Die vor 2005 abgeschlossene Dirketversicherung – als Aufbauversicherung

Die im Rahmen einer sog. Aufbauversicherung vereinbarten „laufenden Einmalbeiträge in variabler Höhe“ sind als „laufende Beitragsleistungen“ i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004 anzusehen, wenn sie jährlich nach einer im ursprünglichen Vertrag vereinbarten Berechnungsmethode geleistet werden.

Die vor 2005 abgeschlossene Dirketversicherung – als Aufbauversicherung

Die Zahlungen aus solchen Aufbauversicherungen sind nach § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei. Sie gehören bei einem Handelsvertreter nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, auch wenn sie mit dem Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 HGB verrechnet wurden.

Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b Halbsatz 2 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 sind die Zahlungen der L an den Kläger steuerfrei.

Die Zahlungen aus den beiden Aufbauversicherungen sind Leistungen aus Direktversicherungen und damit nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG steuerbar.

§ 22 Nr. 5 Satz 1 EStG erfasst die Leistungen der sog. externen Altersversorgung, zu denen auch die Direktversicherung gehört. Was eine Direktversicherung ist, ergibt sich aus § 1b Abs. 2 BetrAVG. Danach liegt eine Direktversicherung vor, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden ist, und wenn der Versicherte oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Eine Direktversicherung liegt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG auch vor, wenn die Versicherungsleistungen selbständig tätigen Personen, z.B. Handelsvertretern, aus Anlass ihrer Tätigkeit für das Unternehmen zugesagt werden1.

Im Streitfall hat die – V auf das Leben des Klägers als selbständig tätigen Versicherungsvertreter solche Direktversicherungen abgeschlossen. Davon gehen übereinstimmend auch die Beteiligten aus.

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Da die Beiträge nicht auf den in § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG abschließend aufgezählten geförderten Beiträgen beruhen, ist auf die Leistungen der streitgegenständlichen Aufbauversicherungen, bei denen es sich nicht um Renten i.S. des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG (Berufsunfähigkeitsrenten, Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenenrenten)) handelt, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der jeweils für den Vertrag geltenden Fassung entsprechend anzuwenden (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG).

Die Auszahlungsbeträge aus den Direktversicherungsverträgen bleiben, da sie auf laufenden Beiträgen für eine Kapitallebensversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004 beruhen, nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (heute § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG) steuerfrei.

Zinsen aus Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 EStG zwar grundsätzlich steuerpflichtig. Denn für Kapitalerträge aus Versicherungsverträgen, die vor dem 1.01.2005 abgeschlossen worden sind, ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 weiterhin anzuwenden. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt diese Steuerpflicht aber nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Zu den Versicherungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 gehören nach Doppelbuchst. dd auch Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist2.

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Laufende Beitragsleistungen in diesem Sinne sind von Einmalbeiträgen abzugrenzen. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 unterscheidet im Hinblick auf die begünstigten Versicherungen ausdrücklich zwischen solchen, bei denen Einmalbeiträge möglich sind und solchen, bei denen sie ausdrücklich nicht vorgesehen sind, weil „laufende Beitragsleistungen“ verlangt werden. Dies ist Folge der durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.19743 vorgenommenen Einschränkung der Förderung von Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall. Im Vordergrund soll der Vorsorgezweck und nicht die bloße Vermögensbildung stehen. Folglich führte der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung4 ausdrücklich aus, die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. vorgenommene abschließende Aufzählung führe dazu, dass bei den folgenden Versicherungen mangels Vorsorgezwecks die Begünstigung ausscheide:

  • Versicherungen gegen einmalige Beitragsleistung mit Ausnahme von Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,
  • Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen, die Sparanteile enthalten, mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren,
  • Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen, bei denen das Kapitalwahlrecht vor Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss ausgeübt werden kann.

Im Umkehrschluss zeigt diese Aufzählung, dass Kapitallebensversicherungen, die nicht nur einmalige Beitragsleistungen verlangen und deren Vertragsdauer wenigstens zwölf Jahre beträgt, dem Versorgungszweck dienen sollen und folglich steuerlich zu fördern sind. Auf einen bestimmten Beitragszahlungszeitraum stellt das Gesetz dabei nicht ab5. Die Zahlungen müssen hiernach weder in regelmäßigen Zeitabständen getätigt werden noch betragsmäßig gleichmäßig sein. Allerdings dürfen die Zahlungen wirtschaftlich betrachtet nicht Beitragsleistungen gegen Einmalzahlungen gleichkommen6.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist der Wortlaut der Vereinbarung zur Versorgung der Generalagenten (GA-Versorgung) hinsichtlich der Art der Zahlungen nicht eindeutig. Zwar scheint er, wenn er hinsichtlich der Aufbauversicherung von einem „laufenden Einmalbeitrag in variabler Höhe“ spricht, eine Vielzahl von Einmalbeiträgen und eben keine laufenden Beitragsleistungen zu meinen. Doch lässt die Erweiterung des Begriffs des Einmalbeitrags auf einen laufenden Betrag in variabler Höhe auch den Schluss zu, es seien gerade keine (typischen) Einmalbeiträge vereinbart worden.

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Entscheidendes Gewicht kommt deshalb der tatsächlichen Art und Weise der Beitragsberechnung und -zahlung zu. Tatsächlich sind die Versicherungsbeiträge mehrfach und auch laufend geleistet worden. Im Zeitraum von 29 Jahren sind in die Aufbauversicherung der Stufe 2 insgesamt 22 Beiträge und im Zeitraum von 24 Jahren in die Aufbauversicherung der Stufe 3 insgesamt 17 Beiträge eingezahlt worden. Lediglich in sieben Jahren sind in beiden Versicherungen keine Beiträge entrichtet worden. Solche laufenden Beitragszahlungen sind einer Kapitallebensversicherung gegen Einmalbeitrag fremd. Schließlich wird bei der Vereinbarung einer Einmalprämie die Prämie für die gesamte Laufzeit der Lebensversicherung in einer Summe entrichtet7.

Auch die sonstigen Beitragsmodalitäten sprechen dafür, dass die Vertragsparteien hier nicht eine Vielzahl von Einmalzahlungen, sondern laufende Beiträge, in der Höhe variabel, vereinbart hatten. Dabei stand von Anfang an die Berechnungsweise der Beiträge fest. Es ist nicht erkennbar, dass jede Neuberechnung zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags (Novation) führen sollte. Vielmehr erhielt der Kläger -wie auch ein Arbeitnehmer, für den einkommensabhängige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden- die Möglichkeit, seine Altersversorgung entsprechend seinem wirtschaftlichen Erfolg aufzubauen.

Die Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren wurde eingehalten.

Werden Versicherungsverträge vor Ablauf der Zwölfjahresfrist geändert, so ist die Frage, ob sie nach Inhalt und wirtschaftlichem Gehalt unverändert geblieben sind oder ob aufgrund der Änderungen Neuverträge vorliegen, im Wesentlichen nach den den Vertrag prägenden Merkmalen, nämlich Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer zu beurteilen8. Danach liegt ein neuer Vertrag -mit der Folge einer ab dem Änderungszeitpunkt neu laufenden Zwölfjahresfrist i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004- vor, wenn der zuvor abgeschlossene Versicherungsvertrag u.a. hinsichtlich der Merkmale Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer nachträglich geändert wird, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war, oder dass einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden ist9.

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Aufgrund der bereits bei Vertragsschluss zwischen dem Kläger und – V feststehenden Berechnungsmethode war in allen Jahren für die Beteiligten klar, wie die Beitragshöhe zu ermitteln war. Dabei konnte es zwar dazu kommen, dass in einzelnen Jahren, wie geschehen, keine Beiträge in die Direktversicherungen zu leisten waren; doch führte dies nicht dazu, dass die Beitragsverpflichtung an sich entfiel. Vielmehr war die Beitragsleistung vom „anrechenbaren Beitragszuwachs“ abhängig und folglich für beide Vertragsparteien bindend, wie und wann die Beiträge zu leisten waren. Die Prämien für die Direktversicherungen entsprachen -wirtschaftlich betrachtet- variablen gewinn- oder umsatzabhängigen Beiträgen und waren grundsätzlich jedes Jahr und folglich laufend zu zahlen.

Diese variablen Beiträge hatten zwar zur Folge, dass sich die Versicherungssumme änderte. Doch blieb der wirtschaftliche Gehalt der beiden ursprünglichen Versicherungsverträge unverändert, ebenso wie die (Ursprungs-)Laufzeit und die Prämienzahlungsdauer gleich blieben. Auch deshalb wurde bei beiden Aufbauversicherungen die Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren eingehalten.

Die gewählte Vertragsgestaltung und in Folge dessen die Erhöhung der Versicherungsbeiträge wie der Versicherungssumme dienten im Übrigen erkennbar ausschließlich der Verbesserung der vereinbarten Vorsorge und sicherten in der gewählten Form die Altersvorsorge des Klägers ab, wie es § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 bezweckte. Dem Vorsorgecharakter entsprechend ist deshalb in IV. der GA-Versorgung vereinbart worden, dass ein unwiderrufliches Bezugsrecht erst entstehen könne, wenn der GA das 35. Lebensjahr vollendet habe und entweder die Aufnahme in die Versorgung mindestens zehn Jahre zurückliege oder der Agenturvertrag seit mindestens zwölf Jahren bestehe und die Aufnahme in die Versorgung vor mindestens drei Jahren erfolgt sei. Auch seien die Überschussanteile aus den Kapitalversicherungen zur Erhöhung der Versorgungsleistungen zu verwenden. Dem GA stehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine Auszahlung des Rückkaufswertes zu.

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Versicherungsvertragsrechtlich sind die beiden Aufbauversicherungen ebenfalls als Kapitallebensversicherungen gegen laufende Prämien anzusehen. Als sog. Anpassungsversicherungen dienten sie nämlich vorrangig dazu, ohne erneute Gesundheitsprüfungen jährlich die Prämie und damit die Versicherungssummen zu erhöhen. In der hier vorliegenden Variante des Prämienprimats wird dabei in Folge der Erhöhung der Versicherungsprämie die Versicherungssumme angepasst10. Diese besondere Ausgestaltung von Anpassungsversicherungen findet sich insbesondere bei Gruppenversicherungen -eingeführt im Jahr 1981-, bei denen stufenweise die Versicherungssummen gegen laufende Prämien in variabler Höhe aufgebaut werden. Zwar sind sie versicherungstechnisch als eine Aneinanderreihung von Einmalprämien konzipiert, bei der die Prämien und die Versicherungssumme nach objektiven Kriterien wie z.B. der Höhe des Gehalts bestimmt werden, werden aber versicherungsvertragsrechtlich nicht als Einmalprämien, sondern als (laufende) Folgeprämien angesehen11.

In Höhe dieser (steuerfreien) Ansprüche des Klägers aus den beiden Aufbauversicherungen der Stufen 2 und 3 liegen auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG vor, obwohl der Kläger und die – V in beiden Versicherungsverträgen eine Anrechnung in Höhe der Kapitalwerte der von – V finanzierten Versicherungsleistungen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB vereinbart hatten12. Ein darüber hinausgehender und deshalb als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassender Unterschiedsbetrag ist nicht gegeben.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. September 2018 – X R 21/16

  1. so auch Stuhrmann in Bordewin/Brandt, § 4b EStG Rz 4[]
  2. vgl. nur das BFH, Urteil vom 27.09.2016 – VIII R 66/13, BFHE 256, 214, BStBl II 2017, 626, Rz 28[]
  3. BGBl I 1974, 1769[]
  4. BT-Drs. 7/1470, 287[]
  5. vgl. insoweit auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz E 78[]
  6. so auch BMF, Schreiben vom 22.08.2002 – IV C 4 -S 2221– 211/02, BStBl I 2002, 827, Rz 12[]
  7. Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 9. Aufl., Band 8/1 Lebensversicherung, § 152 Rz 20[]
  8. ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil in BFHE 256, 214, BStBl II 2017, 626, Rz 29, m.w.N.[]
  9. BFH, Urteil vom 06.07.2005 – VIII R 71/04, BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, unter II. 1.b[]
  10. vgl. hierzu Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., Band 5, Zweiter Halbband Anm. E 76[]
  11. Winter in Bruck/Möller, a.a.O., 8. Aufl., Band 5, Zweiter Halbband Anm. E 79 und auch E 7[]
  12. BFH, Urteil vom 08.12 2016 – III R 41/14, BFHE 256, 476, BStBl II 2017, 630[]
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