Klagebefugnis gegen einen Feststellungsbescheid

§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO, wonach zur Vertretung berufene Geschäftsführer Klage gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erheben können, ist dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erheben kann1.

Klagebefugnis gegen einen Feststellungsbescheid

Darüber hinaus sind im Streitfall die Gesellschafter der GbR auch selbst klagebefugt. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei negativen Feststellungsbescheiden alle Gesellschafter ohne die Beschränkung des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt2. Dies gilt auch dann, wenn wie vorliegend darüber gestritten wird, ob ein negativer oder positiver Feststellungsbescheid vorliegt.

Nach § 179 Abs. 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an ihnen mehrere Personen beteiligt und sie diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Ein hiernach erlassener Feststellungsbescheid ist, soweit die dort getroffenen Feststellungen für die Besteuerung eines Beteiligten von Bedeutung sind, für die den Beteiligen betreffenden Steuerbescheide bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO).

Werden gesondert (und einheitlich) festzustellende Besteuerungsgrundlagen tatsächlich festgestellt, liegt ein positiver Feststellungsbescheid vor.

Sind die Voraussetzungen für eine beantragte gesonderte und einheitliche Feststellung nicht erfüllt, ist ein negativer Feststellungsbescheid zu erlassen (Ablehnungsbescheid i.S. des § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO).

Durch einen isolierten negativen Feststellungsbescheid lehnt die Finanzbehörde den Erlass des beantragten positiven Feststellungsbescheids ab und trifft zugleich im Verfügungssatz eine entsprechende negative Feststellung mit -materieller- Bindungswirkung für einen Folgebescheid. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn nach Ansicht der Finanzbehörde keine gemeinschaftliche Einkünfteerzielung stattfindet, weil es an der Gewinnerzielungsabsicht fehlt3.

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Ein einen anteiligen Gewinn von 0 EUR feststellender Bescheid kann im Einzelfall ein positiver oder aber auch ein negativer Gewinnfeststellungsbescheid sein. Der Regelungsgehalt ist im Wege der Auslegung zu ermitteln4.

Auch Verwaltungsakte sind der Auslegung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 133 BGB.

Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der objektive Erklärungsinhalt der Regelung maßgeblich, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifelsfalle ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen; denn der Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung darf durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden. Lässt der Tenor der Verwaltungsentscheidung Raum zu Zweifeln, so sind zum Zwecke der Auslegung auch die Gründe heranzuziehen5.

Nach diesen Grundsäthen sah der Bundesfinanzhof im hier entschiedenen Fall den streitigen Feststellungsbescheid als einen negativen Feststellungsbescheid an:

Vorliegend hat das Finanzamt die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit mit 0 EUR festgestellt. Ein derartiger Bescheid kann zwar besagen, dass die Klägerin im Jahr der Feststellung als freiberufliche Mitunternehmerschaft i.S. des § 18 Abs. 4 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG tätig war und sich Betriebseinnahmen und -ausgaben ausgeglichen haben. Durch Feststellung des Bestehens der Mitunternehmerschaft wäre zugleich festgestellt, dass die Klägerin mit der hierfür nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat. Dann würde es sich um einen positiven Feststellungsbescheid handeln, dessen einzelne Feststellungen (insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns) auch einzeln in Bestandskraft erwachsen können6.

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Vorliegend beabsichtigte das Finanzamt jedoch, einen negativen Feststellungsbescheid zu erlassen, da nach seiner Auffassung die Klägerin mangels Gewinnerzielungsabsicht eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei betrieb. Es hätte zwar zu diesem Zwecke den in der Feststellungerklärung enthaltenen Antrag auf Erlass des Feststellungsbescheids ablehnen sollen (§ 181 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO). Durch diesen Bescheid wäre mit verbindlicher Wirkung für die Folgebescheide festgestellt worden, dass die Kläger aus dem Rechtsverhältnis keine gemeinschaftlichen Einkünfte erzielt haben7.

Im Wege der Auslegung lässt sich dieser Regelungsgehalt jedoch auch aus der Feststellung eines Gewinns von 0 €, der den Klägern in dieser Höhe zugerechnet wurde, ermitteln. Denn in den Erläuterungen des Feststellungsbescheids wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Verluste nicht mehr berücksichtigt werden, da die Klägerin eine Gewinnerzielungsabsicht nicht nachgewiesen habe. Zusätzlich wurde hinsichtlich der Abweichung von der Feststellungserklärung auf das Schreiben vom 17.10.2006 verwiesen, in welchem das Finanzamt die Kläger zum Vorliegen einer Liebhaberei angehört und angekündigt hatte, die Verluste nicht mehr anzuerkennen.

Es erscheint dagegen fernliegend, dass das Finanzamt einen Gewinn genau in der Höhe von 0 EUR feststellen wollte. Denn die Klägerin selbst hatte einen Verlust erklärt, der einen Saldo von verschiedenen Posten darstellte, so dass nicht erkennbar ist, wie das Finanzamt Einkünfte von genau 0 EUR hätte ermitteln sollen, zumal dies auch im Vorfeld der Veranlagung nicht angesprochen worden war8. Auch in der Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt ausschließlich die fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin erläutert.

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Dass letztlich auch die Kläger den Feststellungsbescheid als negativen Feststellungsbescheid verstanden haben, ergibt sich aus ihrem Vortrag im Einspruchsverfahren und im Klageverfahren, der die Gewinnerzielungsabsicht belegen sollte.

Soweit die Kläger nunmehr vortragen, sie hätten den Feststellungsbescheid nur hinsichtlich der Höhe der festgestellten Einkünfte anfechten wollen und die übrigen Feststellungen seien in Bestandskraft erwachsen, mag dies insoweit zutreffen, als sie in der Sache die Anerkennung des erklärten Verlusts begehrt haben. Die hierzu gemachten Ausführungen lassen jedoch erkennen, dass auch sie davon ausgingen, das Finanzamt habe in dem Feststellungsbescheid bereits die Gewinnerzielungsabsicht verneint und nicht etwa den Verlust mangels Nachweises einzelner oder aller Betriebsausgaben nicht anerkannt.

Ob darüber hinaus nach § 128 AO eine Umdeutung eines (positiven) auf 0 EUR lautenden Feststellungsbescheids in einen negativen Feststellungsbescheid in Frage kommt, kann dahinstehen, weil sich der angefochtene Bescheid schon nach der gebotenen Auslegung als negativer Feststellungsbescheid darstellt.

Die Auslegung eines Verwaltungsaktes durch das Finanzgericht ist revisionsrechtlich überprüfbar. Sie ist keine Tat, sondern eine Rechtsfrage9.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. November 2014 – VIII R 37/11

  1. BFH, Urteil vom 27.05.2004 – IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 04.11.2003 – VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372, m.w.N.[]
  3. vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 179 AO Rz 115[]
  4. BFH, Urteile vom 18.11.1997 – VIII R 65/95, BFH/NV 1998, 573; vom 07.10.1986 – IX R 16/86, BFH/NV 1987, 141; vom 28.11.1985 – IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293[]
  5. BFH, Urteile in BFH/NV 1998, 573; vom 16.06.2011 – IV R 11/08, BFHE 234, 353, BStBl II 2011, 903[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 01.07.2010 – IV R 34/07, BFH/NV 2010, 2246[]
  7. BFH, Vorlagebeschluss vom 17.01.1985 – IV B 65/84, BFHE 143, 10, BStBl II 1985, 299; BFH, Urteil in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293[]
  8. vgl. hierzu auch BFH, Urteil in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293[]
  9. BFH, Urteile vom 08.11.2005 – VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253; vom 12.06.1997 – I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660[]
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