Nachträgliche Inanspruchnahme aus Gesellschafterbürgschaft als Auflösungsverlust

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG i.d.F. des Streitjahres gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der -regelmäßig bei Abschluss der Liquidation entstehende- Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehende Verluste1.

Nachträgliche  Inanspruchnahme aus Gesellschafterbürgschaft als Auflösungsverlust

Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 1, 2, 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen (persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen2. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch nachträgliche Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind3.

Als in den Verlust einzubeziehende nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung kommen -bezogen auf den Streitfall- Leistungen des GmbH-Gesellschafters aus einer für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung in Betracht, wenn die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft wertlos ist4. Die Anschaffungskosten erhöhen sich um den Nennwert der wertlos gewordenen Rückgriffsforderung, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits in der Krise war5. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung -insbesondere eine Bürgschaft- ausführt6.

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Ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, hat das Finanzgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls als Tatfrage zu entscheiden7.

Der Bundesfinanzhof, der mit der Kategorie des funktionalen Eigenkapitals gegenüber der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eigenständige Kriterien entwickelt hat, welche die primär am Gläubigerschutz orientierten zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzregeln als nicht allein ausschlaggebend ansieht8, setzt sich damit nicht in Widerspruch zur älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, nach der es für die Annahme der Kreditunwürdigkeit einer Gesellschaft der Feststellung bedürfe, dass der Kredit außer von der finanzierenden Bank allgemein auf dem Kapitalmarkt nicht zu erlangen war9. Unbeschadet des Umstandes, dass der Bundesgerichtshof dieser Feststellung keine absolute Bedeutung im Sinne einer notwendigen Bedingung beigemessen hat, hat er in jüngeren Entscheidungen nicht an diesem Kriterium festgehalten10.

Die Aufwendungen unterliegen nicht dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG. Der Abzug von Erwerbsaufwand, insbesondere von (nachträglichen) Anschaffungskosten, ist im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus § 17 Abs. 1 und 4 EStG dann nicht gemäß § 3c Abs. 2 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige -wie im Streitfall- keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt hat11.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. August 2013 – IX R 1/13

  1. BFH, Urteil vom 07.12 2010 – IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778, m.w.N.; zur zeitlichen Zuordnung vgl. auch BFH, Urteil vom 28.10.2008 – IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561, m.w.N.[]
  2. s. BFH, Urteile vom 03.06.1993 – VIII R 23/92, BFH/NV 1994, 459; vom 12.12 2000 – VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385[]
  3. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 08.02.2011 – IX R 53/10, GmbH-Rundschau 2011, 721, und in BFH/NV 2011, 778, m.w.N.[]
  4. zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. BFH, Urteil vom 04.03.2008 – IX R 80/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577[]
  5. vgl. u.a. BFH, Urteil vom 26.01.1999 – VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922[]
  6. BFH, Urteil vom 06.07.1999 – VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817[]
  7. BFH, Urteil vom 09.10.2008 – IX R 60/05, BFH/NV 2009, 896[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 19.08.2008 – IX R 63/05, BFHE 222, 474[]
  9. BGH, Urteil vom 28.09.1987 – II ZR 28/87, NJW 1988, 824; vgl. auch BGH, Urteil vom 27.11.1989 – II ZR 310/88, NJW-RR 1990, 230[]
  10. vgl. BGH, Urteile vom 04.12 1995 – II ZR 281/94, NJW 1996, 720; in dem trotz vergleichbarer Fallgestaltung zur Bestimmung der Krise ausschließlich auf andere Kriterien abgestellt wurde[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 06.04.2011 – IX R 28/10, BFHE 233, 439, BStBl II 2011, 814[]
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