Wenn ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 9.02.2017 erlassen worden sind, kommt weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF, Schreiben vom 27.03.2003 („Sanierungserlass“)1 oder vom 27.04.20172 in Betracht.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat bereits entschieden, dass das BMF-Schreiben vom 27.02.2003 („Sanierungserlass“) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und daher von den Gerichten nicht angewendet werden darf3.
Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat zwar ausgesprochen, dass Billigkeitsmaßnahmen auch in Sanierungsfällen auf besondere, außerhalb des BMF, Schreibens in BStBl I 2003, 240 liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche Billigkeitsgründe gestützt werden können4. Solche waren im hier entschiedenen Fall jedoch weder vorgetragen noch erkennbar. auch § 3a EStG i.d.F. des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.06.2017 -EStG n.F.-5 war auf den vorliegenden Altfall nicht anwendbar. Diese Vorschrift enthält eine Steuerbefreiung für bestimmte Betriebsvermögensmehrungen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung. Sie betrifft indes bereits das Steuerfestsetzungsverfahren, nicht erst das -im vorliegenden Revisionsverfahren allein streitgegenständliche und verfahrensrechtlich getrennt zu behandelnde- Billigkeitsverfahren. Im Streitfall kann § 3a EStG n.F. darüber hinaus schon deshalb nicht angewendet werden, weil diese Vorschrift erstmals in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.02.2017 erlassen wurden (§ 52 Abs. 4a Satz 1 EStG n.F.). Vorliegend ist der Schuldenerlass aber bereits im Jahr 2006 ausgesprochen worden.
Da die neue Steuerbefreiung des § 3a EStG n.F. keine Rückwirkung auf Altfälle hat, sieht die Finanzverwaltung vor, das BMF, Schreiben in BStBl I 2003, 240 in Fällen, in denen der Forderungsverzicht bis zum 8.02.2017 endgültig vollzogen wurde, „weiterhin uneingeschränkt anzuwenden“6.
Für dieses BMF-Schreiben fehlt es indes an einer Rechtsgrundlage. Wenn der ursprüngliche Sanierungserlass der Finanzverwaltung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, gilt dasselbe auch für das nunmehrige BMF, Schreiben in BStBl I 2017, 741, wonach der Sanierungserlass für die Vergangenheit weiterhin uneingeschränkt anzuwenden sein soll. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens darf dieses BMF, Schreiben daher nicht beachtet werden. Eine Übergangsregelung für Altfälle hätte nur durch den Gesetzgeber getroffen werden können; dies ist aber nicht geschehen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. August 2017 – X R 38/15