Zum Klageverfahren des Insolvenzverwalters wegen der Qualifizierung von Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit ist der Insolvenzschuldner nicht gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen.

Nach der Bundesfinanzhof-Rechtsprechung scheidet eine notwendige Beiladung des Insolvenzschuldners bei einem Streit darüber aus, ob eine Steuerverbindlichkeit eine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellt. Zur Begründung hierfür wird angeführt, dass die Interessen von Insolvenzverwalter und -schuldner nicht „nach den Steuergesetzen“, sondern durch die Auslegung des Insolvenzrechts berührt seien1. Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof offen gelassen, ob der Insolvenzschuldner in einem vom Insolvenzverwalter geführten Klageverfahren überhaupt Dritter i.S. von § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sein kann2.
Hinzu kommt, dass § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO voraussetzt, dass die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere also in Fällen, in denen das, was einen Prozessbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muss, wobei ein sachlogischer oder rechnerischer Zusammenhang nicht genügt3. Im Fall der Festsetzung von Einkommensteuer während des laufenden Insolvenzverfahrens können indes mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien bzw. Vermögensbereiche betroffen sein. Neben der Unterscheidung zwischen Insolvenz, Masse- und insolvenzfreier Forderung kommt eine weitere, den Zwangsverwalter betreffende Forderungskategorie in Betracht4. Angesichts dieser unterschiedlichen Möglichkeiten fehlt es, soweit es um eine von der Einordnung als Masseverbindlichkeiten abweichende Qualifizierung geht, an einem notwendigerweise in einem bestimmten Vermögensbereich eintretenden Nachteil. Der Insolvenzschuldner wird nicht zwangsläufig im insolvenzfreien Vermögensbereich nachteilig berührt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Dezember 2022 – X R 9/20
- vgl. BFH, Urteil vom 08.09.2011 – V R 38/10, BFHE 235, 488, BStBl II 2012, 270, Rz 23; BFH, Urteil vom 10.07.2019 – X R 31/16, BFHE 265, 300, BStBl II 2022, 488, Rz 71; Brandis in Tipke/Kruse, § 60 FGO Rz 64a; Hartman in Gosch, FGO § 60 Rz 94[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.06.2019 – V R 51/17, BFHE 265, 294, BStBl II 2021, 52, Rz 25[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 11.01.2018 – X R 21/17, BFH/NV 2018, 529, Rz 6[↩]
- bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vgl. BFH, Urteil vom 10.02.2015 – IX R 23/14, BFHE 249, 202, BStBl II 2017, 367, Rz 35[↩]