Nachträgliche Anschaffungskosten – durch das in der Krise stehengelassene Darlehen

Ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten. Der bei § 17 EStG nicht abziehbare Verlust aus dem Ausfall eines stehen gelassenen Gesellschafterdarlehens wird nicht bei § 20 EStG berücksichtigt, wenn der Darlehensverlust vor dem 31.12.2008 eingetreten ist.

Nachträgliche Anschaffungskosten – durch das in der Krise stehengelassene Darlehen

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter den dort genannten Voraussetzungen der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften. Steuerbar ist auch ein aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehender Verlust1. Auflösungsverlust im Sinne von § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen (persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen2. Anschaffungskosten sind auch die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Als nachträgliche Anschaffungskosten waren nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unter anderem vor der Krise durch einen Gesellschafter gewährte und in der Krise der Gesellschaft stehen gelassene Darlehen mit ihrem im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegenden Wert zu berücksichtigen3. Der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust fiel in der4 privaten Vermögenssphäre an5.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.07.20176 ist mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.20087 die gesetzliche Grundlage für diese bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen. Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind allerdings weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils (27.09.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.

Mit dem durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (WElektroMobFördG) vom 12.12.20198 eingeführten § 17 Abs. 2a EStG hat der Gesetzgeber erstmals eine gesetzliche Grundlage für die im Rahmen der Einkünfteermittlung des § 17 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten geschaffen. Nach § 17 Abs. 2a Satz 1 EStG sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um die Anteile im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG zu erwerben. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a Satz 2 EStG). Zu den nachträglichen Anschaffungskosten in diesem Sinne gehören gemäß § 17 Abs. 2a Satz 3 EStG insbesondere offene oder verdeckte Einlagen (Nr. 1), Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war (Nr. 2), und Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war (Nr. 3). Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel im Sinne des § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 oder 3 EStG bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte (§ 17 Abs. 2a Satz 4 EStG). Gemäß § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG ist die Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG erstmals für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.07.2019 anzuwenden. Nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG ist § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen, aber auch für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG vor dem 31.07.2019 anzuwenden.

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Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG, insbesondere hinsichtlich stehen gelassener Darlehen, gelten hinsichtlich derer Bewertung nach der Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG durch das WElektroMobFördG fort9.

Der Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen. § 17 Abs. 2a EStG enthält keine Regelung zur Bewertung der nachträglichen Anschaffungskosten10. Die in § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG verwendete Formulierung „soweit“ verdeutlicht, dass Darlehensverluste nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, wie sie gesellschaftsrechtlich veranlasst sind11.

Für eine Anwendung der Grundsätze zur Bewertung nachträglicher Anschaffungskosten entsprechend der gesetzlich überholten Rechtsprechung auf § 17 Abs. 2a EStG spricht zudem der aus den Gesetzesmaterialien erkennbar werdende Wille des Gesetzgebers12.

Durch die Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG wollte der Gesetzgeber an die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG anknüpfen und deren Aufgabe rückgängig machen. Nach dem Regierungsentwurf zum Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 09.08.201913 sollte die Berücksichtigung von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG, wenn bereits die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen bei einer Krise der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war, sicherstellen, dass in der Krise aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung gewährte oder stehen gelassene Darlehen -abweichend von den BFH, Urteilen vom 11.07.2017 – IX R 36/1514; und vom 20.07.2018 – IX R 5/1515- auch dann steuermindernd berücksichtigt werden, wenn das Darlehen nach den Grundsätzen des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen zu behandeln ist13. Indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften nach § 17 EStG entsprechend der überholten Rechtsprechungsgrundsätze geregelt hat, hat er die Nichtanwendung der Aufgabe dieser Rechtsprechung kodifiziert16 und damit zum Ausdruck gebracht, dass er sich die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung zu Eigen machen wollte.

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Dies kommt auch in den Empfehlungen der Ausschüsse an den Bundesrat vom 28.09.2020 zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2020 zum Ausdruck, wonach die Rückkehr zur überholten Rechtsprechung mit der Einführung von § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG kritisch gesehen werde17.

Zwar ist zuzugeben, dass die Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG jedenfalls nach dem Regierungsentwurf auch dazu dienen sollte, eine steuerliche Berücksichtigung von Darlehensverlusten zu gewährleisten, da der Darlehensausfall ab dem Veranlagungszeitraum 2020 nicht mehr § 20 Abs. 2 EStG unterfallen sollte13. Die noch im Regierungsentwurf vorgesehene Änderung von § 20 Abs. 2 EStG ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahren18 jedoch entfallen. Das Festhalten an der Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG belegt, dass der Gesetzgeber bestimmte Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten abweichend von den BFH-Urteilen vom 11.07.2017 und vom 20.07.201819 entsprechend den bis dahin gültigen Rechtsprechungsgrundsätzen berücksichtigt wissen wollte.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zur Anwendungsvorschrift in § 52 Abs. 25a EStG. Nach dem Regierungsentwurf soll die antragsabhängige rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG sicherstellen, dass der Steuerpflichtige Darlehensverluste weiterhin unbeschränkt nach § 17 EStG gewinnmindernd berücksichtigen kann und diese bei einer Beteiligung von unter 10 % nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen in einem gesonderten Verlustverrechnungskreis „eingesperrt“ werden20. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung zur Bewertung von Aufwendungen für eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen habe aufgeben wollen, sind der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen.

Auch der Sinn und Zweck sprechen für eine Anwendung der Grundsätze zur Bewertung nachträglicher Anschaffungskosten entsprechend der bisherigen Rechtsgrundsätze.

Sowohl die Finanzierungsfreiheit als auch das objektive Nettoprinzip gebieten nichts Gegenteiliges21.

§ 17 Abs. 2a Satz 3 EStG dient der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips und der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter, indem die Vorschrift nach dem Vorgesagten eine steuermindernde Berücksichtigung bestimmter Darlehensverluste in Abweichung von den BFH-Urteilen vom 11.07.2017 und vom 20.07.201819 und in Anknüpfung an die bis dahin gültigen Rechtsprechungsgrundsätze als nachträgliche Anschaffungskosten bei Verlusten aus gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehen gewährleistet22.

Das (objektive) Nettoprinzip wird durch den Grundsatz eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Das Einkommensteuerrecht respektiert ferner die Entscheidung der Gesellschafter, der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu stellen23. Diese Freiheit ist jedoch nur tangiert, sofern die zur Verfügungstellung von Kapital der Finanzierung der Gesellschaft dient.

Sowohl das objektive Nettoprinzip als auch die Finanzierungsfreiheit setzen mithin für eine Berücksichtigung eines Darlehensverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG einen Veranlassungszusammenhang zwischen der Beteiligung und den Aufwendungen voraus. Dieser ist in dem Erfordernis einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2a Satz 4 EStG festgeschrieben. Eine solche Veranlassung besteht bei stehen gelassenen Darlehen jedoch nur in Höhe ihres Teilwerts bei Eintritt in die Krise. Bei einem stehen gelassenen Darlehen fehlt es zunächst an einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Vielmehr tritt diese erst ein, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei Eintritt in die Krise zurückgefordert hätte (§ 17 Abs. 2a Satz 4 EStG)24. Daher liegt auch nur in Höhe des Teilwerts des Darlehens zu diesem Zeitpunkt die für eine steuermindernde Berücksichtigung erforderliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor.

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Ferner sollten  durch die Möglichkeit der rückwirkenden Anwendung von § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG die Grundsätze der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG nicht „überschrieben“ werden. Vielmehr soll hiermit -wie oben dargelegt- sichergestellt werden, dass eine gewinnmindernde Berücksichtigung von Darlehensverlusten bei § 17 EStG nach den ursprünglichen, von der Bundesfinanzhofsrechtsprechung aufgestellten Grundsätzen bis zur Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG durch das WElektroMobFördG mit Wirkung zum 01.01.2020 (Art. 39 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 10 WElektroMobFördG) möglich ist und diese bei Beteiligungen von unter 10 % nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen in einem gesonderten Verlustverrechnungskreis „eingesperrt“ werden20.

Schließlich sprechen systematische Erwägungen für die Beibehaltung der bisherigen Bewertungsgrundsätze.

Auch die für eine Berücksichtigung eines Darlehensverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG erforderliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung stellt nach Satz 4 der Vorschrift auf den Moment des Eintritts der Krise ab. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt hiernach regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel im Sinne von § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 und 3 EStG bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte. Diese Differenzierung kommt auch durch die Verwendung des Begriffs „soweit“ in § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG zum Ausdruck. Indem § 17 Abs. 2a Satz 4 EStG die gesellschaftsrechtliche Veranlassung regelt, sind die Wertungen dieser Vorschrift auch auf § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG, der sich zwar der Begrifflichkeit der „gesellschaftsrechtlichen Veranlassung“ bedient, diese aber nicht selbst definiert, anzuwenden. Es wäre widersprüchlich, für die gesellschaftliche Veranlassung als tatbestandliches Merkmal für eine steuerliche Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten auf den Moment des Eintritts der Krise, auf Rechtsfolgenebene für die Bewertung jedoch auf den Zeitpunkt der jeweiligen Darlehensvereinbarung durch die Berücksichtigung des Nennbetrags abzustellen25. Im Übrigen lässt der offene Wortlaut von § 17 Abs. 2a Satz 4 EStG („liegt regelmäßig vor“) eine abweichende Würdigung für noch vor der Krise gewährte, aber für diese bestimmte Darlehen sowie Finanzplandarlehen entsprechend der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG zu.

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Aus dem Verhältnis zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ergibt sich nichts anderes. Zwar sind Darlehensverluste nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG in Höhe des Nennwerts des Darlehens steuerlich zu berücksichtigen. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG findet nach der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 1 EStG jedoch keine Anwendung auf Erträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (a.F.), aber keine Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. waren. Diese durch das Rückwirkungsverbot zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung zur zeitlichen Berücksichtigung von Erträgen aus Kapitalforderungen bei den Einkünften aus § 20 EStG kann nicht durch einen Ansatz des Nennwerts anstelle des Teilwerts bei Eintritt der Krise bei stehen gelassenen Darlehen bei den Einkünften aus § 17 EStG umgangen werden. Im Übrigen ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG im Anwendungsbereich des § 17 EStG nicht verdrängt und kann zu einer anderen Auslegung herangezogen werden. Auch im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG bei einem Ansatz mit dem Teilwert kann der Darlehensausfall in Höhe des nicht werthaltigen Teils bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden. § 20 Abs. 8 EStG steht dem nicht entgegen26.

Die Rechtsprechung zur Bewertung von Einlagen wertgeminderter Gesellschafterdarlehen aus dem Privat- in ein Betriebsvermögen ist nicht auf die hier streitige Frage der Bewertung nachträglicher Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a Satz 3 EStG zu übertragen. Nach dem BFH-Urteil vom 29.11.201727 hat die Einlage wertgeminderter Darlehensforderungen in Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG mit dem Wert zu erfolgen, mit dem die Forderung in den Fällen des § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen wäre. Dieser Rechtssatz gibt aber keine Antwort auf die Frage, in welcher Höhe nachträgliche Anschaffungskosten angefallen sind. Im Übrigen lässt sich die Wertung der Rechtsprechung zur Bewertung von Einlagen wertgeminderter Gesellschafterdarlehen aus dem Privat- in ein Betriebsvermögen aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragen. In den der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde liegenden Konstellationen erfolgt ein Wechsel der Zugehörigkeit. Aufgrund der Einlage aus dem Privat- in das Betriebsvermögen unterliegt das wertgeminderte Gesellschafterdarlehen nicht mehr der Besteuerung nach § 20 EStG, sondern nach § 15 EStG. Anders ist dies jedoch im vorliegenden Fall. Das Darlehen bleibt Privatvermögen, ein Wechsel der Zugehörigkeit findet nicht statt. Soweit der Darlehensverlust nicht bei § 17 EStG berücksichtigt werden kann, kommt eine Berücksichtigung bei § 20 EStG in Betracht.

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Soweit § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG Vorgänge, die den Begriff der Veräußerung nicht erfüllen (Einlösung, Rückzahlung, Abtretung, verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft, Vereinnahmung eines Auseinandersetzungsguthabens), fiktiv einer Veräußerung gleichstellt, ist die Vorschrift nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.200728 neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist29.

Nach der durch Art. 1 Nr. 16 UntStRefG 2008 neu eingeführten Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Diese Regelung bestimmt, dass zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art gehören, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt – und zwar ohne Rücksicht auf die Bezeichnung und die zivilrechtliche Ausgestaltung der Kapitalanlage.

Nach § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden. Für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F., aber nicht Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sogenannte Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 nicht anzuwenden (§ 52 Abs. 28 Satz 16 EStG; s.a. BFH, Urteil vom 14.01.2020 – IX R 9/18, BFHE 268, 61, BStBl II 2020, 490, Rz 15 f., m.w.N.).

Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Juli 2023 – IX R 21/21

  1. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 20.08.2013 – IX R 1/13, Rz 13, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 04.03.2008 – IX R 80/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577, unter II.a[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 10.11.1998 – VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter II. 3.b; vom 26.01.1999 – VIII R 50/98, BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559, unter II. 2.d; und vom 06.07.1999 – VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, unter II. 2.c; BFH, Beschluss vom 15.05.2006 – VIII B 186/04, unter II. 2.b[]
  4. steuerlich unbeachtlichen[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 06.07.1999 – VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, unter II. 2.c[]
  6. BFH, Urteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208[]
  7. BGBl I 2008, 2026[]
  8. BGBl I 2019, 2451[]
  9. so im Ergebnis auch Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR, § 17 EStG Rz J20-1 und J20-4; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 17 Rz 99c und 99cb; Oellerich in Bordewin/Brandt, § 17 EStG Rz 267; BeckOK EStG/Trossen, 16. Ed. [01.07.2023], EStG § 17 Rz 520; Trossen, GmbH-Steuerberater 2019, 105, 106; Krumm, Finanz-Rundschau -FR- 2020, 197, 202; Werth, FR 2020, 530, 537; Jachmann-Michel, Betriebs-Berater -BB- 2020, 727, 733 f.; Graw, Der Betrieb -DB- 2020, 690, 694; Kubik/Münch, BB 2020, 1003, 1004; Weber-Grellet, DB 2021, 81, 86; BMF, Schreiben vom 07.06.2022, BStBl I 2022, 897, Rz 17; wohl auch Förster, DB 2018, 336, 341; Ott, Deutsche Steuer-Zeitung 2019, 648, 651; Fuhrmann, Kölner Steuerdialog -KÖSDI- 2019, 21434, 21440; Fuhrmann, Neue Wirtschafts-Briefe -NWB- 2020, 150, 154; Rund/Junkers, GmbH-Rundschau -GmbHR- 2020, 355, 359; Förster/von Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355 f.; a.A. Demuth, KÖSDI 2020, 21771, 21777; Levedag, GmbHR 2021, 14, 19 f.; Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 17 Rz 189; Ott, Deutsches Steuerrecht 2020, 313, 317; Ott, Steuern und Bilanzen -StuB- 2020, 85, 90; Karrenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 17 Rz 281f, wonach jeweils ein stehen gelassenes Darlehen mit dem Nennwert zu berücksichtigen sei[]
  10. Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 17 Rz 189; Krumm, FR 2020, 197, 202; Ott, StuB 2020, 85, 90[]
  11. so wohl auch Fuhrmann, NWB 2020, 150, 154[]
  12. so im Ergebnis auch Förster/von Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355 f.[]
  13. BR-Drs. 356/19, S. 122[][][]
  14. BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208[]
  15. BFHE 262, 135, BStBl II 2019, 194[]
  16. so wohl auch HHR/Schmidt, § 17 EStG Rz J20-1 und J20-4[]
  17. BR-Drs. 503/1/20, S.20[]
  18. vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 06.11.2019, BT-Drs.19/14873, S. 32[]
  19. BFH, Urteile vom 11.07.2017 – IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208; und vom 20.07.2018 – IX R 5/15, BFHE 262, 135, BStBl II 2019, 194[][]
  20. BR-Drs. 356/19, S. 134[][]
  21. a.A. zur Finanzierungsfreiheit Karrenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 17 Rz 281f[]
  22. vgl. BR-Drs. 356/19, S. 122[]
  23. BFH, Urteil vom 20.08.2013 – IX R 43/12, Rz 10[]
  24. BFH, Urteil vom 04.11.1997 – VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, unter 2.b[]
  25. so im Ergebnis auch Weber-Grellet, DB 2021, 81, 86; kritisch Levedag, GmbHR 2021, 14, 19[]
  26. BFH, Urteil vom 20.06.2023 – IX R 2/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt[]
  27. BFH, Urteil vom 29.11.2017 – X R 8/16, BFHE 260, 224, BStBl II 2018, 426, Rz 68[]
  28. BGBl I 2007, 1912[]
  29. BFH, Urteil vom 14.01.2020 – IX R 9/18, BFHE 268, 61, BStBl II 2020, 490, Rz 17, m.w.N.[]
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