Rückabwicklung eines Geschäftsanteilsverkaufs – und der Wegfall des Veräußerungsgewinns

Die Rückabwicklung eines noch nicht beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrags ist aus der Sicht des früheren Veräußerers keine Anschaffung der zurückübertragenen Anteile, sondern sie führt bei ihm zum rückwirkenden Wegfall eines bereits entstandenen Veräußerungsgewinns; beim früheren Erwerber liegt keine Veräußerung vor1.

Rückabwicklung eines Geschäftsanteilsverkaufs – und der Wegfall des Veräußerungsgewinns

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Als Veräußerung gilt auch die Ausschüttung oder Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes, es sei denn, dass die Bezüge zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören (§ 17 Abs. 4 EStG).

Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Bei einer Ausschüttung oder Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG). Hat der Veräußerer den Anteil unentgeltlich erworben, so sind als Anschaffungskosten des Anteils die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend, der den Anteil zuletzt entgeltlich erworben hat.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sämtliche Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben, ihn also von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Eine Übertragung der Verfügungsmacht findet zwar auch statt, wenn ein teilweise erfüllter Veräußerungsvorgang später rückgängig gemacht wird. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist jedoch anerkannt, dass die Rückabwicklung eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Kaufvertrags keine Anschaffung ist, soweit das spätere Ereignis mit steuerlicher Wirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirkt. Die Rückübertragung der Verfügungsmacht stellt in diesem Fall keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar2.

Weiterlesen:
Vermögensverwaltende Personengesellschaft - und die Anteilsveräußerung als privates Veräußerungsgeschäft

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat zu § 16 Abs. 2 EStG entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankommt. Dies erfordert es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des (tatsächlich erzielten) Erlöses maßgebend waren3. Entsprechendes gilt für die Ermittlung des Veräußerungspreises i.S. des § 17 Abs. 2 EStG4.

In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es für die Bewertung der als Gegenleistung (Veräußerungspreis) erhaltenen Sachgüter auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht ankommt, wenn sie von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung wirkt auch eine Veränderung der wertbestimmenden Umstände (dort: Börsenkurs) materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück. Der Bundesfinanzhof ist damit der Auffassung entgegen getreten, die eine materielle Rückwirkung nachträglicher Veränderungen nur beim Vorliegen vertraglicher Leistungsstörungen annehmen wollte5.

Diese Rechtsprechung betrifft ausdrücklich nur Umstände, die sich auf die Höhe des Veräußerungspreises auswirken. Sie ist jedoch zu übertragen auf die Frage, ob ein Anschaffungsvorgang dem Grunde nach anzunehmen ist6. Der Fall, dass der Veräußerungspreis rückwirkend in voller Höhe entfällt, ist danach genauso zu behandeln wie der Fall, dass die Veräußerung insgesamt rückgängig gemacht wird. Dies gebietet der Zweck des § 17 EStG, nur den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn zu erfassen. Danach liegt grundsätzlich eine steuerlich zurückwirkende Rückabwicklung und keine Veräußerung/Anschaffung vor, wenn der ursprüngliche Vertrag im Zeitpunkt der Rückabwicklung noch nicht beiderseits vollständig erfüllt war. Unerheblich ist dagegen, ob der Vertrag wegen einer Leistungsstörung rückabgewickelt worden ist, und ob eine Leistungsstörung wirklich vorlag7. Darin liegt keine unzulässige Durchbrechung des Grundsatzes, wonach ein einmal verwirklichter Sachverhalt im Steuerrecht nicht einvernehmlich rückgängig gemacht werden kann. Ihre Rechtfertigung findet diese Ausnahme in § 17 EStG und der dort gebotenen Stichtagsbetrachtung6.

Weiterlesen:
Anteilsveräußerung und Kaufpreisstundung

Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung, wenn die Gegenleistung vollständig erfüllt ist. Eine Rückabwicklung des Vertrags nach diesem Zeitpunkt wirkt materiell-rechtlich nur dann zurück, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt war8.

War ein Veräußerungsgewinn bereits entstanden, bewirkt die steuerlich zurückwirkende Rückabwicklung des Vorgangs, dass der Veräußerungsgewinn rückwirkend entfällt. Dies schließt es zugleich aus, den Vorgang der Rückabwicklung aus der Sicht des ursprünglichen Veräußerers als Anschaffung zu behandeln.

Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs weicht damit nicht von der Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs ab. Soweit der I. Senat unter vergleichbaren Umständen in der Rückabwicklung eines Veräußerungs-/Anschaffungsgeschäfts auf der Seite des ursprünglichen Erwerbers eine Veräußerung und keine Rückabwicklung der Anschaffung erkannt hat9, hat er auf Anfrage mitgeteilt, hieran nicht mehr festzuhalten.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Dezember 2016 – IX R 49/15

  1. entgegen BFH, Urteil vom 21.10.1999 – I R 43, 44/98, BFHE 190, 377, BStBl II 2000, 424, insoweit aufgegeben[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 27.06.2006 – IX R 47/04, BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162, zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, bestätigt durch BFH, Urteil vom 28.10.2009 – IX R 17/09, BFHE 227, 349, BStBl II 2010, 539, zu § 17 Abs. 1 EStG[]
  3. BFH, Beschluss vom 19.07.1993 – GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, zu Forderungsausfall[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 21.12 1993 – VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; und vom 23.05.2012 – IX R 32/11, BFHE 237, 234, BStBl II 2012, 675[]
  5. zum Ganzen vgl. BFH, Urteil vom 13.10.2015 – IX R 43/14, BFHE 251, 326, BStBl II 2016, 212, m.w.N.[]
  6. so schon BFH, Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648[][]
  7. vgl. BFH, Urteil in BFHE 251, 326, BStBl II 2016, 212, Rz 20[]
  8. vgl. BFH, Urteile vom 19.08.2003 – VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107; in BFHE 251, 326, BStBl II 2016, 212; zustimmend Hils, Deutsches Steuerrecht 2016, 1345, 1352[]
  9. BFH, Urteil vom 21.10.1999 – I R 43, 44/98, BFHE 190, 377, BStBl II 2000, 424[]
Weiterlesen:
Steuerliche Abziehbarkeit von EU-Geldbußen