Wegen der Ausgabe von Gutscheinen, die einen Anspruch auf Preisermäßigung von Frisör-Dienstleistungen im Folgejahr gewähren, sind im Ausgabejahr weder Verbindlichkeiten noch Rückstellungen zu bilanzieren.

Verbindlichkeiten oder Rückstellungen dürfen daher weder für die im jeweiligen Folgejahr einzulösenden Gutscheine noch wegen des Risikos von Wettbewerbsverstößen gebildet werden.
Verbindlichkeiten hatte die GmbH wegen der Ausgabe der Gutscheine nicht auszuweisen, weil die darauf beruhenden Verpflichtungen der GmbH im jeweiligen Ausgabejahr dem Grunde nach ungewiss waren1. Denn die Belastung der GmbH hing davon ab, ob die Inhaber der Gutscheine innerhalb des begünstigten Zeitraums des Folgejahres eine Dienstleistung zu dem durch einen Gutschein ermäßigten Entgelt in Anspruch nahmen. Eine isolierte Einlösung der Gutscheine war nicht möglich, weder durch Barauszahlung noch durch Eintausch gegen eine Sachleistung. Darin unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von dem Urteilsfall in BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359, in dem der BFH bei der Ausgabe von Gutmünzen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gewisse Verbindlichkeiten angenommen hat.
Vorliegend war im Ausgabejahr noch ungewiss, ob und ggf. welche Dienstleistung der jeweilige Kunde im Folgejahr in Anspruch nehmen würde. Nichts anderes kann für die versprochene Preisermäßigung einer solchen Dienstleistung gelten. Diese war daher ebenfalls ungewiss, wie das Finanzgericht zutreffend entschieden hat. Der Hinweis auf die Rechtsnatur der Gutscheine ändert an diesem Zusammenhang nichts, ebenso wenig der Umstand, dass eine Weitergabe der Gutscheine an Dritte nicht ausdrücklich ausgeschlossen war. Das Vorbringen, es habe sich um Inhaberpapiere gehandelt, ist deshalb unerheblich.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten waren weder wegen der Gutscheine noch wegen möglicher Wettbewerbsverstöße zu bilden.
Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann2. Der Schuldner muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen, und die Geltendmachung der Verpflichtung muss nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich sein3.
Schließlich muss die ungewisse Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht sein, wobei in der Rechtsprechung des BFH nicht abschließend geklärt ist, ob das Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag auch für rechtlich entstandene und nur der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten gilt4.
Die GmbH durfte wegen der Gutscheine keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, weil die darauf beruhenden Verbindlichkeiten im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden und nur der Höhe nach ungewiss noch wirtschaftlich verursacht waren. Denn sie beinhalteten einen Preisnachlass nicht für bereits bezogene, sondern für künftige Dienstleistungen.
Der Anspruch auf Preisermäßigung war rechtlich unselbstständig. Denn er knüpfte zwingend an die Inanspruchnahme einer Dienstleistung im begünstigten Zeitraum des Folgejahres an und setzte die Entstehung eines Zahlungsanspruchs der GmbH im Folgejahr voraus. Diese Voraussetzungen waren im Jahr der Ausgabe der Gutscheine noch nicht erfüllt. Das Entstehen der entsprechenden Verbindlichkeit war dem Grunde nach ungewiss. Der Tatbestand, an den die Leistungspflicht –die Verrechnung des im Gutschein ausgewiesenen Betrages– geknüpft war, war damit im Ausgabejahr noch nicht verwirklicht; die Verpflichtung war daher in dem für die Bilanzierung maßgeblichen Sinne rechtlich noch nicht entstanden5. Die Bildung einer Rückstellung wegen einer rechtlich bereits entstandenen, der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit kam daher nicht in Betracht.
Die mit den Gutscheinen versprochene Preisminderung für künftige, im Begünstigungszeitraum in Anspruch zu nehmende Dienstleistungen wurde nicht bereits durch das Versprechen im Ausgabejahr, sondern erst durch die Dienstleistung im Folgejahr, für die die Preisminderung gewährt wurde, wirtschaftlich verursacht. Denn sie bezog sich (nur) auf das Entgelt für die künftige Dienstleistung. Der Anspruch auf Preisermäßigung kann wirtschaftlich aber nicht schon früher verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich bezieht. Insofern unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 4. Dezember 19596 zu Grunde liegt. Denn die Ausgabe der Rabattmarken im damaligen Urteilsfall betraf die Gewährung eines Nachlasses auf schon getätigte Einkäufe7; dem entsprechend war der Rabattbetrag mit dem Erreichen des Mindesteinkaufs auszuzahlen. Ein solcher Anspruch wurde den Kunden im Streitfall nicht eingeräumt.
Der Umstand, dass die GmbH Gutscheine nur an solche Kunden ausgab, die zuvor eine Dienstleistung in Anspruch genommen hatten, rechtfertigt es nicht, die erst für eine künftige Dienstleistung versprochene Preisminderung wirtschaftlich schon der früheren, voll bezahlten Dienstleistung zuzuordnen. Denn die im Folgejahr entstehende Verpflichtung zur Bezahlung eines (Dienstleistungs-)Entgelts und –daran anknüpfend– die Preisminderung setzte voraus, dass eine weitere Dienstleistung im Begünstigungszeitraum in Anspruch genommen und der Gutschein vorgelegt wurde. Insofern verhält es sich ähnlich wie in dem vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 6. Dezember 19788 entschiedenen Fall, wonach der Anspruch auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen nicht wirtschaftlich verursacht ist, solange die Berechtigung und der Abschluss eines neuen Vertrages nicht nachgewiesen waren.
Die Bildung einer Rückstellung wegen eines möglichen Wettbewerbsverstoßes durch die Gutscheinausgabe kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Klägerin hat bereits weder vorgetragen noch ist erkennbar, woraus sich in diesem Zusammenhang eine ungewisse Verbindlichkeit ergeben soll. Dem entsprechend fehlt es an Gründen, warum die Klägerin mit einer Inanspruchnahme ernsthaft hätte rechnen müssen und warum die Geltendmachung einer solchen Verpflichtung am Bilanzstichtag wahrscheinlich gewesen sein soll. Der mit der Revisionsbegründung vorgebrachte bloße Hinweis auf das Unterlassungsbegehren eines Konkurrenzunternehmens genügt insoweit nicht.
Eine Berücksichtigung der streitigen Beträge als passive Rechnungsabgrenzungsposten kommt ebenfalls nicht in Betracht9. Nach § 250 Abs. 2 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind auf der Passivseite als Rechnungsabgrenzungsposten Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Diese Voraussetzungen sind im Jahr der Gutscheinausgabe nicht erfüllt. Die Kunden haben den „normalen“ Preis für die in Anspruch genommenen Dienstleistungen bezahlt. Sie erhielten die Gutscheine von der GmbH als Zugabe. Das entsprach auch dem Verständnis der GmbH, die die Gutscheine ausdrücklich als Weihnachtsgeschenk und Dankeschön für die Treue der Kunden ausgegeben hat. Damit lässt sich nicht vereinbaren, einen Teil des Entgelts für die im Ausgabejahr bezogene Dienstleistung dem Gutschein bzw. einer im begünstigten Zeitraum des Folgejahres in Anspruch genommenen Dienstleistung zuzuordnen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. September 2012 – IV R 45/09
- vgl. BFH, Urteile vom 22.11.1988 – VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359, unter II.1.a der Gründe; vom 17.12.1998 – IV R 21/97, BFHE 187, 552, BStBl II 2000, 116, unter 2. der Gründe[↩]
- u.a. BFH, Urteil vom 08.09.2011 – IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122, unter II.1.a der Gründe[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil in BFHE 187, 552, BStBl II 2000, 116[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122, unter II.1.a der Gründe[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 27.01.2010 – I R 103/08, BFHE 228, 91, BStBl II 2010, 614, unter II.2.c aa der Gründe[↩]
- BFH, Urteil vom 04.12.1959 – III 317/59 S, BFHE 70, 212, BStBl III 1960, 80[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 70, 212, BStBl III 1960, 80, unter I. der Gründe[↩]
- BFH, Urteil vom 06.12.1978 – I R 35/78, BFHE 126, 549, BStBl II 1979, 262[↩]
- anderer Ansicht Krüger, DStR 2011, 1095[↩]