die Fachkrankenschwester arbeitete dementsprechend vornehmlich im Vorfeld künftiger -erst nach Zulassung möglicher- Behandlungen von Patienten durch Dritte und nicht in konkretem, unmittelbarem Zusammenhang mit einer Heilbehandlung.
Ein solcher ergibt sich auch nicht daraus, dass die Fachkrankenschwester im Rahmen der von ihr betreuten Studien auch Kontakt zu Studienteilnehmern hatte, denen die zu erprobenden Medikamente verabreicht bzw. bei denen die medizinischen Produkte eingesetzt wurden und deren Heilung damit angestrebt war. Denn prägend für die Tätigkeit der Fachkrankenschwester war es, für einen erfolgreichen Verlauf der klinischen Studie Sorge zu tragen.
Insoweit unterscheidet sich die Tätigkeit der Fachkrankenschwester auch maßgeblich von der eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene, die der Verbesserung der Infektionsprävention sowie der Bekämpfung von Krankenhausinfektionen dient und nach den Feststellungen im BFH, Urteil in BFHE 215, 119, BStBl II 2007, 177 in einem konkreten Zusammenhang mit der laufenden Behandlung und Pflege von Patienten erfolgte.
Schließlich ist die der Forschung dienende Tätigkeit der Fachkrankenschwester auch nicht der einer (Fach-)Krankenschwester, die medizinische Hilfeleistungen unter der Verantwortung eines Arztes ausführt, ähnlich.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. April 2017 – VIII R 24/14
- z.B. BFH, Urteile vom 14.05.2014 – VIII R 18/11, BFHE 246, 396, BStBl II 2015, 128; vom 08.10.2008 – VIII R 74/05, BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 22.01.2004 – IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 246, 396, BStBl II 2015, 128, m.w.N.; BFH, Entscheidungen vom 14.02.2013 – III B 67/12, BFH/NV 2013, 920; vom 19.09.2002 – IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27; vom 09.03.2005 – IV B 74/03, BFH/NV 2005, 1289[↩]
- vgl. zu diesen z.B. BFH, Urteile vom 26.08.2014 – XI R 19/12, BFHE 247, 276, BStBl II 2015, 310; vom 09.09.2015 – XI R 31/13, BFH/NV 2016, 249[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509; vom 28.08.2003 – IV R 69/00, BFHE 203, 429, BStBl II 2004, 954[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.09.2006 – XI R 64/05, BFHE 215, 119, BStBl II 2007, 177[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 203, 429, BStBl II 2004, 954, unter Bezugnahme auf § 124 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch[↩]