Schuldzinsenabzug bei fremdfinanzierter Gewinnausschüttung in der Personengesellschaft

Auch nach Einführung von § 4 Abs. 4a EStG bedarf es zunächst einer Prüfung, ob der Finanzierungsaufwand betrieblich veranlasst ist. § 4 Abs. 4a EStG ist insoweit nicht lex specialis für einen Schuldzinsenabzug im betrieblichen Bereich gegenüber der allg. Regelung in § 4 Abs. 4 EStG.

Schuldzinsenabzug bei fremdfinanzierter Gewinnausschüttung in der Personengesellschaft

§ 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Schuldzinsen sind nach Maßgabe des mit Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12 1999 mit Wirkung vom 01.01.1999 geltenden § 4 Abs. 4a EStG, der den mit Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 23.03.1999 eingeführten § 4 Abs. 4a EStG ersetzt hat, nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen bestimmt sich ungeachtet der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und Verwaltungsauffassung weiterhin nach § 4 Abs. 4 EStG1. Nach den vom Bundesfinanzhof entwickelten Grundsätzen2 sind Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Erwerbs- oder der Privatsphäre zuzuordnen. Nur Zinsen, die für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört, sind ihrerseits ebenfalls betrieblich veranlasst. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke sind hingegen nicht betrieblich veranlasst und damit keine Betriebsausgaben i. S. von § 4 Abs. 4 EStG.

Da der Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG danach nur betrieblich veranlasste Schuldzinsen unterliegen, ist die steuerliche Abziehbarkeit der Schuldzinsen nach herrschender Ansicht zweistufig zu prüfen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist3.

Der Gegenmeinung, wonach § 4 Abs. 4a EStG u. a. wegen seiner systematischen Stellung im Gesetz lex specialis für den Schuldzinsenabzug im betrieblichen Bereich gegenüber der Generalregelung des § 4 Abs. 4 EStG sein soll4, auf die sich auch die Gesellschafterin beruft, folgt das Finanzgericht aus den im Urteil des BFH vom 21.09.20055 im Einzelnen dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist herzuleiten, dass durch die erste Fassung von § 4 Abs. 4a EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten beim Schuldzinsenabzug einschränkt und Belastungen der öffentlichen Haushalte, die der Gesetzgeber mit Blick auf die Anerkennung von Zwei- und Mehrkontenmodellen durch die Rechtsprechung befürchtete, ausgeschlossen werden sollten. Es ist davon auszugehen, dass dieser gesetzgeberische Zweck bei der Neufassung von § 4 Abs. 4a EStG beibehalten werden sollte und lediglich eine praktikablere Regelung des Schuldzinsenabzugs geschaffen werden sollte. Dem Wortlaut von § 4 Abs. 4a EStG ist auch kein Hinweis zu entnehmen, dass von dem Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG abgewichen werden sollte. Angesichts des damit verbundenen Systemwechsels hätte es aber eines derartigen ausdrücklichen Hinweises bedurft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf diese Entscheidung verwiesen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist auch die Rechtsprechung zur betrieblichen Veranlassung von Schuldzinsen, die vor Einführung von § 4 Abs. 4a EStG ergangen ist, entgegen der Annahme der Gesellschafterin nicht „überholt“. Über den Charakter von Verbindlichkeiten entscheidet danach die Verwendung der Darlehensmittel. Nur wenn diese für betriebliche Zwecke genutzt werden, entsteht eine Betriebsschuld und nur aus einer solchen können betriebliche Schuldzinsen anfallen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist auch im hier vom Finanzgericht Hamburg Streitfall auf einer ersten Stufe die Frage zu stellen, ob der streitige Finanzierungsaufwand betrieblich veranlasst ist. Diese Frage ist zu verneinen. Das Darlehen diente der Finanzierung der Auszahlung der Gewinnanteile der Kommanditisten. Derartige „Gewinnausschüttungen“ an die Kommanditisten werden nach allgemeiner Ansicht wie Barentnahmen der Kommanditisten aus dem Gesellschaftsvermögen angesehen6. Insoweit wird die Rechtsprechung zur kreditfinanzierten Entnahme von Wirtschaftsgütern bei Einzelunternehmern, die den Abzug der Schuldzinsen für die Kredite als Betriebsausgaben nicht zuließ7, auch für Personengesellschaften angewendet8.

Insoweit beruft sich die Gesellschafterin zu Unrecht darauf, die Auszahlung der Gewinnanteile sei keine Entnahme, sondern stelle aufgrund des handelsrechtlichen Anspruchs des Gesellschafters auf seinen Gewinnanteil zwingend eine betrieblich veranlasste Verbindlichkeit dar, die sie auch entsprechend in ihrer Bilanz passiviert habe. Hierbei übersieht die Gesellschafterin, dass wegen der Transparenz der Personengesellschaft einkommensteuerrechtlich grundsätzlich keine Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter anzuerkennen sind9, es sei denn, sie beruhen auf einem Leistungsaustausch und nicht, wie im Streitfall, auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, nämlich der Ausschüttung des Gewinnanteils.

Das Verfahren ist nicht auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht einzuholen. Die auf Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG gestützten verfassungsrechtlichen Zweifel der Gesellschafterin teilt das Finanzgericht nicht. Soweit sich diese Bedenken gegen § 4 Abs. 4a EStG richten, findet diese Vorschrift nach der Rechtsauffassung des Finanzgerichts auf den Streitfall keine Anwendung, weil es bereits an einem betrieblichen Aufwand fehlt. Soweit sie sich allgemein gegen die Versagung eines Betriebsausgabenabzugs für Schuldzinsen entsprechend § 4 Abs. 4 EStG richten, ist ein Verfassungsverstoß nicht erkennbar.

Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Gesellschafterin als Klinikbetreiberin wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass Schuldzinsen für die Finanzierung privaten Aufwands, und zwar einer als Privatentnahme anzusehenden „Gewinnausschüttung“ an ihre Gesellschafter, nicht zu betrieblichem Aufwand führen. Die grundsätzliche Nichtabziehbarkeit privater Aufwendungen ist vielmehr ein Grundelement des Einkommensteuerrechts (§ 12 EStG). Ebenso wenig ist ein Eingriff in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte vermögenswerte Rechte der Gesellschafterin erkennbar. Durch die Versagung des Betriebsausgabenabzugs für Schuldzinsen zur Finanzierung der Gewinnauszahlung wird insbesondere der Gewinnanspruch des Kommanditisten gem. §§ 120 ff., § 161 Abs. 3, § 167 ff. des Handelsgesetzbuches als solcher nicht beeinträchtigt. Mit der Fokussierung auf die tatsächliche Mittelverwendung wird lediglich die Finanzierungsfreiheit in gewissem Umfang eingeschränkt, und zwar privaten Aufwand über betriebliche Konten und Finanzierungsmittel abzuwickeln. Von Verfassungs wegen ist dies jedoch nicht zu beanstanden, sondern dient im Hinblick auf Art. 3 GG der gleichheitsgerechten Besteuerung von Betriebsinhabern mit Steuerpflichtigen, die privaten Aufwand nicht über ein betriebliches Konto abwickeln können.

Soweit die Gesellschafterin eine i. S. von Art. 14 Abs. 1 GG verfassungswidrige Beeinträchtigung offenbar auch darin sieht, dass der Gewinnanteil der Ertragbesteuerung unterliegt und das Steuerentnahmerecht des Gesellschafters für die Begleichung der auf den Gewinnanteil entfallenden Steuern durch die Nichtabziehbarkeit der Zinsen unangemessen belastet werde, kann sie im Streitfall damit bereits deshalb nicht durchdringen, weil nur ein Teil der Gewinnausschüttung, und zwar weniger als die Hälfte, fremdfinanziert worden ist. Dieser nicht fremdfinanzierte Anteil dürfte für die Begleichung der Steuern -auch bei hohem Steuersatz- ausgereicht haben.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 7. Mai 2014 – 2 K 56/14 ((nicht rechtskräftig – Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof, IV B 54/14)

  1. so BFH Urteile vom 21.09.2005 – X R 46/04, BStBl II 2006, 125 sowie – X R 47/03, BStBl II 2006, 504; vom 21.06.2006 – XI R 14/05, BFH/NV 2006, 1832; ebenso BMF, Schreiben vom 22.05.2000, BStBl I 2000, 588 Tz. 1 und 2; Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz § 4 EStG Rz. 601; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 33. Aufl., § 4 Rz. 522; Bode in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 4 Rz. 185; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG Rz. 1036; Hegemann/Querbach, DStR 2000, 408; Horlemann, FR 2001, 336; Paus, FR 2000, 957; Graf, DStR 2000, 1465[]
  2. vgl. insbesondere BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 2-3/88, BStBl II 1990, 817[]
  3. z. B. BFH Urteile vom 21.09.2005 – X R 46/04, BStBl II 2006, 125 sowie – X R 47/03, BStBl II 2006, 504; vom 21.06.2006 – XI R 14/05, BFH/NV 2006, 1832; ebenso BMF, Schreiben vom 22.05.2000, BStBl I 2000, 588 Tz. 1 und 2; Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz § 4 EStG Rz. 601; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 33. Aufl., § 4 Rz. 522; Bode in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 4 Rz. 185[]
  4. vgl. u. a. von Reden in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 4, § 5 EStG Rz. 1656a; Wendt, FR 2000, 417, 428; Groh, DStR 2001, 105; Jakob, DStR 2000, 101, 102; Duske, DStR 2000, 906; Eggesiecker/Ellerbeck, FR 2000, 689[]
  5. BFH, Urteil vom 21.09.2005 – X R 46/04, BStBl II 2006, 125[]
  6. vgl. z. B. Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 33. Aufl., § 15 Rz. 430 m. w. N.[]
  7. vgl. BFH, Beschluss vom 08.12 1997 – GrS 1-2/95, BStBl II 1998[]
  8. BFH Beschluss vom 05.02.2002 – VIII B 73/01, BFH/NV 2002, 908; BFH Urteil vom 28.10.1999 – VIII R 42/98, BStBl II 2000, 390[]
  9. vgl. z. B. Bode in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 15 EStG Rz. 486 ff.[]