Notwendige Beiladung – und die fehlende eigene Beschwer

Eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ist ausgeschlossen, wenn dem Gesellschafter, der zum Kreis der Klagebefugten i.S. des § 48 FGO gehört, die eigene Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO fehlt.

Notwendige Beiladung – und die fehlende eigene Beschwer

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Klageverfahren einer GmbH & Co. KG hatte zuvor das Finanzgericht den (im Streitjahr) einzigen Kommanditisten nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Klageverfahren beigeladen. Der Rechtsstreit betreffe -so das Finanzgericht- Fragen, die den Kommanditisten i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO persönlich angehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien bei einer Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG auch diejenigen Gesellschafter als die materiell Betroffenen beizuladen, um deren verrechenbare Verluste es gehe. Im Streitfall seien die Feststellungen des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG jeweils mit den Gewinnfeststellungsbescheiden verbunden worden, so dass die Entscheidung Bindungswirkung sowohl für die GmbH & Co. KG als auch für den Kommanditisten habe1. Auf die Beschwerde der KG und des Kommanditisten hob der Bundesfinanzhof hob den Beschluss des Finanzgerichts wieder auf:

Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO liegen nicht vor. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Zu den Rechtsverhältnissen, die auch gegenüber Dritten nur einheitlich festgestellt werden und damit eine Beiladung erfordern können, gehören die Fälle der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO). Welche Personen in einem Klageverfahren gegen Bescheide mit derartigen Feststellungen nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen sind, richtet sich nach dem durch das Klagebegehren bestimmten Streitgegenstand2. Bei dem Gewinnfeststellungsbescheid i.S. des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und dem mit diesem nach § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG verbundenen Verlustfeststellungsbescheid i.S. des § 15a Abs. 4 EStG handelt es sich um zwei Verwaltungsakte, die gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können3.

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Der Gewinnfeststellungsbescheid i.S. des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO kann eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen (Streitgegenstände) enthalten4.

Im Verlustfeststellungsbescheid i.S. des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG ist der verrechenbare Verlust gesondert festzustellen. Dies ist gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG der nach Absatz 1 der Vorschrift nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach Absatz 2 abzuziehenden und vermehrt um die nach Absatz 3 hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust). Der Hinzurechnungsbetrag nach § 15a Abs. 3 EStG stellt nach der Rechtsprechung des beschließenden Bundesfinanzhofs eine selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage dar, die allerdings im Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO festzustellen ist5. Im Streitfall kann offen bleiben, ob die beiden übrigen in § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG genannten Berechnungsgrundlagen ebenfalls selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlagen sind6, oder ob nur der verrechenbare Verlust als das Ergebnis seiner Berechnungsgrundlagen die selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage des Verlustfeststellungsbescheids bildet. Jedenfalls handelt es sich bei der im Verlustfeststellungsbescheid enthaltenen Berechnung der berücksichtigungsfähigen Außenhaftung (vgl. § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG) -ebenso wie bei einer dort dargestellten Kapitalkontenentwicklung7- nicht um eine selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage. Denn die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Außenhaftung geht lediglich in die Ermittlung des nicht ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlustes nach § 15a Abs. 1 EStG ein. Solange eine berücksichtigungsfähige Außenhaftung besteht, sind die Verluste -trotz eines entstehenden oder sich erhöhenden negativen Kapitalkontos- nicht verrechenbar, sondern ausgleichs- und abzugsfähig.

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Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 FGO Klagebefugten gegen eine selbständig anfechtbare Feststellung, müssen im Grundsatz die übrigen nach dieser Vorschrift Klagebefugten zu dem Verfahren beigeladen werden8. Klagt beispielsweise eine Personengesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO gegen den in einem Gewinnfeststellungsbescheid als selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage festgestellten Sonderbetriebsgewinn eines Gesellschafters, so ist dieser Gesellschafter im Klageverfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beizuladen9; klagt eine Personengesellschaft gegen den in einem -mit dem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG verbundenen- Verlustfeststellungsbescheid festgestellten verrechenbaren Verlust eines Kommanditisten, so ist (nur) dieser Kommanditist im Klageverfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beizuladen10.

§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO enthält einen Ausschlusstatbestand. Danach ist die notwendige Beiladung eines nicht gemäß § 48 FGO klagebefugten Mitberechtigten in einem Klageverfahren gegen eine gesonderte und einheitliche Feststellung ausdrücklich ausgeschlossen. Eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ist aber auch dann ausgeschlossen, wenn dem Gesellschafter, der zum Kreis der Klagebefugten i.S. des § 48 FGO gehört, bereits die eigene Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO fehlt.

Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach § 48 FGO Klagebefugte, die steuerrechtlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, nicht zu dem Verfahren beigeladen werden müssen11. Hiermit wird zum Ausdruck gebracht, dass bei dem Gesellschafter -neben der Klagebefugnis nach § 48 FGO- auch eine Beschwer (mögliche Rechtsverletzung) i.S. des § 40 Abs. 2 FGO gegeben sein muss. Denn für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft verlagert § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO einen Teil der aus § 40 Abs. 2 FGO folgenden Klagebefugnis der Gesellschafter auf die Gesellschaft12. Diese Einschränkung der Klagebefugnis der Gesellschafter setzt voraus, dass der Gesellschafter durch die angefochtene Feststellung auch nach § 40 Abs. 2 FGO beschwert sein muss. Danach kann ein eigenes Klagerecht des Gesellschafters nur dann bestehen, wenn er nach § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO klagebefugt und zudem nach § 40 Abs. 2 FGO beschwert ist. Darf aber nach § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO ein nach § 40 Abs. 2 FGO beschwerter Gesellschafter nicht zum Klageverfahren der Personengesellschaft beigeladen werden, wenn ihm die Klagebefugnis nach § 48 FGO fehlt13, muss Gleiches auch dann gelten, wenn der Gesellschafter durch die angefochtene Feststellung schon nicht nach § 40 Abs. 2 FGO beschwert ist.

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Nach alledem ist Voraussetzung einer notwendigen Beiladung eines Gesellschafters zum Klageverfahren der Gesellschaft, dass er sowohl nach § 40 Abs. 2 FGO als auch nach § 48 FGO klagebefugt ist.

Nach Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung des Kommanditisten nicht vor.

Sollte der angefochtene Beschluss dahin zu verstehen sein, dass auch eine Beiladung zu den Gewinnfeststellungsverfahren 2010 und 2011 erfolgt ist, könnte der Beschluss insoweit keinen Bestand haben. Der Beiladung stünde § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO entgegen.

Die GmbH & Co. KG begehrt mit ihrer Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 jeweils die Feststellung eines höheren laufenden Gesamthandsverlustes. Zur Erhebung einer derartigen Klage ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO aber nur die GmbH & Co. KG befugt14. Eine Klagebefugnis des Kommanditisten nach § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO besteht nicht.

Im hier entschiedenen Fall begehrt die Kommanditgesellschaft für die Jahre 2010 und 2011 eine Erhöhung des laufenden, allein dem Kommanditisten zuzurechnenden Gesamthandsverlusts. Selbst wenn der GmbH & Co. KG diese erhöhten Verluste vollständig zugesprochen werden sollten, wären die verrechenbaren Verluste des Kommanditisten nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG -betrachtet man das Ergebnis der in dieser Norm genannten Berechnungsgrundlagen als die selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage- für die Streitjahre unverändert mit jeweils 0 € festzustellen. So wäre bei dem Kommanditisten selbst bei Berücksichtigung der begehrten höheren laufenden Gesamthandsverluste und des sich dadurch weiter erhöhenden negativen Kapitalkontos aufgrund seiner „überschießenden“ Außenhaftung (vgl. § 172 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) weiterhin ein erweiterter Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG möglich; seine berücksichtigungsfähige Außenhaftung würde hierdurch nicht verbraucht werden. Damit wären die geltend gemachten Verluste in voller Höhe ausgleichs- und abzugsfähig. Es gäbe daher keinen nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichs- und abzugsfähigen Verlust. Danach könnte sich auch hieraus für den Fall, dass man die Berechnungsgrundlage nach § 15a Abs. 1 EStG als eine selbständig feststellbare Besteuerungsgrundlage qualifizieren würde, keine Beschwer des Kommanditisten ergeben. Die den Verlustfeststellungsbescheiden 2010 und 2011 jeweils beigefügte Kapitalkontenentwicklung und Berechnung der berücksichtigungsfähigen Außenhaftung sind selbst keine selbständig anfechtbaren Feststellungen. Die sich in diesen Berechnungen ggf. ergebenden Veränderungen können daher keine Rechtsverletzung begründen. ach alledem ist nicht ersichtlich, dass der Kommanditist durch die Verlustfeststellungen 2010 und 2011 i.S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert ist. Das Finanzamt hat bisher weder ausgleichs- und abzugsfähige Verluste zu Unrecht als verrechenbare Verluste noch zu Unrecht einen zu niedrigen verrechenbaren Verlust festgestellt. Es ist auch nicht erkennbar, dass bei Berücksichtigung der für 2010 und 2011 geltend gemachten höheren laufenden Gesamthandsverluste ein höherer verrechenbarer Verlust als bisher festzustellen wäre.

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Scheidet eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO aus, ist auch eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO nicht möglich15.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. März 2023 – IV B 31/22

  1. Hessisches FG, Beschluss vom 13.04.2022 – 8 K 353/16[]
  2. z.B. BFH, Beschluss vom 16.03.2020 – II B 94/18, Rz 12, m.w.N.[]
  3. z.B. BFH, Urteil vom 10.11.2022 – IV R 8/19, Rz 21, m.w.N.[]
  4. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 01.10.2020 – IV R 4/18, BFHE 271, 154, Rz 25, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 20.11.2014 – IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz 21 f.[]
  6. vgl. z.B. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15a Rz G 47, G 51[]
  7. vgl. dazu BFH, Beschluss vom 27.11.2019 – IV B 16/19, Rz 4[]
  8. z.B. BFH, Urteile vom 08.11.2018 – IV R 38/16, Rz 24, zum Gewinnfeststellungsbescheid i.S. des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO; vom 31.05.2012 – IV R 14/09, BFHE 238, 38, BStBl II 2013, 673, Rz 24, zum Verlustfeststellungsbescheid i.S. des § 15a Abs. 4 EStG[]
  9. z.B. BFH, Urteil vom 22.03.2022 – IV R 13/18, BFHE 276, 139, BStBl II 2022, 656, Rz 31[]
  10. z.B. BFH, Beschluss vom 20.06.2012 – IV B 147/11, Rz 7[]
  11. z.B. BFH, Urteile vom 08.11.2018 – IV R 38/16, Rz 24, zum Gewinnfeststellungsbescheid i.S. des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO; in BFHE 238, 38, BStBl II 2013, 673, Rz 24, zum Verlustfeststellungsbescheid i.S. des § 15a Abs. 4 EStG[]
  12. BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 21[]
  13. so z.B. BFH, Urteil vom 28.07.2022 – IV R 23/19, Rz 24, betreffend die Klage einer Personengesellschaft gegen den laufenden Gesamthandsgewinn[]
  14. z.B. BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 23[]
  15. z.B. BFH, Beschluss vom 21.08.2002 – VIII B 116/01, BFH/NV 2002, 1609, unter II., m.w.N.[]
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