Freiwillige Umsatzsteuer-Vorauszahlung zum Jahreswechsel

Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum des Dezembers des Vorjahres, die zwar innerhalb des für § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraums geleistet, aber wegen einer Dauerfristverlängerung erst danach fällig wird, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung erst im Jahr des Abflusses als Betriebsausgabe zu berücksichtigen1.

Freiwillige Umsatzsteuer-Vorauszahlung zum Jahreswechsel

Eine abweichende Zuordnung der Ausgabe zum Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG kommt nicht in Betracht, weil die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember in diesem Fall nicht innerhalb des für eine „kurze Zeit“ i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraums fällig ist.

Aufgrund der Dauerfristverlängerung und des Abflusses der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember (hier:) 2017 am 10.01.2018 handelt es sich um eine Betriebsausgabe des Jahres 2018.

Bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG bestimmt der für den Betriebsausgabenabzug geltende § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, dass Ausgaben für dasjenige Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind. Maßgeblich ist, wann der Steuerpflichtige nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die hingegebenen Mittel verliert2.

Umsatzsteuer-Vorauszahlungen -wie die hier streitigen für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres- sind zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG3. Mit Leistung der Zahlung am 10.01.2018 hat der Kläger innerhalb des für eine „kurze Zeit“ i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen Zeitraums von bis zu zehn Tagen4 auch die Verfügungsmacht über die gezahlten Mittel verloren. Der vom Abflussprinzip abweichenden Zuordnung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung zum Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG steht jedoch entgegen, dass die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres erst nach Ablauf des Zehn-Tages-Zeitraums zum 10.02.2018 fällig war.

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Der X. Senat des Bundesfinanzhofs hat mit Urteil in DStR 2022, 1101, Rz 13 ff., 19 ff., maßgeblich unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 09.05.19745 entschieden, § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei als Ausnahmetatbestand zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG konzipiert. Für die vom Folgejahr, in dem der Abfluss der Ausgabe stattfinde, abweichende Zuordnung zum vorhergehenden Kalenderjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit sei erforderlich, dass eine regelmäßig wiederkehrende Ausgabe im Sinne der Regelung nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis innerhalb der kurzen Zeit (des Zehn-Tages-Zeitraums) fällig (zahlbar) geworden sei und abfließe6. Der hier entscheidende VIII. Senat des Bundesfinanzhofs schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sind danach nicht erfüllt, wenn die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember eines Jahres zwar innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums des Folgejahres (hier: bis zum 10.01.2018) geleistet wird, wegen einer erteilten Dauerfristverlängerung aber erst nach dessen Ablauf (hier: am 10.02.2018) fällig ist.

Gründe, die bei Umsatzsteuer-Vorauszahlungen mit einer Dauerfristverlängerung dafür sprechen könnten, zu einer anderen Auslegung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG als im BFH, Urteil in DStR 2022, 1101 zu kommen, sind angesichts des Normzwecks nicht ersichtlich. Die Regelung soll Zufälligkeiten vermeiden, die bei strikter Anwendung des die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich beherrschenden Zu- und Abflussprinzips entstünden, würde man die Zahlung mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen müssen. Nur ausnahmsweise ist der wirtschaftlichen Zuordnung der Zahlungen für den im Gesetz genannten Zehn-Tages-Zeitraum der Vorrang einzuräumen. Daraus folgt, dass die regelmäßig wiederkehrende Ausgabe (hier: Umsatzsteuer-Vorauszahlung) nicht nur innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums gezahlt werden, sondern nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis auch innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums zahlbar, d.h. fällig sein muss7.

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Würde man auf die Fälligkeit der regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums verzichten, könnten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Voranmeldungszeitraum Dezember, die wegen der beantragten und erteilten Dauerfristverlängerung erst deutlich nach dem Jahreswechsel fällig werden und typischerweise nicht um den Jahreswechsel herum geleistet werden sollen, allein durch eine freiwillige Zahlung vor Fälligkeit innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums dem Vorjahr zugeordnet werden. Es würden bei diesem Normverständnis nicht Zufälligkeiten vermieden, die bei der Zuordnung regelmäßig wiederkehrender Ausgaben auftreten können, sondern dem Normzweck zuwiderlaufende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die Ausgabe bewusst dem einen oder dem anderen Veranlagungszeitraum zuordnen zu können.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Juni 2022, VIII R 25/20

  1. Anschluss an BFH, Urteil vom 16.02.2022 – X R 2/21, DStR 2022, 1101[]
  2. BFH, Urteil vom 16.02.2022 – X R 2/21, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2022, 1101, Rz 9[]
  3. BFH, Urteile vom 01.08.2007 – XI R 48/05, BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282, unter II. 2.a; vom 11.11.2014 – VIII R 34/12, BFHE 247, 432, BStBl II 2015, 285, Rz 14 f.; vom 27.06.2018 – X R 44/16, BFHE 262, 97, BStBl II 2018, 781, Rz 10, sowie vom 03.12.2019 – VIII R 23/17, BFH/NV 2020, 613, Rz 18[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 262, 97, BStBl II 2018, 781, Rz 11, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 09.05.1974 – VI R 161/72, BFHE 112, 373, BStBl II 1974, 547[]
  6. BFH, Urteil in DStR 2022, 1101[]
  7. BFH, Urteil in DStR 2022, 1101, Rz 23, 24[]
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