Ausschüttungen an den beherrschenden Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH fließen diesem in der Regel auch dann zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu, wenn die Gesellschafterversammlung eine spätere Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs beschlossen hat.

Die Zahlungsfähigkeit der GmbH ist auch dann gegeben, wenn diese zwar mangels eigener Liquidität die von ihr zu erbringende Ausschüttung nicht leisten kann, sie sich als beherrschende Gesellschafterin einer Tochter-GmbH mit hoher Liquidität indes jederzeit bei dieser bedienen kann, um sich selbst die für ihre Ausschüttung erforderlichen Geldmittel zu verschaffen.
Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er über diese wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Bankkonto des Empfängers gutgeschrieben werden. Indes kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Zufluss eines Vermögensvorteils aber nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen; denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen1. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hielt der Gesellschafter 80,98% der Geschäftsanteile der X GmbH und war daher beherrschender Gesellschafter. Sein Zahlungsanspruch gegen die X GmbH aufgrund der von der X GmbH beschlossenen Vorabausschüttung war ‑darüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit- der Höhe nach eindeutig und unbestritten. Darüber hinaus war der Anspruch auch fällig und richtete sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft.
Zwar hatte die Gesellschafterversammlung der X GmbH die Fälligkeit der Vorabausschüttung auf den 21.01.2005 bestimmt. Der Beschluss über die Vorabausschüttung wurde indes bereits im November 2004, d.h. im Streitjahr, von der Gesellschafterversammlung gefasst. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist beim beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als Zeitpunkt des Zuflusses von Gewinnanteilen in der Regel der Zeitpunkt der Beschlussfassung anzusehen und zwar selbst dann, wenn in dem Beschluss über die Ausschüttung ein späterer Fälligkeitszeitpunkt bestimmt war2. Denn der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns entsteht mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns3. Er wird nach Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses sofort fällig, wenn nicht die Satzung der GmbH Vorschriften über Gewinnabhebungen oder Auszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt enthält4. Fehlen nämlich entsprechende Regelungen, hat es ‑worauf das Finanzgericht zu Recht hinweist- der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen. Er kann damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen5.
Im Streitfall enthält die Satzung der X GmbH keine entsprechenden Klauseln. Demgemäß ist dem Gesellschafter die Vorabausschüttung bereits im November 2004, d.h. im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der X GmbH über die Vorabausschüttung, zugeflossen.
Dass durch das Hinausschieben der Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs in das Folgejahr beim beherrschenden Gesellschafter der Zeitpunkt, in dem die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Einkommensteuer entsteht, vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer liegt, ändert daran nichts. Wie der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil in BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223 entschieden hat, wollte der Gesetzgeber ausschließlich für den Bereich der Kapitalertragsteuer in § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG die Fiktion aufstellen, dass die Kapitalerträge an dem Tag zufließen, der im Ausschüttungsbeschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist.
Dass es sich bei der am 5.11.2004 von der X GmbH beschlossenen Ausschüttung nicht um eine (abschließende) Ergebnisverwendung i.S. des § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), sondern lediglich um eine Vorabausschüttung gehandelt hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Vorabausschüttungen auf den zu erwartenden Jahresgewinn stellen vorweggenommene Gewinnausschüttungen während des Geschäftsjahrs oder nach dessen Ende vor Erstellung des Jahresabschlusses bzw. vor Eintritt der sonstigen Voraussetzungen für die endgültige Gewinnverteilung dar und setzen lediglich die begründbare Erwartung eines Gewinns für das laufende Geschäftsjahr voraus6. Der den Zahlungen an die Gesellschafter zugrunde liegende Vorabausschüttungsbeschluss ist ein Gewinnverteilungsbeschluss, welcher die Rechtsgrundlage für die Vorabausschüttung schafft, welche als vorweggenommene Gewinnzahlungen lediglich an den Vorbehalt geknüpft sind, dass nach Ablauf des Wirtschaftsjahres tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist7; auch steht die Vorabausschüttung nicht unter dem Vorbehalt eines weiteren Gewinnverteilungsbeschlusses nach Feststellung des Jahresabschlusses8. Zwar ist eine Vorabausschüttung aufgrund des ihr innewohnenden Vorschusscharakters dadurch auflösend bedingt i.S. des § 158 BGB, dass nach Ablauf des Wirtschaftsjahres tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist. Indes kann ein etwaiger Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB, sofern er tatsächlich entsteht und eingelöst wird, den ursprünglichen Zufluss der Kapitalerträge aus der Vorabausschüttung nicht ungeschehen machen9. Dies gilt selbst dann, wenn im Zeitpunkt des Zuflusses bereits feststeht, dass die Vorabausschüttungen ganz oder teilweise zurückzuzahlen sind, weil z.B. der Gewinnverteilungsbeschluss wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Rechts unwirksam ist10. Denn das „Behaltendürfen“ ist nicht Merkmal des Zuflusses i.S. des § 11 Abs. 1 EStG11.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Finanzgericht, die X GmbH sei im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorabausschüttung nicht zahlungsunfähig gewesen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist Zahlungsunfähigkeit das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen12. Dies wird man regelmäßig nicht annehmen können, solange noch kein Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eingeleitet ist, weil die Gesellschaft (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung) außerstande ist, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen13.
Nach den vorstehend genannten Kriterien war die X GmbH im fraglichen Zeitpunkt zahlungsfähig. Zwar hatte sie mit einem Kassenbestand von ca. 300.000 € nicht die erforderliche Liquidität, den Ausschüttungsanspruch des Gesellschafters zu bedienen. Zu Recht weist das Finanzgericht in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass die X GmbH als beherrschende Gesellschafterin der Y GmbH (Beteiligungsquote 97,5%) ihrerseits Anspruch auf eine Vorabausschüttung von ca. 5 Mio. € hatte. Diese Vorabausschüttung hatte die Gesellschafterversammlung der Y GmbH am 27.09.2004 für das Geschäftsjahr 2004 beschlossen und die Ausschüttung am 21.01.2005 zur Auszahlung fällig gestellt. Da die Y GmbH unstreitig zum fraglichen Zeitpunkt einen Kassenbestand von über 20 Mio. € hatte und insgesamt über eine hervorragende Liquidität verfügte, bestehen an der Zahlungsfähigkeit der Y GmbH keine Zweifel. Zutreffend geht das Finanzgericht deshalb davon aus, dass der Gesellschafter als beherrschender Gesellschafter der X GmbH jederzeit imstande gewesen wäre, die Auszahlung ausreichender liquider Mittel durch die Y GmbH an ihre beherrschende Gesellschafterin, die X GmbH, zeitnah im Streitjahr (2004) zu veranlassen und damit deren sofortige Fähigkeit sicherzustellen, die Vorabausschüttung wie beschlossen zu tätigen. Entgegen der Auffassung des Gesellschafters war die X GmbH daher ohne Einschränkungen zahlungsfähig. Der Bundesfinanzhof kann angesichts dieser Umstände dahingestellt lassen, ob bei einem beherrschenden Gesellschafter ein Zufluss von Gewinnanteilen im Zeitpunkt des Ausschlussbeschlusses auch dann anzunehmen ist, wenn die Kapitalgesellschaft zwar keine ausreichende Liquidität besitzt, die Ausschüttung vorzunehmen, die Ausschüttung aber unter Umständen durch Aufnahme eines Darlehens zu bewerkstelligen wäre.
Der Auffassung, die Annahme des Zuflusses der Vorabausschüttung im Zeitpunkt der Beschlussfassung verstoße gegen Art. 3 GG, weil darin eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung des beherrschenden Gesellschafters gegenüber dem Minderheitsgesellschafter liege, vermag der Bundesfinanzhof nicht zu folgen. Das gilt auch für das Argument, ein Mehrheitsgesellschafter könne einem Alleingesellschafter nicht gleichgestellt werden. Die besondere Bestimmung des Zuflusses gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sowohl für den Alleingesellschafter als auch für den (nur) beherrschenden Gesellschafter beruht darauf, dass der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig allein in der Hand hat, wann und in welchem Umfang er sich geschuldete Beträge auszahlen lässt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Dezember 2014 – VIII R 2/12
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 14.02.1984 – VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 19.07.1994 – VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362; vom 22.07.1997 – VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755; vom 17.11.1998 – VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223; vom 05.10.2004 – VIII R 9/03, BFH/NV 2005, 526, m.w.N.; vom 08.05.2007 – VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249; vom 28.09.2011 – VIII R 10/08, BFHE 235, 361, BStBl II 2012, 315[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223; vom 30.04.1974 – VIII R 123/73, BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.09.1998 – II ZR 172/97, Der Betrieb 1998, 2212[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541; vom 21.10.1981 – I R 230/78, BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139; Scholz/Verse, GmbHG, 11. Aufl., § 29 Rz 79; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 29 Rz 49; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 29 Rz 40[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139[↩]
- Fastrich in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 29 Rz 61, m.w.N.; Scholz/Verse, a.a.O., § 29 Rz 108[↩]
- BFH, Urteile vom 17.02.1993 – I R 21/92, BFH/NV 1994, 83; vom 27.01.1977 – I R 39/75, BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491; Fastrich in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 29 Rz 61[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491[↩]
- BFH, Urteile vom 13.11.1985 – I R 275/82, BFHE 145, 202, BStBl II 1986, 193; vom 01.04.2003 – I R 51/02, BFHE 202, 275, BStBl II 2003, 779; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 20 Rz 23, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 202, 275, BStBl II 2003, 779[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 1994, 83[↩]
- BFH, Urteile in BFH/NV 2005, 526; in BFH/NV 2007, 2249, jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 2249; Haas in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 64 Rz 33a[↩]