Die nicht berücksichtigte Umsatzsteuervorauszahlung – und die Änderung des Einkommensteuerbescheids

Wegen der Nichtberücksichtigung einer Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit ist weder eine Berichtigung des bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheids gemäß § 129 AO möglich noch kommt dessen Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO oder § 174 Abs. 3 AO in Betracht.

Die nicht berücksichtigte Umsatzsteuervorauszahlung – und die Änderung des Einkommensteuerbescheids

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

Offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder -wie hier vom Finanzgericht angenommen- auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist1. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift aber auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt2.

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Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterworfen ist3.

Vorliegend hat das Finanzgericht die Anwendung des § 129 AO mit der Begründung abgelehnt, es habe sich im Rahmen der ihm als Tatsachengericht obliegenden freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht davon überzeugen können, dass ein Fehler des Steuerberaters der Kläger bei der Ermittlung des Zeitpunkts des Abflusses der Umsatzsteuervorauszahlung für November 2012 auszuschließen sei.

Dagegen ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Zwar hat sich das Finanzgericht zum auf § 174 Abs. 3 AO bezogenen Vorbringen der Kläger, ihr Steuerberater sei hinsichtlich § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG einem Rechtsirrtum unterlegen, nicht weiter geäußert. Dies war an dieser Stelle auch entbehrlich. Ein solcher Irrtum wäre als Vorstufe der mangelnden Sachverhaltsaufklärung des Beraters zwar ohne Weiteres denkbar, schlösse ein Eingreifen von § 129 AO allerdings gleichermaßen aus, mit der Folge, dass die Klage auch unter diesem Gesichtspunkt hätte abgewiesen werden müssen. Zudem haben die Kläger in Bezug auf § 129 AO ausgeführt, der Kläger habe die umsatzsteuerlich berücksichtigte Zahlung nur aufgrund eines „mechanischen Versehens“ nicht in seiner Einkommensteuererklärung berücksichtigt. Ein derart inkonsistenter Vortrag ist schon dem Grunde nach nicht geeignet, die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Finanzgericht materiell-rechtlich in Zweifel zu ziehen.

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Aus dem BFH, Urteil in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439 ergibt sich nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs die Anwendbarkeit des § 129 AO für den Fall bejaht, dass in den vom Steuerpflichtigen selbst erstellten Gewinnermittlungen überhaupt keine Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden, obwohl das Finanzamt diese Zahlungen bei der Umsatzsteuerfestsetzung berücksichtigt hatte. Der wesentliche Unterschied zur vorliegenden Konstellation besteht darin, dass dort eine unschwer als solche erkennbare versehentliche Nichtangabe zu beurteilen war, wohingegen vorliegend eine nicht ohne Weiteres zu durchschauende unzutreffende Gesamtbetragsangabe in Streit steht.

Im vom VIII. Senat des Bundesfinanzhof zu beurteilenden Streitfall lag es aus Sicht eines objektiven Dritten auf der Hand, dass nicht alle Umsatzsteuerzahlungen außerhalb des ertragsteuerrechtlich maßgeblichen Zeitraums abgeflossen sein konnten, was die „Offenbarkeit“ jener (vom Finanzamt übernommenen) Unrichtigkeit begründete. Die weitere Möglichkeit, der dortige Kläger sei einem Rechtsirrtum unterlegen, wonach die Umsatzsteuerzahlungen ganz generell nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten, schied ersichtlich aus. So ist der hiesige Streitfall jedoch nicht gelagert. Vorliegend hat der Kläger nicht sämtliche Umsatzsteuervorauszahlungen bei den Betriebsausgaben außer Acht gelassen (in Zeile 45 der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2012 überhaupt keine Eintragung vorgenommen), sondern an dieser Stelle des Vordrucks einen Gesamtbetrag eingesetzt, der nicht von vornherein unrealistisch war. In einem solchen Fall liegt ein schlicht mechanisch bedingtes Übertragungsversehen indes nicht offen zu Tage.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Mai 2017 – X R 45/16

  1. z.B. BFH, Urteil vom 16.09.2015 – IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040, Rz 17[]
  2. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, Rz 15, m.w.N.[]
  3. s. zuletzt BFH, Urteile vom 03.08.2016 – X R 20/15, BFH/NV 2017, 438; und vom 26.10.2016 – X R 1/14, BFH/NV 2017, 257, jeweils unter II. 1.a, m.w.N.[]