Die bis zum Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 11.07.2017 [1] anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.09.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war.

Haben die Gesellschafter einer GmbH durch Feststellung des Jahresabschlusses untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft rechtsverbindlich bestätigt, dass eine im Jahresabschluss ausgewiesene Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter in der ausgewiesenen Höhe besteht, ist dies auch für die Besteuerung des Gesellschafters von Bedeutung; die Feststellung des Jahresabschlusses spricht dann zumindest indiziell für das Bestehen der Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft dem Grunde und der Höhe nach.
Der Bundesfinanzhof hält daran fest, dass die Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen übergangsweise weiter anzuwenden sind.
Für die Höhe der (nachträglichen) Anschaffungskosten kommt es im Streitfall auf den unter der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG entwickelten normspezifischen Anschaffungskostenbegriff an [2]. Der streitige Sachverhalt ist in den Jahren bis 2011 verwirklicht worden; auf die am 27.09.2017 veröffentlichte Neuausrichtung der Rechtsprechung kann die Entscheidung nicht gestützt werden, weil bis dahin niemand wissen konnte, wie der BFH bei der Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG auf die zivilrechtliche Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts reagieren würde. Anders als das Finanzgericht meint, ergeben sich aus der Aufhebung des zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrechts insofern auch keine gesetzlichen Vorgaben, gegen die der Bundesfinanzhof verstoßen haben könnte. Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 [3] hat die steuerlichen Folgen der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts weder bedacht noch geregelt. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof bei unverändertem Wortlaut der anzuwendenden Norm (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) in seinem Urteil in BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208 seine langjährige Rechtsprechung geändert und verschärft [4]. In einer solchen Situation kann die Rechtsprechung ausnahmsweise typisierenden Vertrauensschutz gewähren, ohne dass deshalb ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung anzunehmen ist [5]. Weshalb Steuerpflichtige nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts im Hinblick auf § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht am ehesten auf die Fortgeltung der bisherigen Grundsätze hätten vertrauen sollen, erschließt sich dem Bundesfinanzhof nicht, zumal dies der geäußerten und praktizierten Auffassung der Finanzverwaltung entsprach.
Im vorliegenden Fall hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg [6] in der Vorinstanz zu Unrecht nach der Feststellungslast entschieden (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Entscheidung nach der Feststellungslast kommt nur als ultima ratio in Betracht, wenn alle gebotenen Bemühungen, den Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen, erfolglos geblieben sind. Daran fehlt es. Das Finanzgericht hat bei seiner Überzeugungsbildung die Rechtswirkungen nicht beachtet, die sich aus der Feststellung des Jahresabschlusses für die Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Zivilrecht und für das Steuerrecht ergeben.
Mit der Feststellung des Jahresabschlusses bestätigen die Gesellschafter nicht nur die Richtigkeit der Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft, sondern sie bekräftigen zugleich rechtsverbindlich die im Jahresabschluss ausgewiesenen Rechtsverhältnisse im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und verzichten auf diesbezügliche Einreden und Einwendungen. Der festgestellte Jahresabschluss kann insofern zivilrechtlich die Bedeutung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses haben [7]. Festgestellt ist der Jahresabschluss, soweit keine besonderen gesetzlichen Regeln zu beachten sind (vgl. §§ 172, 173 AktG), wenn ihn die Gesellschafter durch Beschluss für verbindlich erklärt haben [8].
Ob eine Forderung besteht, ist auch im Steuerrecht zunächst eine zivilrechtliche Frage. Haben die Gesellschafter einer GmbH durch Feststellung des Jahresabschlusses untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft rechtsverbindlich bestätigt, dass eine im Jahresabschluss ausgewiesene Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter (in der ausgewiesenen Höhe) besteht, ist dies auch für die Besteuerung des Gesellschafters von Bedeutung [9]. Die Feststellung des Jahresabschlusses spricht dann zumindest indiziell für das Bestehen der Forderung des Gesellschafters dem Grunde und der Höhe nach.
Das Finanzgericht ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Soweit es die festgestellte Bilanz der GmbH als bloßen Eigenbeleg gewürdigt hat, hat es ihr jegliche Indizwirkung für den Bestand und die Höhe der streitigen Forderung abgesprochen. Es hat dabei gedanklich die Trennung von Gesellschaft und Gesellschafterebene außer Acht gelassen. Das ist jedoch auch bei einer Einmann-GmbH nicht zulässig. Das Urteil des Finanzgericht kann schon aus diesem Grund keinen Bestand haben. Dass das Finanzgericht als Folge dieses Rechtsfehlers auch die Anforderungen an die Darlegung der Höhe eines sukzessive entstandenen Darlehens und die diesbezüglichen Nachweisanforderungen überspannt hat, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Die Sache ist spruchreif. Der Bundesfinanzhof entscheidet auf der Grundlage der vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Klage ist begründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Alleingesellschafter in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Bundesfinanzhof ändert den Steuerbescheid und setzt die Einkommensteuer 2012 niedriger fest (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Berechnung der Steuer wird dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die „Veräußerungsverluste nach § 17 EStG“ sind ‑wie beantragt- um x € höher anzusetzen. Der Alleingesellschafter ist bei Auflösung der GmbH mit einem eigenkapitalersetzenden (weil von Anfang an krisenbestimmten) Darlehen von zuletzt xx € ausgefallen, welches bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG zu 60 % anzusetzen ist.
Zu Recht ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass der Verlust aus der Auflösung der GmbH nach Abschluss der Liquidation im Streitjahr zu erfassen ist. Es begegnet auch keinen Bedenken, wenn das Finanzgericht die (anfängliche) Krisenbestimmtheit des Darlehens aufgrund des Vertrags vom 23.12 1999 bejaht und zudem festgestellt hat, der Darlehensvertrag sei (korrekt) umgesetzt worden. Es trifft ferner zu, dass der Alleingesellschafter nur den letzten Saldo des Darlehenskontos geltend machen kann. Im Revisionsverfahren hat er seinen Antrag insofern angepasst.
Auf der Grundlage der Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses der GmbH auf den 31.12 2011 ist der Bundesfinanzhof davon überzeugt, dass der Alleingesellschafter am Bilanzstichtag eine offene Forderung gegen seine GmbH in Höhe von 196.350 EUR hatte, mit deren Rückzahlung er bei der Schlussverteilung im Liquidationsverfahren vollständig ausgefallen ist. In dem vom Alleingesellschafter als Alleingesellschafter festgestellten und damit für verbindlich erklärten Jahresabschluss der GmbH ist die Verbindlichkeit der GmbH gegenüber dem Alleingesellschafter in dieser Höhe ausgewiesen. Gesellschaft und Gesellschafter haben dieser Feststellung ausdrücklich zugestimmt und damit rechtsverbindlich zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung in dieser Höhe besteht.
Die tatsächlichen Feststellungen, aus denen das Finanzgericht Zweifel an der Richtigkeit und Aussagekraft der Buchführung der GmbH hergeleitet hat, reichen nicht aus, um die Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses zu entkräften. Der Bundesfinanzhof setzt sich damit nicht über eine (ihn möglicherweise bindende) tatsächliche Schlussfolgerung des Finanzgericht hinweg. Das Finanzgericht hat die Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses nicht erkannt. Es hat sich deshalb auch nicht zu der Frage geäußert, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Indizwirkung entkräftet sein kann. Der Bundesfinanzhof beantwortet diese Frage auf der Grundlage der vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen selbst.
Die Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses entfällt unter den Umständen des Streitfalls insbesondere nicht deshalb, weil in der Buchführung der GmbH für 2005 bei Abschlussarbeiten ein „negativer“ Kassenbestand ausgebucht worden ist. Zwar handelt es sich dabei um einen erheblichen Fehler der Buchführung. Aus den Umständen des Streitfalls ergibt sich jedoch mit hinreichender Sicherheit, dass sich dieser Fehler auf die zutreffende Erfassung des Gesellschafterdarlehens nicht ausgewirkt hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass die GmbH Bareinnahmen hatte. Selbst wenn also damals Ausgaben der GmbH zu Lasten der Kasse nacherfasst worden sein sollten, ändert dies an deren betrieblicher Veranlassung nichts und begründet auch keinen Zweifel daran, dass die Ausgaben angefallen; und vom Alleingesellschafter verauslagt worden sind. Vielmehr entspricht es den vertraglichen Abreden, wenn der Ausgleichsbetrag letztlich darlehenserhöhend erfasst worden ist, denn bare Auslagen des Alleingesellschafters für die GmbH sollten vereinbarungsgemäß nicht über das Kassenkonto (als Auslagenersatz), sondern als Darlehen gebucht werden. So ist es am Ende auch geschehen.
Die Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses wird weiter nicht dadurch geschwächt oder entkräftet, dass der Alleingesellschafter für die Jahre bis 1998 keine Buchführungsunterlagen der GmbH mehr vorlegen konnte. Zum einen datiert der Darlehensrahmenvertrag erst von Dezember 1999, so dass es für den Darlehensbestand auf die Jahre bis 1998 nicht ankommt. Zum andern hat das Finanzgericht auch nicht konkretisiert, welche Unrichtigkeit es insofern vermutete. Rein theoretische Zweifel sind aber nicht geeignet, die Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses zu beseitigen.
Da die vorliegende Klage aus § 17 EStG begründet war, kam es auf das Verhältnis zu § 20 EStG nicht an (§ 20 Abs. 8 EStG).
Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Juli 2019 – IX R 13/18
- BFH, Urteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208, Rz 40[↩]
- BGBl I 2008, 2026[↩]
- vgl. Crezelius, Der Betrieb 2018, 2401[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 17.12 2007 – GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, dort beginnend unter D.IV.02.b[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.04.2018 – 3 K 3138/15[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, DStR 2009, 1272, unter II. 2.b; und vom 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NJW 2014, 305, Rz 20[↩]
- vgl. nur Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 38. Aufl., § 245 Rz 3[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 10.05.2016 – IX R 13/15, BFH/NV 2016, 1556[↩]
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