Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Gewinnfeststellungsbescheid eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können.

Solche selbständige Regelungen (Feststellungen) sind insbesondere
- die Qualifikation der Einkünfte,
- das Bestehen einer Mitunternehmerschaft,
- die Höhe des Gesamtgewinns,
- des laufenden Gewinns (oder Verlusts) sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer,
- das Vorliegen und die Höhe des von einem Mitunternehmer erzielten Gewinns aus der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils oder
- die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung1.
Eine Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid kann deshalb verschiedene Zielsetzungen haben. Welche Besteuerungsgrundlagen der Kläger mit seiner Klage angreift und damit zum Streitgegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht hat, ist durch Auslegung der Klageschrift oder der darin ausdrücklich in Bezug genommenen Schriftstücke zu ermitteln2.
In der Auslegung prozessualer Willenserklärungen, die im erstinstanzlichen Klageverfahren abgegeben worden sind, ist das Revisionsgericht frei; es ist insoweit nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Auslegung durch die Vorinstanz gebunden3. Prozesserklärungen sind wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig.
Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dabei sind alle dem Finanzgericht und dem Finanzamt bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen4.
Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung4.
Wird danach nur eine der in einem Gewinnfeststellungsbescheid enthaltenen selbständigen Feststellungen mit der Klage angefochten, kann während der Rechtshängigkeit dieser Klage der Streitgegenstand im Wege einer Klageänderung i.S. des § 67 FGO nur dann auf eine weitere selbständige Feststellung erstreckt werden, wenn diese Klageänderung innerhalb der einmonatigen Klagefrist erfolgt5.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16. Juli 2015 – IV B 72/14
- BFH, Urteil vom 06.02.2014 – IV R 19/10, BFHE 244, 379, BStBl II 2014, 522, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 09.02.2011 – IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, Rz 15[↩]
- BFH, Urteile vom 23.02.2012 – IV R 32/09, BFH/NV 2012, 1479; und vom 20.11.2014 – IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532[↩][↩]
- BFH, Urteil in BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764[↩]