Porsche Carrera – und nur unter 10% private PKW-Nutzung

Auch bei einer Privatnutzung eines im Betriebsvermögen aktivierten Fahrzeugs von weniger als 10% ist eine Entnahme anzusetzen.

Porsche Carrera – und nur unter 10% private PKW-Nutzung

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke mit dem Teilwert anzusetzen. Die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, ist nach Satz 2 dieser Vorschrift für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen; die private Nutzung kann abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Diese Regelung ist mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1996 durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.19951 eingeführt worden und enthält eine spezialgesetzliche Bewertung der Entnahme bei privater Kfz-Nutzung2. Sie gilt unmittelbar für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich; ist jedoch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 entsprechend anwendbar3. Diese Regelung ist formell verfassungsgemäß zustande gekommen4. Sie ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht verfassungsgemäß5.

Hiernach hat das Finanzamt nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg im vorliegenden Fall zu Recht unter Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG für den von der Steuerberaterin mittels ordnungsgemäßem Fahrtenbuch ermittelten Anteil von Privatfahrten in Höhe von 5, 07 % den Gewinn der Steuerberaterin um 872, 25 EUR erhöht, denn bei dem im Betriebsvermögen der Steuerberaterin aktivierten Kraftfahrzeug Porsche Carrera handelt es sich um ein Kraftfahrzeug, welches typischerweise und nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt wird6.

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Diese Vorschrift enthält keine Geringfügigkeitsgrenze. Dagegen spricht schon der eindeutige und klare Wortlaut der Norm, welcher eine Differenzierung nach dem Umfang einer Entnahme weder erkennen lässt noch zulässt. Auch die Entstehungsgeschichte gibt keinen Hinweis auf eine etwaige Geringfügigkeitsgrenze. Diese Vorschrift war im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom 27.03.19957 und im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24.04.19958 zunächst nicht enthalten. Sie fand aber (bereits) am 28.03.1995 über einen Antrag einiger Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend die „Soziale und gerechte Einkommensteuerreform 1996“9 Eingang in das Gesetzgebungsverfahren. Darin war als „konsequente Maßnahme zur Bekämpfung steuerlichen Mißbrauchs“ u.a. ein Vorschlag enthalten zur „Änderung der pauschal unterstellten Annahme in den Einkommensteuerrichtlinien (Abschnitt 118 Abs. 2 Satz 3), dass Geschäftsfahrzeuge, die ebenfalls privat genutzt werden, i.d.R. zu 65 bis 70 % geschäftlich genutzt werden“10. Nachdem der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags den Antrag in seiner Ersten Beschlussempfehlung vom 31.05.1995 zunächst abgelehnt hatte11, empfahl der Finanzausschuss des Bundesrats am 23.05.1995 „zur Vereinfachung der Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs eine zwingende Regelung“, nämlich die 1-v.H.-Regelung einzuführen12. Mangels einer Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat wurde die streitige Regelung dann erst aufgrund einer Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom Bundestag am 21.09.1995 angenommen13 und fand schließlich auch die Zustimmung des Bundesrats14 Nach Überzeugung des Finanzgerichts macht diese Entstehungsgeschichte deutlich, dass -gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung- vom Gesetzgeber eine wie auch immer geartete Bagatellgrenze nicht geplant war, deren Ausgestaltung den geplanten Vereinfachungseffekt zumindest zum Teil wieder zunichte gemacht hätte.

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Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung der von der Steuerberaterin zitierten Entscheidung des Großen Finanzgerichts des BFH vom 21.09.200915. Es ist zwar zutreffend, dass der Große Finanzgericht in dieser Entscheidung davon ausgeht, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht entgegensteht. Diese Entscheidung betrifft aber lediglich die Ermittlung des Umfangs des Betriebsausgabenabzugs („Stufe 1„). Übertragen auf den Streitfall der Steuerberaterin ist festzuhalten, dass auch diese auf der Stufe 1 (Umfang des Betriebsausgabenabzugs) zu Recht die auf den im Betriebsvermögen aktivierten Porsche Carrera entfallenden Betriebsausgaben in vollem Umfang gewinnmindernd geltend gemacht; und vom Bekl auch anerkannt erhalten hat. Darüber, ob für eventuelle private Anteile eine Entnahme anzusetzen ist („Stufe 2„), besagt die Entscheidung hingegen nichts. Hier gilt insoweit -wie oben ausgeführt- die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Insofern kann das Finanzgericht die von der Steuerberaterin monierte Ungleichbehandlung nicht erkennen.

Auch die Anwendung des Schreibens des BMF vom 06.07.2010 führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch dieses regelt nur die Behandlung von Aufwendungen auf der Stufe 1, die Problematik eventueller Entnahmeansätze ist nicht geregelt. Ferner verweist das Schreiben unter „1. Allgemeines“ in der Randziffer 1 darauf, dass dieses nur zur Anwendung kommt „soweit gesetzlich nichts anders bestimmt ist“. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist aber eine solche gesetzlich anderweitige Bestimmung.

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Selbst wenn man das BMF, Schreiben als Selbstbindung der Verwaltung im Sinne der von der Steuerberaterin vertretenen Auffassung verstehen würde, wäre das Finanzgericht nicht daran gebunden. Denn eine derartige Regelung („Privatentnahmen unter 10% werden nicht angesetzt“) würde den eindeutigen gesetzlichen Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verlassen, mithin nicht mit dem Gesetz in Einklang stehen und deshalb keine Selbstbindung der Verwaltung bewirken können16.

Finanzgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 25. April 2016 – 9 K 1501/15

  1. BGBl I 95, 1250[]
  2. BFH, Urteil vom 03.02.2010 – IV R 45/07, BStBl II 10, 689[]
  3. BFH, Urteil vom 21.04.2009 – VIII R 66/06 BFH/NV 2009, 1422; klarstellend jetzt § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG v. 26. Juni.13[]
  4. BFH, Urteil vom 01.03.2001 – IV R 27/00, BStBl II 2001, 403[]
  5. BFH, Urteil vom 07.12 2010 – VIII R 54/07, BStBl II 2011, 451[]
  6. BFH, Urteil vom 21.04.2010 – VI R 46/08, BStBl II 2010, 848[]
  7. BT-Drs., 13/901[]
  8. BT-Drs. 13/1173[]
  9. BT-Drs. 13/936[]
  10. BT-Drs. 13/936, S. 15[]
  11. BT-Drs. 13/1558, S. 9[]
  12. BR-Drs. 171/2/95, S. 8[]
  13. Plenarprotokoll 13/55, S. 4581[]
  14. Beschluss vom 22.09.1995, BR-Drs. 520/95; siehe zum Verfahrensablauf: BFH, Urteil vom 01.03.2001 – IV R 27/00 aaO.[]
  15. GrS 1/06, BStBl II 2010, 672[]
  16. FG Münster vom 29.04.2008 – 6 K 2405/07 E, U, mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BFH[]
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