Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden, so dass die Einkünfte nach Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich „netto“ festzustellen sind. Zulässig ist aber auch, die § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden laufenden Einkünfte oder Veräußerungsgewinne zusätzlich „brutto“ festzustellen, soweit aus den weiteren Feststellungen für einen verständigen Empfänger erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte ein weiterer Rechenschritt erforderlich ist.

Nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Danach kann ein Feststellungsbescheid eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können1.
Zu diesen selbständig anfechtbaren Feststellungen gehört auch die Feststellung, ob und in welcher Höhe in den Veräußerungsgewinnen (i.S. des § 16 EStG) solche enthalten sind, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallen.
Die Frage, ob über die Anwendung von § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG im Feststellungsverfahren oder erst im Veranlagungsverfahren zu entscheiden ist, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt und wird im Fachschrifttum unterschiedlich beantwortet. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist hierüber zwingend im Feststellungsverfahren zu entscheiden. Dabei stellt die vom Finanzamt gewählte Methode, wonach die in den festgestellten laufenden Einkünften oder Veräußerungsgewinnen enthaltenen, unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallenden Einkünfte „brutto“ als „andere Besteuerungsgrundlage“ bindend festgestellt werden, eine rechtlich zulässige Feststellungsart dar.
Der BFH hat in seinen bisherigen Entscheidungen die Frage offen gelassen, ob über die Anwendung von § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG im Feststellungsverfahren oder erst im Veranlagungsverfahren zu entscheiden ist2. Er hält es jedoch für rechtlich zulässig, die gemäß § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG steuerfreien Einkünfte bereits auf Ebene des Feststellungsverfahrens mit Bindungswirkung „brutto“ festzustellen, wenn für einen verständigen Empfänger aus dem Feststellungsbescheid zweifelsfrei erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte in der Veranlagung des Feststellungsbeteiligten ein zusätzlicher Rechenschritt notwendig ist3. Es handele sich insoweit um eine eigenständige und der (Teil-)Bestandskraft fähige „andere Besteuerungsgrundlage“, die im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO getroffen werden könne4. Ebenso hat der Bundesfinanzhof in seinen bisherigen Entscheidungen die Vorschrift des § 3c Abs. 2 EStG im Rahmen des Feststellungsverfahrens geprüft, ohne sich mit der hier aufgeworfenen Fragestellung zu beschäftigen5.
Nach überwiegender Auffassung im Fachschrifttum sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG in der Form auf Ebene des Feststellungsverfahrens zu berücksichtigen, dass nur die steuerpflichtigen Einkünfte nach Anwendung vorstehend genannter Steuerfreistellungen „netto“ festzustellen sind (sog. Nettomethode). Zur Begründung wird insbesondere § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO angeführt, nach dem die „einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen“ Einkünfte festzustellen sind6. Hinzu komme, dass für Zwecke der Gewerbesteuer die Nettomethode zwingend anzuwenden sei (vgl. § 7 Satz 4 des Gewerbesteuergesetzes -GewStG-). Diese Steuerfreistellungen könnten sich bei der Personengesellschaft als Gewerbesteuerschuldnerin nur dann auswirken, wenn die Einkünfte auf Ebene der Personengesellschaft bereits netto ermittelt würden7.
Nach einer Mindermeinung sind die vorstehend genannten Steuerfreistellungen erst im Veranlagungsverfahren der Gesellschafter zu berücksichtigen8. Als Begründung wird insbesondere darauf verwiesen, dass die Rechtsform des Mitunternehmers, welche über die Anwendung der Steuerfreistellung entscheide (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bei natürlichen Personen; § 8b KStG bei Körperschaften), ein Umstand sei, der außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung des Gesellschafters liege und daher nach dem zu Zebragesellschaften ergangenen Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 11.04.20059 nicht in das Feststellungsverfahren einbezogen werden dürfe10.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sind die Steuerfreistellungen nach § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG im Ausgangspunkt zwingend im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen.
Diese Regelungen betreffen die Höhe der -festzustellenden- steuerpflichtigen Einkünfte der Mitunternehmerschaft i.S. des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO; die Einkünfte bzw. die diesen zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen sind daher „netto“ festzustellen. Mit Blick auf den zu Zebragesellschaften ergangenen Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 bestehen jedoch keine rechtlichen Bedenken gegen die vom Finanzamt vorgenommene „Bruttofeststellung“.
Nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind auf Ebene der Mitunternehmerschaft die „steuerpflichtigen Einkünfte“ festzustellen. § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG stellen Gewinnausschüttungen aus einer betrieblichen Beteiligung an einer in- oder ausländischen Körperschaft sowie Gewinne aus der Veräußerung solcher Anteile (nachfolgend auch betriebliche Beteiligungseinkünfte), die im Gesamtgewinn (Gesamthands- oder Sonderbetriebsgewinn) der Mitunternehmerschaft enthalten sind, beim Mitunternehmer wieder (anteilig) von der Steuer frei. Diese Steuerfreistellungen sind unmittelbar bei Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der Mitunternehmerschaft zu beachten. Für natürliche Personen als Mitunternehmer ergibt sich dies daraus, dass die Mitunternehmerschaft zwar Einkünfteermittlungssubjekt, die Einkommensteuersubjekte aber die an ihr beteiligten natürlichen Personen sind11. Für Körperschaften als Mitunternehmer wird dies ausdrücklich in § 8b Abs. 6 KStG angeordnet12. Danach werden die betrieblichen Beteiligungseinkünfte bei Mitunternehmern in der Rechtsform einer natürlichen Person nach § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG im Ergebnis zu 40 %, bei Mitunternehmern in der Rechtsform einer Körperschaft nach § 8b Abs. 1 und Abs. 2 KStG im Ausgangspunkt zu 100 % von der Steuer freigestellt. Es handelt sich um sachliche, nicht persönliche Steuerbefreiungen. Denn diese Normen knüpfen an den Besteuerungsgegenstand „betriebliche Beteiligungseinkünfte“, nicht an das jeweilige Steuersubjekt an.
Es gilt daher im Ausgangspunkt das Gleiche wie für gewerbliche Personengesellschaften im Gewerbesteuerrecht. Nach § 7 Satz 4 GewStG sind § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anzuwenden, soweit an der Mitunternehmerschaft natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind; im Übrigen ist § 8b KStG anzuwenden. Danach ist für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags der Gewinn der Personengesellschaft unter Berücksichtigung der Rechtsform des Mitunternehmers -selbst bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften- abschließend „netto“ zu ermitteln13.
Dem in § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO enthaltenen normativen Befehl, die „steuerpflichtigen“ Einkünfte festzustellen, wird aber auch dann entsprochen, wenn nicht der Nettobetrag, sondern zusätzlich die in den festgestellten Einkünften bzw. Einkunftsbestandteilen enthaltenen, unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallenden Einkünfte „brutto“ als „andere Besteuerungsgrundlage“ bindend festgestellt werden. Diese Methode wird im Fachschrifttum auch als sog. modifizierte Bruttomethode bezeichnet14. Bei einstöckigen Mitunternehmerschaften -dort sind natürliche Personen und/oder Kapitalgesellschaften unmittelbar als Mitunternehmer an der Mitunternehmerschaft beteiligt- entspricht diese Vorgehensweise im Ergebnis der sog. Nettomethode. Denn hiermit sind -obwohl im Feststellungsbescheid selbst der Nettobetrag nicht ausdrücklich ausgewiesen wird- alle Faktoren mit Bindungswirkung festgestellt, die zur Ermittlung des Nettobetrags erforderlich sind. Ob § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG oder § 8b KStG anwendbar sind, ergibt sich aus der im Feststellungsverfahren bekannt gewordenen Rechtsform des Mitunternehmers. Damit steht der in den Folgebescheid zu übernehmende Nettobetrag mit Bindungswirkung fest, auch wenn dieser selbst nicht festgestellt ist.
Besonderheiten ergeben sich bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften, an denen natürliche Personen und/oder Körperschaften mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind. In diesem Fall ist dem Feststellungs-Finanzamt aus dem Feststellungsverfahren nur bekannt, dass eine Personengesellschaft als Mitunternehmerin (Obergesellschaft) an der Untergesellschaft unmittelbar beteiligt ist. Die Rechtsform der Obergesellschafter (natürliche Personen, Körperschaften, Personengesellschaften) kennt das Feststellungs-Finanzamt hingegen nicht. Mit Blick auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 ist es nicht zu beanstanden, wenn auch keine diesbezüglichen Ermittlungen aufgenommen werden. Denn in diesem Beschluss hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs -bezogen auf Art und Höhe der Einkünfte eines betrieblich beteiligten Gesellschafters- ausgeführt, dass sich die Feststellungswirkung gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO stets nur auf gemeinschaftlich verwirklichte Tatbestandsmerkmale und nicht auf solche außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung bezieht15. Ein solcher Umstand kann bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften die Rechtsform der an der Obergesellschaft beteiligten Obergesellschafter sein. In diesen Fällen beschränkt sich die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids darauf, dass die Einkünfte entweder unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG oder unter § 8b KStG fallen; der Nettobetrag lässt sich insoweit noch nicht ermitteln.
Weist ein Gewinnfeststellungsbescheid sowohl laufende Einkünfte als auch Veräußerungsgewinne (i.S. des § 16 EStG) aus, ist die dargestellte Bruttofeststellung als „andere Besteuerungsgrundlage“ für jeden dieser Einkunftsbestandteile eigenständig zu treffen. Denn für Veräußerungsgewinne, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG fallen, gelten rechtliche Besonderheiten. Insbesondere ist der dem Teileinkünfteverfahren unterliegende Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht tarifbegünstigt. Zudem ist der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG, über dessen Gewährung das Wohnsitzfinanzamt entscheidet16, zwecks Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 und Abs. 3 EStG tarifbegünstigt zu besteuernden Gewinne im Sinne einer Meistbegünstigung vorrangig mit dem Veräußerungsgewinn zu verrechnen, der dem Teileinkünfteverfahren unterliegt17.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Juli 2019 – IV R 47/16
- dazu im Einzelnen z.B. BFH, Urteil vom 02.10.2018 – IV R 24/15, Rz 22, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 18.07.2012 – X R 28/10, BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 22, zu laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb; vom 10.05.2016 – IX R 4/15, Rz 25, zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften; vom 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFHE 263, 418, Rz 24[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 24; in BFHE 263, 418, Rz 24[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 24[↩]
- BFH, Urteile vom 11.10.2012 – IV R 45/10; vom 28.02.2013 – IV R 49/11, BFHE 240, 333, BStBl II 2013, 802[↩]
- z.B. Tormöhlen/Korn in Korn, § 3 Nr. 40 EStG Rz 3.1, Rz 15; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 3 Nr. 40 EStG Rz 48, m.w.N.; Schmidt/Levedag, EStG, 38. Aufl., § 3 Nr. 40 Rz 135 am Ende; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 3 Rz 97 am Ende; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz 502; HHR/Watermeyer, § 8b KStG Rz 215; Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 180 AO Rz 69b; Seitz, GmbH-Rundschau 2004, 476, 478 f.; so wohl auch Gosch KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 534[↩]
- Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 8b Rz 502; Frotscher in Schwarz/Pahlke, a.a.O., § 180 AO Rz 69b; vgl. auch Tormöhlen/Korn in Korn, § 3 Nr. 40 EStG Rz 3.1[↩]
- Blümich/Erhard, § 3 Nr. 40 Rz 5; Scholten/Griemla/Kinalzik, Finanz-Rundschau -FR- 2010, 259, 264[↩]
- BFH, Beschluss vom 11.04.2005 – GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679[↩]
- Scholten/Griemla/Kinalzik, FR 2010, 259, 264[↩]
- vgl. HHR/Intemann, § 3 Nr. 40 Rz 25; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 8b Rz 486[↩]
- vgl. HHR/Watermeyer, § 8b KStG Rz 202[↩]
- so bereits BFH, Urteil vom 09.08.2006 – I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279, zur Rechtslage vor Einfügung des heutigen § 7 Satz 4 GewStG; Selder in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., § 7 Rz 16 f.; Blümich/Drüen, § 7 GewStG Rz 94[↩]
- vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 180 AO Rz 229a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Rz 56; Herkens, Der GmbH-Steuer-Berater, 2016, 277[↩]
- BFH (GrS), Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.03.b aa[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 26.03.2015 – IV R 3/12, BFHE 249, 233, BStBl II 2016, 553, Rz 22[↩]
- BFH, Urteil vom 14.07.2010 – X R 61/08, BFHE 230, 161, BStBl II 2010, 1011, Rz 14 ff.[↩]
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