Gesellschafterfremdfinanzierung einer ausländischen Kapitalgesellschaft – und der Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs

Zinsen aus Darlehen eines Steuerpflichtigen an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist, sind gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG in der bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz 2020 geltenden Fassung aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG ausgeschlossen.

Gesellschafterfremdfinanzierung einer ausländischen Kapitalgesellschaft – und der Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall gewährte der klagende Steuerpflichtige Darlehen an eine niederländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar über eine weitere niederländische Kapitalgesellschaft als Alleingesellschafter beteiligt war. Die hieraus erzielten Darlehenszinsen in Höhe von rund 400.000 € erklärte er in seiner Einkommensteuererklärung als dem Sonder-Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG (Steuersatz 25 %) unterliegende Kapitalerträge. Das Finanzamt unterwarf die Zinsen dagegen der höheren tariflichen Einkommensteuer unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG. Nach dieser Vorschrift findet der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG keine Anwendung bei bestimmten Kapitalerträgen, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.

Das Finanzgericht Düsseldorf bestätigte die Auffassung des Finanzamts1. Die dagegen erhobene Revision wies der Bundesfinanzhof nun zurück:

Der Bundesfinanzhof bejahte das erforderliche Näheverhältnis des Gesellschafters zu der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft, weil er aufgrund seiner Beteiligung als Alleingesellschafter deren Einflussmöglichkeiten auf Ebene der Schuldner-Kapitalgesellschaft beherrschte. Anhaltspunkte dafür, die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG über den Wortlaut hinaus auf reine Inlandssachverhalte zu beschränken, sah der Bundesfinanzhof aber nicht. Der Gesetzgeber habe erst mit dem JStG 2020 neu geregelt, dass der Ausschluss des gesonderten Steuertarifs nur für solche Kapitalerträge aus Gesellschafterforderungen gegenüber der Schuldner-Kapitalgesellschaft gelte, die auf Seiten der Gesellschaft zu entsprechenden inländischen Betriebsausgaben führten. Der Bundesfinanzhof sah auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil Kapitalerträge, die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner oder an eine diesem nahestehende Person gezahlt würden, unter denselben Voraussetzungen wie im Streitfall tariflich zu besteuern seien.

Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG unter anderem nicht, wenn Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Dies gilt nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.

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Ausgehend hiervon ist das Finanzgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die streitigen Kapitalerträge des Gesellschafters aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Steuertarifs nach § 32d Abs. 1 EStG ausgenommen sind.

Dies folgt zwar nicht bereits aus § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift aufgrund der lediglich mittelbaren Beteiligung des Gesellschafters an der B-BV im Streitjahr nicht erfüllt sind. Im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG besteht keine Veranlassung für eine Gleichstellung unmittelbarer und mittelbarer Anteilseigner2. Im Streitfall sind jedoch, wie das Finanzgericht zutreffend entschieden hat, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG erfüllt. Denn der Gesellschafter ist als eine der Anteilseignerin A-BV nahestehende Person im Sinne der Vorschrift anzusehen. Bei dem Begriff der nahestehenden Person in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der normspezifisch für Zwecke des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG auszulegen ist3. Ein Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Anteilseigner-Kapitalgesellschaft, die zu mindestens 10 % an der Schuldner-Kapitalgesellschaft beteiligt ist, liegt danach vor, wenn der Gläubiger aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft verfügt. Er beherrscht dadurch die Einflussmöglichkeiten, die auf der Ebene der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft aufgrund deren zumindest 10%iger Beteiligung an der Schuldner-Kapitalgesellschaft bestehen4. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Gesellschafter war im Streitjahr Alleingesellschafter der A-BV. Die A-BV war ihrerseits Alleingesellschafterin der B-BV, der der Gesellschafter Darlehen gewährt hatte. Als Gläubiger der Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beherrschte er damit die Einflussmöglichkeiten, die auf der Ebene der A-BV als Anteilseigner-Kapitalgesellschaft aufgrund deren 100%iger Beteiligung an der B-BV als Schuldner-Kapitalgesellschaft gegeben waren.

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Der Umstand, dass die B-BV als darlehensnehmende Schuldner-Kapitalgesellschaft weder über Sitz noch über Geschäftsleitung im Inland verfügte, steht der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG nach seinem Wortlaut nicht entgegen. Das Tatbestandsmerkmal „Kapitalgesellschaft“ lässt nicht auf ein rein nationales Verständnis der Norm schließen. Vielmehr dient die Verwendung des Begriffs der Kapitalgesellschaft sowie die Bezugnahme unter anderem auf Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG allein dazu, den Anwendungsbereich der Norm auf Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Darlehen nahestehender Personen einzugrenzen. Auch auf der Grundlage des erforderlichen Rechtstypenvergleichs steht die B-BV als Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts im Rahmen der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG einer deutschen Kapitalgesellschaft gleich5.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit der Gesellschafter mit Schriftsatz vom 23.06.2023 ergänzend darauf verweist, er hätte auch bei einem deutschen Kreditinstitut Kapital anlegen können, mit der Folge, dass die daraus resultierenden Zinsen mangels eines Ausschlusses gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG dem gesonderten Tarif unterlegen hätten. Die vom Gesellschafter gewählte Verwendung seiner finanziellen Mittel für ein Darlehen an die B-BV erfüllt den Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG. Der Gesellschafter übersieht, dass die Besteuerung nur an verwirklichte Sachverhalte anknüpft und rein hypothetische, zwar realisierbare, aber tatsächlich nicht umgesetzte Sachverhalte und Gestaltungen für die Besteuerungsfolgen aus dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt keine Bedeutung haben6.

Entgegen der Auffassung der Gesellschafter ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG nicht in der Weise einschränkend auszulegen, dass der Ausschluss aus dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG nur für die Fälle gelten soll, in denen die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen zu inländischen Betriebsausgaben bei der Schuldner-Kapitalgesellschaft führen.

Der Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG sieht eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage nicht vor. Ebenso wenig ergeben sich aus der historischen und der systematischen Auslegung Anhaltspunkte dafür, dass die ihrem Wortlaut nach erfüllte Vorschrift im Streitfall nicht zur Anwendung zu bringen wäre. Denn während der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2010 vom 08.12.20107 die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a EStG dahingehend ergänzt hat, dass die Ausnahme von dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG erst dann Anwendung finden soll, wenn die Kapitalerträge zusätzlich auf Ebene des Schuldners zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften führen, die der inländischen Besteuerung unterliegen, und § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG keine Anwendung findet, hat er die Notwendigkeit einer derartigen Einschränkung für Fälle der Gesellschafterfremdfinanzierung im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 und 2 EStG nicht gesehen und eine entsprechende Änderung erst mit dem JStG 2020 vom 21.12.20208 vorgenommen9. Der Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG galt im Streitjahr vielmehr noch in seiner Ursprungsfassung, die -anders als die geänderte Fassung des Buchst. a- gerade keine Einschränkung dahingehend enthält, dass der Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs nur solche Kapitalerträge aus Gesellschafterforderungen gegenüber der Schuldner-Kapitalgesellschaft erfassen soll, die auf Seiten der Gesellschaft zu entsprechenden inländischen Betriebsausgaben führen10. Der Umstand, dass lediglich § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a, nicht aber § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG geändert wurde, schließt, wie das Finanzgericht zu Recht annimmt, sowohl in historischer als auch in systematischer Hinsicht eine Auslegung der Vorschrift in dem von den Gesellschaftern begehrten Sinne aus.

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Etwas anderes ergibt sich für die im Streitjahr geltende Rechtslage nicht daraus, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG durch das JStG 2020 den gleichen Zusatz wie Buchst. a erhalten hat, denn die Gesetzesänderung entfaltet keine Rückwirkung. Vielmehr ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG i.d.F. des JStG 2020 (EStG n.F.) auf Kapitalerträge aus Darlehen an die Kapitalgesellschaft, deren rechtliche Grundlage -wie hier- vor dem 01.01.2021 begründet wurde, erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden (§ 52 Abs. 33b Satz 2 EStG n.F.). Entgegen der Auffassung der Gesellschafter kommt der Neuregelung keine rein deklaratorische Wirkung in dem Sinne zu, dass es schon immer der gesetzgeberischen Regelungsintention entsprach, im Ausland ansässige Schuldner-Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG auszuschließen. Mit der Einschränkung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG durch das JStG 2020 verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, in der Praxis bekannt gewordenen Gestaltungen zu begegnen, bei denen die Vorschrift dazu genutzt wurde, künstlich erzeugte Verluste im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG aus der Veräußerung von Darlehensforderungen eines Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft in voller Höhe mit tariflich zu besteuernden Einkünften zu verrechnen. Den Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs hielt der Gesetzgeber insoweit nicht für gerechtfertigt, als den Verlusten korrespondierende positive Kapitalerträge zugrunde liegen, die nicht unter die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 EStG fallen, sondern dem günstigeren Abgeltungsteuertarif unterliegen11. Dieser Begründung lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber Gesellschafterdarlehen an ausländische Schuldner-Kapitalgesellschaften schon immer aus dem Anwendungsbereich des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ausschließen wollte.

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§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ist auch nicht im Wege teleologischer Auslegung in dem von den Gesellschaftern begehrten Sinne einschränkend auszulegen.

Eine teleologische Reduktion zielt darauf, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Ihre Aufgabe ist es daher nicht, das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich -gemessen an seinem Zweck- noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen12.

Im Streitfall führt eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift indes nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann, vielmehr entspricht diese gerade den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen13. Denn das mit der Einführung eines abgeltenden Steuersatzes für Kapitalerträge vom Gesetzgeber verfolgte Ziel bestand vornehmlich darin, die Standortattraktivität des deutschen Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten, durch eine leicht erkennbare Belastungsminderung zu erhöhen14. Dieses wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers würde jedoch verfehlt, wenn Kapitalerträge aus der Fremdfinanzierung von im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften durch einen Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person nicht vom Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG betroffen wären, weil dies zu einer Privilegierung der Kapitalanlage im Ausland führen würde. Die Standortattraktivität der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital auch im Ausland anlegen könnten, würde nicht gesteigert, sondern entgegen dem Gesetzeszweck gemindert, da keine Anreize zur Rückführung von Auslandsvermögen bestünden.

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Entgegen der Auffassung der Gesellschafter bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG15. Die vom Bundesfinanzhof und dem Finanzgericht für zutreffend gehaltene Auslegung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG führt nicht zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung des Gesellschafters, weil Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an einen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner oder an eine diesem nahestehende Person gezahlt werden, ebenfalls nach Maßgabe des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG und damit unter denselben Voraussetzungen wie beim Gesellschafter tariflich besteuert werden. Soweit die Gesellschafter eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG darin sehen, dass die streitigen Kapitalerträge anders behandelt werden als Kapitalerträge aus Darlehensforderungen gegenüber einer „ausländischen natürlichen Person“ oder einer „inländischen natürlichen Person, der kein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug“ zusteht, fehlt es, wie das Finanzgericht zu Recht ausführt, am Vorliegen wesentlich gleicher Lebenssachverhalte. Beide Fallgestaltungen unterscheiden sich nämlich wesentlich dadurch, dass Darlehen, die ein zu mindestens 10 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligter Anteilseigner „seiner“ Kapitalgesellschaft gewährt, typischerweise der Finanzierung der Gesellschaft und nicht der renditeorientierten Kapitalanlage dienen, während bei Darlehen an eine natürliche Person dieser Finanzierungszweck im Verhältnis zum Darlehensnehmer regelmäßig in den Hintergrund tritt. Jedenfalls findet eine etwaige Ungleichbehandlung eines Gesellschafter-Fremdkapitalgebers im Verhältnis zu einem durch den Abgeltungsteuersatz begünstigten Dritten, der eine (ausländische) natürliche Person als Fremdkapitalgeber finanziert, ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes, unerwünschten Gestaltungen entgegenzuwirken, bei denen Eigenkapital in die privilegiert besteuerte private Anlageebene verlagert und durch Fremdkapital ersetzt wird, um vom Abgeltungsteuersatz zu profitieren16. Denn das Ziel des Gesetzes, einen Beitrag zur Finanzierungsneutralität zu leisten, indem unternehmerische Entscheidungen über die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens steuerlich unverzerrt bleiben17, kann in Fällen der Darlehensgewährung an eine natürliche Person, bei denen sich die Frage einer Umschichtung von Eigen- in Fremdkapital von vornherein nicht stellt, nicht zum Tragen kommen.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Juni 2023 – VIII R 15/21

  1. FG Düsseldorf, Urteil vom 18.05.2021 – 10 K 1362/18 E[]
  2. BFH, Urteile vom 20.10.2016 – VIII R 27/15, BFHE 256, 248, BStBl II 2017, 441; und vom 09.07.2019 – X R 9/17, BFHE 265, 354, BStBl II 2021, 418[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 29.04.2014 – VIII R 9/13, BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986; und vom 14.05.2014 – VIII R 31/11, BFHE 245, 531, BStBl II 2014, 995[]
  4. BFH, Urteile vom 20.10.2016 – VIII R 27/15, BFHE 256, 248, BStBl II 2017, 441; und vom 09.07.2019 – X R 9/17, BFHE 265, 354, BStBl II 2021, 418; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742, Rz 137[]
  5. vgl. BFH, Urteile vom 22.08.2006 – I R 6/06, BFHE 215, 103, BStBl II 2007, 163, unter II. 1.; und vom 26.10.2021 – IX R 13/20, BFHE 275, 28, BStBl II 2022, 172, Rz 17[]
  6. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 07.07.1998 – VIII R 57/96, BFH/NV 1999, 594, unter II. 1.b, m.w.N.[]
  7. BGBl I 2010, 1768[]
  8. BGBl I 2020, 3096[]
  9. BR-Drs. 503/20, S. 87[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 30.11.2022 – VIII R 27/19, BFHE 278, 570, BStBl II 2023, 330, Rz 28[]
  11. BR-Drs. 503/20, S. 87 f.; BT-Drs.19/22850, S. 84[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 14.05.2019 – VIII R 20/16, BFHE 264, 459, BStBl II 2019, 586, m.w.N.[]
  13. so auch die ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. z.B. Brandis/Heuermann/Werth, § 32d EStG Rz 76; Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 32d Rz 10; Kühner/Gabert-Pipersberg in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 35; BeckOK EStG/Schmidt, 15. Ed. [01.03.2023], EStG § 32d Rz 150; anderer Ansicht Oellerich in Bordewin/Brandt/Bode, § 32d EStG Rz 63[]
  14. BT-Drs. 16/4841, S. 1[]
  15. vgl. grundlegend hierzu BFH, Urteil vom 29.04.2014 – VIII R 23/13, BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884[]
  16. BT-Drs. 16/4841, S. 60; vgl. auch BFH, Urteil vom 29.04.2014 – VIII R 23/13, BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884, Rz 19[]
  17. vgl. BR-Drs. 220/07, S. 97[]