Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die zugrundeliegenden Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind. Für die Zurechnung eines solchen Mehrgewinns bei diesem Mitunternehmer ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung unerheblich, ob der Mitunternehmerschaft aufgrund der unrechtmäßigen Verausgabung der Gesellschaftsmittel ein Ersatzanspruch zusteht, der im Gewinnermittlungszeitraum der Verausgabung uneinbringlich oder wertlos ist.

Bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG genügt es für eine vom allgemeinen Verteilungsschlüssel abweichende Zurechnung, dass die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind. Es ist nicht zusätzlich erforderlich, dass ein eventuell bestehender Ersatzanspruch der GbR gegen diesen Mitunternehmer im Jahr der Gewinnentstehunguneinbringlich oder wertlos ist.
Der für die Verteilung der Einkünfte maßgebliche allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel einer Mitunternehmerschaft ergibt sich entweder aus dem Gesetz oder aus den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen1. Haben zu Unrecht als Betriebsausgaben abgezogene Ausgaben nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zunächst sämtliche Gesellschafter entlastet, muss ein Mehrgewinn aus der späteren Nichtanerkennung und Korrektur des Betriebsausgabenabzugs grundsätzlich nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel auf alle Gesellschafter verteilt werden. Die Rückabwicklung des ungerechtfertigten steuermindernden Abzugs ist so vorzunehmen, dass die geltend gemachten Ausgaben im Ergebnis bei keinem der Gesellschafter in irgendeiner Form steuermindernd berücksichtigt werden2.
Abweichend von den vorstehenden Grundsätzen können bei Personengesellschaften, die den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, Einnahmen und Mehrgewinne aus der Korrektur eines ungerechtfertigten Betriebsausgabenabzugs allein demjenigen Mitunternehmer zuzurechnen sein, dem die Einnahmen und Aufwendungen ausschließlich zugutegekommen sind. Wenn ein Mitunternehmer der Gesellschaft zustehende Einnahmen gesellschaftsvertragswidrig auf ein eigenes Konto umleitet, sind diese Einnahmen nur diesem Gesellschafter als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen. Mehrgewinne aus der Korrektur von zu Unrecht als Betriebsausgaben behandelten Aufwendungen, die nur einem Mitunternehmer zugutegekommen sind, sind ebenfalls nur demjenigen Mitunternehmer zuzurechnen, dem sie ausschließlich zugutegekommen sind. Die Besteuerung hat sich in diesen Fällen danach zu richten, was im Gewinnermittlungszeitraum der Einnahmenerzielung und -verkürzung einstweilen tatsächlich geschehen ist. Kein Steuerpflichtiger hat ein Einkommen zu versteuern, das tatsächlich einem anderen zugeflossen ist3.
Für eine solche vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung ist bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg4 nicht zusätzlich erforderlich, dass im Gewinnermittlungszeitraum der Vereinnahmung oder Verausgabung (hier: 2009) ein uneinbringlicher oder wertloser Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen denjenigen Mitunternehmer vorliegt, dem die verkürzten Einnahmen oder Ausgaben ausschließlich zugutegekommen sind.
war kann mit einer Sonderbetriebseinnahme des die Einnahmen gesellschaftsvertragswidrig verkürzenden Mitunternehmers ein Ersatzanspruch der Mitunternehmerschaft gegen diesen Mitunternehmer korrespondieren. Dessen Durchsetzbarkeit und Werthaltigkeit beeinflusst bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG jedoch die vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung der verkürzten Einnahmen als Sonderbetriebseinnahmen bei diesem Mitunternehmer nicht. Der Ersatzanspruch der Gesellschaft ist nur von Bedeutung, wenn er im Jahr der Einnahmenerzielung auf der Gesamthandsebene zu aktivieren ist (ggf. ist dann in der Sonderbilanz des schädigenden Mitunternehmers auch eine Ausgleichsverpflichtung zu passivieren). Bei einer Gesellschaft, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, sind die Aktivierung des Anspruchs und die Passivierung aufgrund der Art der Gewinnermittlung jedoch von vornherein ausgeschlossen. Ein Gewinn bei der Gesellschaft (oder eine Sonderbetriebsausgabe des schädigenden Mitunternehmers) kann erst entstehen, wenn der Ersatzanspruch der Mitunternehmerschaft (oder nach deren Beendigung ein Auseinandersetzungsanspruch eines Mitunternehmers) vom Schädiger befriedigt wird5. Wird der Ersatzanspruch im Jahr der Einnahmenerzielung nicht befriedigt, sind die gesellschaftsvertragswidrig verkürzten Einnahmen demjenigen Mitunternehmer als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen, dem sie ausschließlich zugutegekommen sind. Die Besteuerung richtet sich danach, dass einstweilen nur die gesellschaftsvertragswidrige Verkürzung von Einnahmen und deren Zufluss beim Schädiger feststehen, und dass kein Steuerpflichtiger ein Einkommen zu versteuern hat, das tatsächlich einem anderen zugeflossen ist.
Dies gilt entsprechend für die Zurechnung eines Mehrgewinns, der auf Ebene der Mitunternehmerschaft aufgrund der Korrektur zu Unrecht geltend gemachter Betriebsausgaben entsteht, die auf nicht betrieblich veranlassten Ausgaben beruhen, welche ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind. Auch insoweit hängt die vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG nicht davon ab, dass im Jahr der Verausgabung ein uneinbringlicher oder wertloser Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen den begünstigten Mitunternehmer vorliegt. Wird ein Ersatzanspruch der Gesellschaft in diesem Gewinnermittlungszeitraum nicht erfüllt, hat sich die Besteuerung danach zu richten, was einstweilen tatsächlich geschehen ist, und dass kein Steuerpflichtiger ein Einkommen zu versteuern hat, das tatsächlich einem anderen zugeflossen ist. Der als Teil des laufenden Gesamthandsgewinns zu erfassende Mehrgewinn ist demjenigen Mitunternehmer zuzurechnen, dem die von der Gesellschaft getragenen Ausgaben ausschließlich zugutegekommen sind. Ein etwaiger Ersatzanspruch der Gesellschaft ist nicht zu berücksichtigen, bis er erfüllt wird.
Dem stehen auch die Ausführungen in dem Beschluss des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2000, 29 nicht entgegen, der eine Personengesellschaft betraf, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte6. Zwar hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in diesem Beschluss, der eine Nichtzulassungsbeschwerde betraf, formuliert: „Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Mehrgewinne ausschließlich einem Gesellschafter zugute gekommen sind, weder die Gesellschaft noch die anderen Gesellschafter in der Lage sind, etwa bestehende Erstattungsansprüche gegen den Mitunternehmer durchzusetzen, z.B. wegen dessen Vermögenslosigkeit, und -bei zwischenzeitlicher Auflösung und Beendigung der Gesellschaft- ein wegen der Mehrgewinne etwa bestehender erhöhter Auseinandersetzungsanspruch der anderen (früheren) Gesellschafter nicht mehr durchgesetzt werden kann.“ Selbst wenn der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in dieser Entscheidung davon ausgegangen sein sollte, die fehlende Durchsetzbarkeit oder Wertlosigkeit eines bestehenden Ersatzanspruchs der Gesellschaft sei eine zusätzliche Voraussetzung für die ausnahmsweise alleinige Zurechnung gesellschaftsvertragswidrig verkürzter Einnahmen oder von Mehrgewinnen aus einem ungerechtfertigten Betriebsausgabenabzug7, ist diese Aussage durch die Ausführungen in dem danach ergangenen Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 194, 151, BStBl II 2001, 238 überholt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. September 2022 – VIII R 6/19
- vgl. BFH, Urteil vom 16.09.2014 – VIII R 21/11, BFH/NV 2015, 191, Rz 28, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 26.10.1983 – I R 62/79 unter 2.a[↩]
- BFH, Urteil vom 14.12.2000 – IV R 16/00, BFHE 194, 151, BStBl II 2001, 238 [Rz 17], und BFH, Beschluss vom 23.06.1999 – IV B 13/99, BFH/NV 2000, 29, unter 2. [Rz 6], jeweils mit einer Bezugnahme auf die BFH, Urteile vom 01.08.1968 – IV R 177/66, BFHE 93, 239, BStBl II 1968, 740; und vom 02.08.1968 – VI R 219/67, BFHE 93, 218, BStBl II 1968, 746[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.04.2018 – 13 K 13227/16, EFG 2019, 1176[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 194, 151, BStBl II 2001, 238, unter 2.c [Rz 25][↩]
- vgl. zur Gewinnermittlungsart in jenem Streitfall das dort angefochtene Urteil: FG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.1998 – 13 K 2842/93 F unter 1. [Rz 40][↩]
- so die hier angefochtene Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg in EFG 2019, 1176; sowie FG Baden-Württemberg. Urteil vom 28.04.2015 – 8 K 1961/14, Rz 23 ff. [das betreffende Revisionsverfahren – VIII R 47/15 wurde aus dem Verfahrensregister des Bundesfinanzhofs gelöscht]; und Thüringer FG, Urteil vom 23.02.2016 – 2 K 16/13, EFG 2016, 706, Rz 13 ff.[↩]
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