Ortsverschieden belegene Photovoltaikanlagen als Teilbetriebe?

Ob Photovoltaikanlagen, die ein Steuerpflichtiger auf mehreren -nicht benachbarten- Grundstücken betreibt, ertragsteuerrechtlich als unselbständige Betriebsteile eines einheitlichen Gewerbebetriebs oder aber als begünstigt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Abs. 4 EStG veräußerbare Teilbetriebe anzusehen sind, ist nach den hierfür geltenden herkömmlichen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beurteilen.

Ortsverschieden belegene Photovoltaikanlagen als Teilbetriebe?

Für die Beurteilung, ob mehrere gewerbliche Betätigungen eines Steuerpflichtigen jeweils als ertragsteuerrechtlich selbständige Gewerbebetriebe anzusehen sind, zueinander im Verhältnis von Teilbetrieben stehen oder rechtlich unselbständige Betriebsteile eines einheitlichen Gewerbebetriebs sind, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt:

Die Annahme jeweils selbständiger Gewerbebetriebe bei mehreren gewerblichen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen erfordert deren vollkommene Eigenständigkeit. Eine Verbindung darf im Wesentlichen nur in der Person des Steuerpflichtigen bestehen; dieser muss die Betriebe nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen lassen1.

Maßstab dafür, ob es sich um mehrere rechtlich selbständige Tätigkeiten oder um einen einheitlichen Betrieb (mit mehreren Betriebszweigen) handelt, ist zunächst die Gleich- bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen2. In beiden Fällen ist ein sachlicher (wirtschaftlicher, organisatorischer oder finanzieller) Zusammenhang zwischen den Betätigungen erforderlich, um sie als einen einheitlichen Betrieb ansehen zu können; die erforderliche Mindest-Intensität dieses Zusammenhangs ist in den beiden Fallgruppen aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Maßgebend ist jeweils das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls3. Während für gleichartige Betätigungen in der Hand desselben Unternehmers eine -widerlegbare- Vermutung besteht, dass ein einheitlicher Betrieb anzunehmen ist, sofern ein zumindest gewisser wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang besteht, stellt sich bei ungleichartigen Betätigungen das Regel-Ausnahme-Verhältnis gerade umgekehrt dar. Grundsätzlich indiziert die Ungleichartigkeit der Betätigungen ihre ertragsteuerrechtliche Selbständigkeit4.

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Weder rechtlich vollkommen selbständige Gewerbebetriebe noch bloße Betriebszweige sind -insofern in der Mitte stehend- die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 i.V.m. Abs. 4 und § 34 EStG steuerbegünstigt veräußerbaren Teilbetriebe. Deren Veräußerungsgewinne sind auch nicht Bestandteil des Gewerbeertrags gemäß § 7 Satz 1 GewStG5.

Der steuerrechtliche Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein funktions- bzw. lebensfähig ist6. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Abgrenzungsmerkmale sind z.B. die räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, ein eigener Wirkungskreis, eine gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eine eigene Verwaltung, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeiten, ein eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen; der Teilbetrieb erfordert allerdings eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb7.

Entsprechend dieser Grundsätze hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass der Verkauf nur einer von insgesamt drei auf benachbarten Grundstücken platzierten Windkraftanlagen nicht als begünstigte Teilbetriebsveräußerung, sondern als Veräußerung eines Wirtschaftsguts aus einem einheitlichen Gewerbebetrieb „Erzeugung von Strom aus Windenergie“ zu werten ist. Hierbei hat der Bundesfinanzhof u.a. darauf abgestellt, dass der dortige Kläger seine gewerbliche Tätigkeit „im Bereich“ der veräußerten Anlage nicht aufgegeben, sondern weiterhin -nunmehr mit zwei anstelle von bislang drei Anlagen- unverändert ausgeübt hatte8.

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Die Zuordnung einer Tätigkeit zu einem rechtlich eigenständigen Gewerbebetrieb, Teilbetrieb oder zu einem unselbständigen Betriebsteil beruht auf einer Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse, die in der Hand des Finanzgericht als Tatsacheninstanz liegt. 

So auch in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall: Selbst wenn -wie die Kläger meinen- die im Streitfall gegebene Entfernung zwischen der Hofstelle des Klägers und dem Mietwohngrundstück von etwa vier Kilometern als erheblich anzusehen wäre, rechtfertigte eine solche Erkenntnis nicht ohne Weiteres die von ihnen begehrte Qualifikation der veräußerten Photovoltaikanlage als Teilbetrieb und erst recht nicht als vollkommen eigenständigen Gewerbebetrieb. Denn nach der vom Bundesfinanzhof für zutreffend angesehenen Würdigung der Vorinstanz hat der Kläger mit allen Photovoltaikanlagen eine gleichartige -sogar identische- Tätigkeit ausgeübt. Die veräußerte Anlage verfügte weder über einen eigenen Wirkungskreis noch war dieser eigenes Personal zugeordnet. Ebenso fehlten eine separierte Buchführung sowie eine eigene Verwaltungs- und Organisationsstruktur und -was besonders ausschlaggebend sein dürfte- ein eigener Kundenstamm.

Entsprechendes gilt auch für die Rechtsfrage, ob sich der Begriff des Teilbetriebs bei Photovoltaikanlagen nach dem sog. weiten Anlagenbegriff im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs9 richtet.

Der Begriff des Teilbetriebs i.S. von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG ist rein steuerrechtlich geprägt. So hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass weder der § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugrunde liegende Betriebsbegriff noch der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz für die Beurteilung heranzuziehen sind, ob ein steuerrechtlicher Teilbetrieb vorliegt10. Dies impliziert, dass auch der Anlagenbegriff in § 3 Nr. 1 Satz 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bzw. dessen Konturierung durch die zivilrechtliche Rechtsprechung grundsätzlich keine Bedeutung für die steuerrechtlich zu beantwortende Frage hat, ob mehrere Photovoltaikanlagen zueinander im Verhältnis von Teilbetrieben stehen.

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Soweit vertreten wird, dass  bei einem Steuerpflichtigen, der mehrere Photovoltaikanlagen betreibt, ein Teilbetrieb nur dann zu verneinen sei, wenn die einzelnen Anlagen aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Position eines vernünftigen Anlagenbetreibers nach dessen Konzept als eine Gesamtheit funktional zusammenwirken und sich damit nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch als eine Anlage darstellen11, zielt dies ersichtlich auf einen Gleichklang des energiewirtschaftlichen Solaranlagenbegriffs mit dem steuerrechtlichen Teilbetrieb ab. Ein solcher Gleichklang existiert jedoch -wie bereits dargestellt- nicht.

Für die Frage, ob eine Photovoltaikanlage als Teilbetrieb zu werten ist, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass insoweit ausschließlich die Verhältnisse beim Veräußerer maßgebend sind12. Der Teilbetrieb muss somit bereits vor der Veräußerung beim Veräußerer existent sein, d.h. dessen Gesamtunternehmen muss mindestens zwei Teilbetriebe umfassen13.

Soweit die Rechtsprechung bei Forst(-teil-)betrieben -ausnahmsweise- auf die Verhältnisse beim Erwerber abstellt14, beruht dies auf den Besonderheiten der Einkünfte aus einer forstwirtschaftlichen Betätigung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Variante 2 EStG, insbesondere auf der typisierenden Betrachtung, dass die laufende Bewirtschaftung dort von geringerer Bedeutung ist15. Zwar dürfte die Einschätzung der Kläger zutreffen, dass auch der Erfolg des Betriebs einer Photovoltaikanlage weitgehend vom Wirken der Naturkräfte (Sonnenenergie) abhängt. Allerdings betätigt sich der Inhaber einer solchen Anlage bereits ab deren Inbetriebnahme nachhaltig zum Zweck der Herstellung des auf dem Markt verwertbaren Produkts „Strom“. Handelt es sich -wie vorliegend- um eine gewerbliche Betätigung außerhalb der Urproduktion der Forstwirtschaft, ist es angezeigt, nur diejenigen Rechtsgrundsätze anzuwenden, die für die jeweilige Einkunftsart gelten.

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Zwar ist der Hinweis inhaltlich zutreffend, dass bei einer nach § 1 Abs. 1a UStG ebenfalls begünstigten -d.h. nicht umsatzsteuerbaren- Teilvermögensveräußerung die Anforderungen an ein solches Teilvermögen aus Sicht des Erwerbers zu bestimmen sind16. Diese vom Ertragsteuerrecht abweichende Beurteilung beruht allerdings auf der Auslegung des in Art.19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) enthaltenen Begriffs des „Gesamt- oder Teilvermögens“. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) wird hiervon ein Geschäftsbetrieb oder selbständiger Unternehmensteil erfasst, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit „fortgeführt“ werden kann und der Erwerber beabsichtigt, dies auch zu tun17. Aus diesem Grund ist umsatzsteuerrechtlich allein die Perspektive des Erwerbers bzw. Übernehmers maßgeblich18. Ein Gleichklang zur ertragsteuerlichen Begriffsbestimmung eines Teilbetriebs besteht daher nicht19.

Einen Rechtssatz, ab welcher räumlichen Entfernung mehrere Betriebsteile zueinander im Verhältnis von Teilbetrieben zueinander stehen, hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung in BFH/NV 2010, 633 nicht aufgestellt. Hierbei handelt es sich -wie oben ausgeführt- auch nur um eines von mehreren Kriterien, die nach Maßgabe des Gesamtbilds der Verhältnisse für die Abgrenzung zwischen einem Teilbetrieb und einem bloßen Betriebsteil heranzuziehen sind.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13. Juni 2022 – X B 148/21

  1. BFH, Urteil vom 15.09.2010 – X R 21/08, BFH/NV 2011, 235, Rz 22, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 24.10.2012 – X R 36/10, HFR 2013, 152, Rz 17, m.w.N.[]
  3. u.a. BFH, Urteil vom 25.04.1989 – VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261, unter 2.a[]
  4. ausführlich hierzu das zu § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG ergangene BFH, Urteil vom 17.06.2020 – X R 15/18, BFHE 269, 330, BStBl II 2021, 157, Rz 19 f., m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 07.08.2008 – IV R 86/05, BFHE 223, 245, BStBl II 2012, 145, unter II. 1.b, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteil vom 25.11.2009 – X R 23/09, BFH/NV 2010, 633, unter II. 2., m.w.N.[]
  7. BFH, Urteil vom 22.10.2015 – IV R 17/12, HFR 2016, 237, Rz 16, m.w.N.[]
  8. BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 633, Rz 13, 15[]
  9. Hinweis auf BFH, Entscheidungen vom 04.11.2015 – VIII ZR 244/14; sowie vom 23.10.2013 – VIII ZR 262/12[]
  10. BFH, Urteil in HFR 2016, 237, Rz 15 f.[]
  11. Hinweis auf BT-Drs. 16/8148, S. 39 und 50[]
  12. vgl. u.a. BFH (GrS), Beschluss vom 18.10.1999 – GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.V.02.a, sowie BFH, Urteile in BFH/NV 2010, 633, unter II. 2., und in HFR 2016, 237, Rz 16[]
  13. Seer in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 16 Rz 43, 48[]
  14. grundlegend BFH, Urteil vom 05.11.1981 – IV R 180/77, BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158, unter 3.; nachfolgend BFH, Urteil vom 09.11.1995 – IV R 96/93, BFH/NV 1996, 316, unter 2.[]
  15. vgl. hierzu Schmidt/Kulosa, EStG, 41. Aufl., § 14 Rz 8[]
  16. u.a. BFH, Urteil vom 24.02.2021 – XI R 8/19, BFHE 272, 536, BStBl II 2022, 34, Rz 24, m.w.N.[]
  17. vgl. EuGH, Urteil – X vom 30.05.2013 – C-651/11, EU:C:2013:346, HFR 2013, 754, Rz 31 f., m.w.N.[]
  18. vgl. auch Bunjes/Robisch, UStG, 20. Aufl., § 1 Rz 133, m.w.N.[]
  19. s.a. BFH, Urteil vom 29.08.2012 – XI R 10/12, BFHE 239, 359, BStBl II 2013, 221, Rz 29, m.w.N.[]
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