Steuerliche Bewertung von Pensionsrückstellungen

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Richtervorlage des Finanzgerichts Köln für unzulässig erklärt, die die Frage betrifft, ob der im Einkommensteuergesetz vorgesehene Ansatz eines starren Rechnungszinsfußes von 6 % zur Ermittlung der Pensionsrückstellung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Steuerliche Bewertung von Pensionsrückstellungen

Wie das Bundesverfassungsgerichts nach nunmehr knapp 6jähriger Prüfung feststellte, ist die Vorlage des Finanzgerichts Köln1 unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG genüge.

Durch die Bildung von Pensionsrückstellungen wird den Verpflichtungen eines Unternehmens aus der Erteilung von Pensionszusagen an Arbeitnehmer in der Steuerbilanz Rechnung getragen. Für die Höhe der in einem jeweiligen Veranlagungszeitraum abzugsfähigen Pensionsrückstellung ist der zugrunde gelegte Rechnungszinsfuß, der für den Effekt der Abzinsung maßgeblich ist, von wesentlicher Bedeutung. Je höher dieser ist, desto niedriger ist die steuerrechtlich zulässige Pensionsrückstellung. Nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG ist zur Ermittlung der Pensionsrückstellung unter anderem ein starrer Rechnungszinsfuß von 6 % anzuwenden. Die steuerrechtliche Vorschrift unterscheidet sich von den Vorgaben für die Handelsbilanz, deren Bewertungsvorschrift in § 253 Abs. 2 HGB keinen starren, sondern einen dynamischen, „atmenden“ Rechnungszinsfuß vorsieht. Dieser betrug im hier gegenständlichen Streitjahr (2015) 3, 89 %.

Mit Beschluss vom 12.10.2017 hat das Finanzgericht Köln die zugrundeliegende Finanzstreitsache ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung mit der Verfassung vereinbar ist. Es hält die Vorschrift insoweit für verfassungswidrig, als darin ein Rechnungszinsfuß von 6 % angeordnet wird. Dies sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

Das Bundesverfassungsgericht sah die Richtervorlage nunmehr als unzulässig an: Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein nachkonstitutionelles Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt2. Das Bundesverfassungsgericht legt an die Begründung eines konkreten Normenkontrollantrags in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab an, um den Grundsatz der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen gegenüber dem fachgerichtlichen Verfahren zu wahren3.

Ausgehend von diesen Maßstäben genügt die Vorlage den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht. Zwar ist die Entscheidungserheblichkeit hinreichend dargelegt, nicht aber ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auch aus der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung BVerfGE 158, 282 folgt keine andere Beurteilung.

Das Finanzgericht hat zwar hinreichend dargelegt, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift abhängt.

Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist4. Die Begründung, die das Bundesverfassungsgericht entlasten soll5, muss daher mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass und weshalb das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit6. Es genügt, dass die Verfassungswidrigkeitserklärung der Norm die Chance offenhält, eine für die Betroffenen günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen7.

Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluss gerecht. Das vorlegende Gericht hat festgestellt, dass es bei Ungültigkeit der Norm zu einem anderen Ergebnis käme als bei ihrer Gültigkeit. Es hat zwar auf nähere Ausführungen verzichtet. Doch ergibt sich aus seinen Feststellungen, dass der Ausgang des Rechtsstreits lediglich noch davon abhängt, welcher Rechnungszinsfuß für die Pensionsrückstellungen anzusetzen ist. Auch drängt sich auf, dass für die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Fall der Verfassungswidrigkeitserklärung jedenfalls die Chance besteht, eine für sie günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Nach Auffassung des Vorlagegerichts ist die Typisierung des Rechnungszinsfußes in verfassungswidriger Weise realitätsfern; jeder näher an den tatsächlichen Marktzinsen orientierte Rechnungszinsfuß wäre demzufolge niedriger als 6 %, was zu einem höheren Barwert der Pensionsrückstellungen führen würde und damit günstiger für die Klägerin des Ausgangsverfahrens wäre. Dass der Gesetzgeber bei einer Neuregelung die Bildung von Rückstellungen in der Steuerbilanz womöglich insgesamt ausschließen würde8, erscheint fernliegend.

Die Vorlage genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Das vorlegende Gericht muss den Sachverhalt darlegen und sich mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen9. Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen und dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und dabei nicht zuletzt auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen10. Ein Vorlagebeschluss ist unzureichend begründet, wenn er sich von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts löst, ohne dass dies entsprechend gekennzeichnet oder mit abweichenden Meinungen in Rechtsprechung oder Schrifttum belegt würde11. Weicht ein Vorlagegericht von den Maßstäben, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ableiten lassen, ab, muss es sich hiermit auseinandersetzen und aufzeigen, inwiefern sich die Sachverhalte unterscheiden beziehungsweise welche Gesichtspunkte das Bundesverfassungsgericht nicht ausreichend gewürdigt habe12. Es genügt nicht den Begründungsanforderungen, wenn es von einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit längerem überholten Maßstab ausgeht13. Bei der Annahme eines Gleichheitsverstoßes gehört zur erschöpfenden Begründung durch das vorlegende Gericht auch die eindeutige Bezeichnung der Sachverhalte oder Personengruppen, die aus Sicht des Gerichts miteinander verglichen werden können und zu Unrecht ungleich behandelt werden14.

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Diese Anforderungen erfüllt die Vorlage nicht.

Der Vorlagebeschluss sieht Art. 3 Abs. 1 GG unter zwei Gesichtspunkten verletzt. Zum einen führe § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG zu einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, da Pensionsrückstellungen ungleich behandelt würden gegenüber anderweitigem Aufwand, soweit dieser entsprechend der tatsächlichen wirtschaftlichen Verursachung voll abzugsfähig sei. Damit komme es zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf das im gesamten übrigen Bilanzsteuerrecht geltende Realisationsprinzip. Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bildeten, seien mit „alle[n] übrigen Unternehmen, die sich an das Realisationsprinzip halten müssen“, vergleichbar (aa). Zum anderen macht das Vorlagegericht eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem geltend. Steuerpflichtige würden unabhängig von der individuellen Rendite beziehungsweise den Verschuldungskonditionen gleichbehandelt, da „der Zinsvorteil der späteren Steuerzahlung einheitlich mit 6 % typisiert“ werde. Dies wäre hinnehmbar, wenn marktübliche Zinserträge typisiert würden, jedoch umso bedenklicher, je weiter sich die Typisierung von marktüblichen Zinssätzen entferne. In diesem Fall hänge es umso mehr von den individuellen Verhältnissen ab, ob Renditen von 6 % erzielt werden könnten (bb).

Hinsichtlich des ersten Vergleichspaares ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinreichend dargetan.

Die Bildung des Vergleichspaares ist so nicht nachvollziehbar. Es erschließt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres, warum Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bilden, mit all jenen Unternehmen vergleichbar sein sollen, „die sich an das Realisationsprinzip halten müssen“. Das Vorlagegericht geht bei diesem Vergleich davon aus, dass Pensionsrückstellungen mit „anderweitige[m] Aufwand, soweit dieser entsprechend der tatsächlichen wirtschaftlichen Verursachung voll abzugsfähig ist“, vergleichbar seien.

Es lässt sich nicht erkennen, ob das Vorlagegericht diesen Vergleich etwa vor dem Hintergrund anstellen wollte, dass zahlreiche Unternehmen in den letzten Jahrzehnten dazu übergegangen sind, die als Pensionsrückstellungen ausgewiesenen Mittel nicht mehr (vollständig) zur Finanzierung der eigenen Geschäftstätigkeit zu nutzen, sondern als Finanzintermediäre zu agieren, indem sie ihre Pensionspläne ausfinanzieren15. Zwar wäre es nachvollziehbar, in solchen Fällen einen Vergleich der Zuführungen zu den unternehmensinternen Pensionsplänen mit den Aufwendungen für eine unternehmensextern durchgeführte betriebliche Altersversorgung anzustellen. Es erschließt sich jedoch nicht, wie eine solche Betrachtungsweise mit der steuerlichen Behandlung von Rückstellungen in Einklang gebracht werden könnte16.

In steuerlicher Hinsicht wird durch Rückstellungen der (später) gewinnmindern- de Aufwand zeitlich vor dem tatsächlichen Zahlungsmittelabfluss geltend gemacht17. Konkret für Pensionsverpflichtungen hat der Gesetzgeber in § 6a EStG allein für Direktzusagen die Rückstellungsbildung ermöglicht und damit der ökonomischen18 und sozialpolitischen19 Bedeutung dieser einen Form der betrieblichen Altersversorgung Rechnung getragen.

In der Handelsbilanz vorgenommene Rückstellungen begründen keine zwingenden Vorgaben für die Steuerbilanz. Der Gesetzgeber hat mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.05.2009 die Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz gelockert. Es sei zu überprüfen, ob der handelsrechtliche Jahresabschluss seine bisherige Funktion, aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes die steuerliche Leistungsfähigkeit des bilanzierenden Kaufmanns abzubilden, weiterhin erfüllen könne20.

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 12.05.2009 über zwei Normen zu entscheiden, die der Gesetzgeber mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25.07.198821 in das Einkommensteuergesetz eingefügt hatte und die die Bildung von Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht begrenzten22. Der Zweite Bundesverfassungsgericht des Bundesverfassungsgerichts hielt dies für mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Entscheidungen des Steuergesetzgebers zur Begrenzung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit und zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip gehörten nicht ohne weiteres zu den verfassungsrechtlich erheblichen Einzelregelungen bei der Ausgestaltung von Steuertatbeständen23. Speziell lasse sich die Maßgeblichkeit des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips für die Bildung von Rückstellungen in der Steuerbilanz nicht als eine grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers über eine steuergerechte Lastenverteilung deuten24. Es gebe gute Gründe zu bezweifeln, dass die aktuelle bilanzielle Gewinnminderung mit einer Minderung auch der aktuellen finanziellen Leistungsfähigkeit einhergehe. Die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Rückstellung beträfen ausschließlich den maßgeblichen Zeitpunkt der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines gewinnmindernden Aufwands, also das Wann, nicht das Ob der Besteuerung25.

Mit diesen steuerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Maßgaben setzt sich der Vorlagebeschluss nicht im Hinblick auf das oben genannte Vergleichspaar auseinander. Der Beschluss führt allein aus, die Jubiläumsrückstellungsentscheidung sei nicht auf den Fall der Pensionsrückstellung übertragbar, weil das Ob der Rückstellungsbildung ebenso unstreitig sei wie die „grundsätzliche Rechtfertigung der Abzinsung“. Es gehe allein um deren sachgerechte Bewertung, die keine bilanzsteuerrechtliche Frage im eigentlichen Sinne darstelle, sondern eine Frage verfassungskonformer Typisierung.

Das Vorlagegericht verkennt hiermit die Maßgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ob eine Rückstellung steuerrechtlich beachtlich ist, ist eine Entscheidung über das Wann der Besteuerung. Indem der Gesetzgeber hierbei auf den Barwert abstellt und für seine Berechnung einen bestimmten Rechnungszinsfuß vorgibt, beschränkt er die zeitlich vorgelagerte Berücksichtigung des späteren gewinnmindernden Aufwands und bestimmt damit, wann welcher Teil dieses Aufwands geltend gemacht werden kann.

Es erschließt sich vor dem Hintergrund dieser Entscheidung auch nicht die Annahme des Vorlagegerichts, dass es „zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf das im gesamten übrigen Bilanzsteuerrecht geltende Realisationsprinzip“ komme. Das Bundesverfassungsgericht misst dem Grundsatz der Maßgeblichkeit allenfalls eingeschränkt verfassungsrechtliche Bedeutung bei und sieht gute Gründe zu bezweifeln, dass eine aktuelle bilanzielle Gewinnminderung mit der aktuellen finanziellen Leistungsfähigkeit einhergeht.

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Nicht hinreichend begründet ist die Vorlage auch hinsichtlich des zweiten Vergleichspaares, für das das Vorlagegericht eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem erkennt. Das Vorlagegericht legt einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinreichend dar. Darüber hinaus sind die tatsächlichen Annahmen des Vorlagegerichts nicht plausibel dargelegt.

Das Vorlagegericht geht im Wesentlichen zutreffend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG (a) aus, legt aber einen Verstoß des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG gegen diese Maßstäbe nicht hinreichend dar (b).

Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes davon aus, dass sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen im Sinne eines stufenlosen Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber ergeben, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Willkür ist dann anzunehmen, wenn ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers und damit höhere Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen können sich unter bestimmten Voraussetzungen ergeben. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass im Bereich des Steuerrechts ein – gegenüber einer reinen Willkürprüfung – strengerer Prüfungsmaßstab hinsichtlich der belastungsgleichen Ausgestaltung der Steuer besteht. Jedoch erkennt das Bundesverfassungsgericht hierbei einen Typisierungsspielraum des Gesetzgebers an, der seinerseits durch das Gebot der Verhältnismäßigkeit begrenzt wird.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seinem Wesen entsprechend ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen26. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen27.

Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen28. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen29. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind30.

3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt31. Willkür des Gesetzgebers kann zwar nicht schon dann bejaht werden, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat32. Es genügt aber Willkür im objektiven Sinn, das heißt die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand33. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt34.

Eine strengere Bindung des Gesetzgebers und damit höhere Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen können sich insbesondere ergeben, wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann35. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind36.

Den Steuergesetzgeber bindet Art. 3 Abs. 1 GG an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit37, der gebietet, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist38.

Der allgemeine Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum39. Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten40 verlangt jedoch eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen41. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag42.

Der Gesetzgeber darf allerdings bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen43. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt44.

Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen45. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden46. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen47. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen48.

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Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen49. Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist50.

Die Vorlage legt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht entsprechend den aufgezeigten Maßstäben dar. Das Gericht lässt insbesondere die gebotene Auseinandersetzung mit den Maßstäben zur Beurteilung des in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG festgelegten Rechnungszinsfußes vermissen, die das Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung vom 28.11.198451 zugrunde gelegt hat.

Der Erste Bundesverfassungsgericht des Bundesverfassungsgerichts entschied, dass die damalige Anhebung des Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen von 5, 5 % auf 6 % mit dem Grundgesetz vereinbar war. Unter dem Gesichtspunkt der unechten Rückwirkung ergäben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken; wesentlich sei, dass sich der Zinsfuß in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen halte. Verfassungsrechtliche Bedenken ergäben sich auch nicht mit Rücksicht auf das aus Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit.

Keiner Erörterung bedarf die Entscheidung des Gesetzgebers in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG für einen Rechnungszinsfuß, der für alle Unternehmen gleich und gesetzlich „starr“ festgelegt ist.

Zwar macht das Vorlagegericht eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem geltend, weil nicht die unternehmensindividuelle Rendite, sondern ein einheitlicher Rechnungszins von § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG festgelegt wird. Insoweit sieht es die Regelung jedoch dem Grunde nach nicht als gleichheitswidrig an. Diese Typisierung unabhängig von der individuellen Rendite sei hinnehmbar, wenn marktübliche Zinserträge typisiert würden.

Soweit der gesetzliche Rechnungszinsfuß „starr“ und nicht „atmend“ sei, sich also nicht automatisch wirtschaftlichen Gegebenheiten anpasse, äußert das Vorlagegericht zwar Bedenken. Aber erst die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Norm kann die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags gemäß Art. 100 GG begründen52.

Den Vorwurf der Willkür gegen § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG erhebt das Vorlagegericht allein insoweit, als sich kein einleuchtender Grund (mehr) für den Rechnungszinsfuß von 6 % finde. Es stützt sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf, dass zentrale und unabdingbare Voraussetzung verfassungskonformer Typisierung deren Realitätsgerechtigkeit sei. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, dort, wo statistische Daten vorhanden seien, die eine Identifikation typischer Fälle beziehungsweise die Bildung von Durchschnittswerten erlaubten, diese zu berücksichtigen.

Bereits den Bezugspunkt für eine realitätsgerechte Typisierung legt das Vorlagegericht nicht den Anforderungen entsprechend dar.

Es setzt sich allenfalls indirekt mit der Frage auseinander, welches Merkmal der Rechnungszinsfuß typisiert erfassen soll. Einerseits lässt sich dem Vorlagebeschluss die Vorstellung entnehmen, § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG antizipiere spätere Zinserträge. Denn er hält insoweit fest, dass die – auf das erste Vergleichspaar bezogene – Ungleichbehandlung umso schwerer wiege, „soweit die Vorschrift nicht nur sichere, quasi garantierte Zinserträge antizipiert, sondern unrealistisch hohe zukünftige Zinserträge zugrunde legt, die nur durch besonders riskante Kapitalanlagen erzielbar sind“. Andererseits geht das Vorlagegericht wohl (auch) davon aus, dass die Regelung den „Zinsvorteil der späteren Steuerzahlung“ erfassen solle, der darin liege, dass durch den zinsfreien Einsatz der rückgestellten Beträge im Vergleich zu einer alternativen Fremdkapitalaufnahme eine tatsächliche Zinsersparnis entsteht.

Vor allem erschließt sich daraus nicht, warum der Rechnungszinsfuß spätere Zinserträge oder den Zinsvorteil durch spätere Steuerzahlung typisieren müsste. Da § 6a EStG eine zeitlich gestreckte steuerliche Geltendmachung der Aufwendungen zur Erfüllung von Pensionszusagen bezweckt53, justiert der kalkulatorische Rechnungszinssatz den Steuerstundungseffekt aus der vorwegnehmenden Berücksichtigung künftiger Vermögensminderungen54. Hieraus ergibt sich noch nicht, dass dieser Steuerstundungseffekt die gleiche Höhe haben müsste wie der Zinsvorteil, der durch die Steuerstundung entsteht.

Zwar erscheint es plausibel, dass ein Unternehmen eher Pensionszusagen tätigt, wenn es durch die steuerliche Berücksichtigung von Pensionsrückstellungen Steuervorteile erlangt. Ebenfalls mag es nachvollziehbar sein, dass die Höhe der Steuervorteile durch Pensionsrückstellungen Einfluss darauf hat, ob ein Unternehmen Pensionszusagen tätigt. Namentlich wird der Anreiz geringer sein, wenn für das Unternehmen günstigere Alternativen zur Verfügung stehen, um seinen Kapitalbedarf zu decken. Aus diesen Annahmen folgt jedoch nicht, dass die Steuervorteile aus der Pensionsrückstellung eine bestimmte Höhe haben müssten.

Dafür müsste sich etwa erkennen lassen, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung des Rechnungszinsfußes auf 6 % diesen Steuervorteil als Anreiz zum Abschluss von Pensionszusagen erhalten wollte und dies den aktuellen Gesetzgeber zu einer Absenkung des Rechnungszinsfußes verpflichten könnte. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht jedoch in seiner Entscheidung vom 28.11.1984 ausgeführt, dass die Anhebung des Rechnungszinsfußes dem ursprünglich vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu stärken und zu erweitern, zwar zuwiderlaufe. Es liege aber im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ein ursprünglich verfolgtes rechtspolitisches Ziel aus haushaltspolitischen Notwendigkeiten aufzugeben oder einzuschränken55.

Auch die weiteren Erwägungen der Entscheidung vom 28.11.198451 können die Darlegung des maßgeblichen Bezugspunktes für eine realitätsgerechte Typisierung nicht ersetzen.

Der Erste Bundesverfassungsgericht hatte in dieser Entscheidung nicht die Höhe des Rechnungszinsfußes an sich, sondern seine Anhebung von 5, 5 % auf 6 % zu beurteilen. Diese Anhebung, die mit einer teilweisen Auflösung der bis zu diesem Zeitpunkt gebildeten steuerlich relevanten Pensionsrückstellungen verbunden war, deren Effekt auf zwölf Jahre verteilt wurde, sah das Bundesverfassungsgericht als eine teilweise Entwertung der steuerrechtlichen Rechtsposition an56. Er maß sie daher in erster Linie an den verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine unechte Rückwirkung. Da der Bürger grundsätzlich nicht darauf vertrauen könne, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen und steuerliche Freiräume aufrechterhalte, könne die durch diese Auflösung der Rückstellungen erfolgende „Enttäuschung“ der Erwartungen in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage gerechtfertigt sein. Dies gelte jedenfalls, solange sich das Ausmaß der Anhebung des Rechnungszinsfußes in einem Rahmen halte, der eine wirtschaftlich noch angemessene Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen zulasse57. Vergleichbar sei bereits 1960 der damalige Rechnungszinsfuß auf 5, 5 % angehoben worden, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass dies mindestens der Rendite entspreche, die das Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften könne, und dass der erhöhte Zinsfuß an den durchschnittlichen Zinssatz für langfristige Fremdgelder heranreiche. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass sich die erzielbare Rendite nur für jedes Unternehmen individuell ermitteln lasse. Wesentlich sei lediglich, dass sich der für alle Unternehmen einheitliche Zinsfuß in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen halte58.

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Aus diesen auf Belastungen durch die Anhebung des Rechnungszinsfußes bezogenen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts ließe sich zwar womöglich folgern, dass weitere Anhebungen des Rechnungszinsfußes unter veränderten Marktbedingungen nicht ohne Weiteres auf die gleiche Weise gerechtfertigt sein könnten. Es erschließt sich daraus aber nicht, dass eine Absenkung des Rechnungszinsfußes und damit die Ermöglichung neuer Steuerstundungseffekte geboten wäre.

Jedenfalls ohne weiteres ergibt sich dies auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht die angegriffene Regelung auch am Gebot der Steuergerechtigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gemessen und festgestellt hat, dass der § 6a EStG in der Fassung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes der wirtschaftlichen Belastung der Unternehmen durch Pensionszusagen ausreichend Rechnung trage, weil sich die Höhe des Rechnungszinsfußes in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen halte59.

Dass an diesem Maßstab festgehalten werden könne, wird mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Jubiläumsrückstellungen22 in Zweifel gezogen54. Das Vorlagegericht verknüpft diese Feststellung zu Art. 3 Abs. 1 GG mit der vorangehenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten sein könne zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung auch unter veränderten Umständen aufrechtzuerhalten sei60. Es erläutert aber nicht, warum auch für das Gebot der Steuergerechtigkeit die Überprüfungspflichten gelten sollen, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der unechten Rückwirkung aufgestellt hat.

Das Vorlagegericht verweist insoweit darauf, dass § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG als Typisierung von Zinssätzen eine Prognoseentscheidung sei, die verfassungswidrig werde, wenn die Prognose nicht eintreffe. Es fehlt jedoch eine Begründung dafür, dass solche Prognosen für das Gebot der Steuergerechtigkeit im vorliegenden Fall von Bedeutung sein sollen.

Auch wenn man mit dem Vorlagegericht davon ausginge, dass der Rechnungszinsfuß eine reale Marktgröße abbilden müsste, wäre die Vorlage nicht ausreichend begründet.

Im Ausgangspunkt nachvollziehbar beschränkt sich das Vorlagegericht nicht allein auf den marktüblichen Zins als Vergleichsmaßstab. Hierauf hatte sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1984 beschränkt61. Da seit dem Jahr 1999 mit dem Jahresabschlussdatenpool der Bundesbank Kenndaten zur Unternehmensrendite zur Verfügung stehen, die hinsichtlich der Kennzahl Jahresergebnis bis in das Jahr 1987 zurückreichen62, dürfte es nicht genügen, allein auf die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt abzustellen. Das Vorlagegericht stützt sich dementsprechend auch auf die Auswertung dieses Datenpools in der Statistischen Sonderveröffentlichung 5, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 1997 bis 2013, 2015.

Seine Ausführungen zur durchschnittlichen Unternehmensrendite sind jedoch nicht aus sich heraus verständlich. Das Vorlagegericht gibt an, es habe zur Ermittlung der durchschnittlichen Unternehmensrendite („Gesamtkapitalrendite“) das Verhältnis aus Jahresüberschuss zu Bilanzsumme gebildet. Jahresüberschuss meint das Jahresergebnis nach Steuern und Zinsaufwendungen. Das Vorlagegericht führt nichts dazu aus, ob alternative Methoden zur Ermittlung der durchschnittlichen Unternehmensrendite in Betracht kämen und warum die von ihm gewählte Methode zwingend oder jedenfalls sachgerechter Weise zugrunde zu legen wäre. Hierzu hätte jedoch Anlass bestanden, denn obwohl das Vorlagegericht explizit auf den Aufsatz von Weckerle63 Bezug nimmt, wählt es eine andere Berechnungsweise, als dieser vorschlägt, nämlich die Bildung des Verhältnisses des Ergebnisses vor Zinsen bezogen auf das insgesamt eingesetzte und auf der Aktivseite ausgewiesene Kapital. Nicht begründet hat das Vorlagegericht ferner, warum es das Ergebnis nach (und nicht vor) Steuern zugrunde gelegt hat64. Die Stellungnahme des Bevollmächtigten der Klägerin zu der Frage der Ermittlung der Unternehmensrendite kann dem Begründungsmangel des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses nicht abhelfen, da sie nichts darüber aussagen kann, von welchen Umständen das Vorlagegericht selbst ausgegangen ist.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.07.2021, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen verfassungswidrig war, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.01.2014 ein Zinssatz von monatlich 0, 5 % zugrunde gelegt worden ist65.

Der Erste Bundesverfassungsgericht des Bundesverfassungsgerichts erklärte § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.01.2014 ein Zinssatz von 0, 5 % für jeden Monat zugrunde gelegt wird. Die Anwendung der Vorschriften führe zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die dem Fiskus aufgrund einer Steuerfestsetzung einen bestimmten Steuerbetrag schuldeten. Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt werde, würden gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt werde, ungleich behandelt66.

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Das Vorlagegericht war zwar nicht gehalten, sich mit dieser Entscheidung auseinanderzusetzen, da keine generelle verfassungsprozessuale Verpflichtung eines vorlegenden Gerichts besteht, den Vorlagebeschluss im Hinblick auf erhebliche tatsächliche oder rechtliche Entwicklungen, die sich erst nach der Vorlage ergeben, fortlaufend zu überwachen und gegebenenfalls zu aktualisieren67. Die Entscheidung sagt aber für die hier verfahrensgegenständliche Frage nichts aus54. Im Übrigen geht auch das Vorlagegericht selbst davon aus, dass der Maßstab zur Vereinbarkeit des starren Zinssatzes von 6 % bei Aussetzungszinsen mit dem Grundgesetz im Streitfall nicht anwendbar ist.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. Juli 2023 – 2 BvL 22/17

  1. FG Köln, Beschluss vom 12.10.2017 – 10 K 977/17[]
  2. vgl. BVerfGE 97, 117 <122 f.> 127, 335 <355>, 131, 88 <117> 153, 310 <330 Rn. 47>[]
  3. vgl. BVerfGE 65, 265 <277> 97, 49 <66 f.>[]
  4. vgl. BVerfGE 133, 1 <11 Rn. 35> 135, 1 <10 f. Rn. 28> 136, 127 <142 Rn. 44; 145 ff. Rn. 53 ff.> 138, 1 <13 Rn. 37> 153, 310 <333 Rn. 55> 156, 354 <386 Rn. 100>[]
  5. vgl. BVerfGE 37, 328 <333 f.> 65, 265 <277>[]
  6. vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.> 79, 240 <243> 105, 61 <67> 121, 108 <117> 133, 1 <11 Rn. 35> 135, 1 <10 f. Rn. 28> 136, 127 <142 Rn. 44> 138, 1 <13 Rn. 37>[]
  7. vgl. BVerfGE 74, 182 <195 f.> 93, 386 <395> stRspr[]
  8. vgl. zur verfassungsrechtlichen Indifferenz zu dieser Möglichkeit BVerfGE 123, 111 <123 ff.>[]
  9. BVerfGE 141, 1 <11 Rn. 22>[]
  10. BVerfGE 131, 88 <118> 136, 127 <142 Rn. 45> m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 17.12.2019 – 1 BvL 6/16, Rn. 16; Beschlüsse vom 09.07.2018 – 1 BvL 2/18, Rn. 15; und vom 23.01.2014 – 1 BvL 2/13 u.a., Rn. 22, 25 ff.[]
  11. vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.12.2016 – 1 BvL 10/14, Rn. 35[]
  12. vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.07.2018 – 1 BvL 2/18, Rn.19[]
  13. vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.02.2016 – 1 BvL 8/12, Rn. 21[]
  14. vgl. BVerfGK 17, 360 <366> vgl. auch BVerfGE 131, 66 <82>[]
  15. vgl. Clemens/Förstermann, Wirtschaftsdienst 2015, S. 627 <627>[]
  16. vgl. BVerfGE 68, 287 <301 ff.>[]
  17. vgl. BVerfGE 123, 111 <124 f.>[]
  18. vgl. die Erwägungen zur Liquidität und dem Fremdkapitalbedarf der Unternehmen in BT-Drs. 3/1811, S. 6 ff.; 3/1941, S. 2 f., auch BT-Drs. 9/795, S. 41[]
  19. vgl. BT-Drs. 7/1281, S. 37[]
  20. vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 34, li. Sp., 35[]
  21. BGBl I S. 1093[]
  22. BVerfGE 123, 111[][]
  23. BVerfGE 123, 111 <123>[]
  24. BVerfGE 123, 111 <124>[]
  25. BVerfGE 123, 111 <125>[]
  26. vgl. BVerfGE 110, 412 <431> 116, 164 <180> 122, 210 <230> 126, 268 <277> 145, 106 <141 f. Rn. 98> 148, 147 <183 Rn. 94> 160, 41 <63 Rn. 51> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 68[]
  27. BVerfGE 75, 108 <157> 107, 218 <244> 115, 381 <389> 141, 1 <38 Rn. 93> 145, 106 <142 Rn. 98> 152, 274 <311 Rn. 95> 160, 41 <63 Rn. 51> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 69[]
  28. vgl. BVerfGE 105, 73 <111> 107, 27 <45 f.> 112, 268 <279> 122, 210 <230> 126, 268 <277> 133, 377 <407 Rn. 74> 138, 136 <180 Rn. 121> 145, 106 <142 Rn. 98> 152, 274 <312 Rn. 96> 160, 41 <63  f. Rn. 52> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 70; stRspr[]
  29. stRspr; vgl. BVerfGE 110, 274 <291> 112, 164 <174> 116, 164 <180> 122, 210 <230> 126, 268 <277> 133, 377 <407 Rn. 74> 138, 136 <180 f. Rn. 121 f.> 141, 1 <38 f. Rn. 93> 145, 106 <142 Rn. 98> 148, 147 <184 Rn. 94 f.> 152, 274 <312 Rn. 96> 160, 41 <64 Rn. 52> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 70[]
  30. vgl. BVerfGE 124, 199 <220> 129, 49 <68> 130, 240 <253> 132, 179 <188 Rn. 30> 133, 59 <86 Rn. 72> 135, 126 <143 Rn. 52> 141, 1 <38 Rn. 93> 145, 106 <142 Rn. 98> 148, 147 <183 f. Rn. 94> 152, 274 <312 Rn. 96> 158, 282 <327 Rn. 110> 160, 41 <64 Rn. 52> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 70[]
  31. vgl. BVerfGE 1, 14 <52> 89, 132 <141> 105, 73 <110> 107, 27 <45 f.> 110, 412 <431 f.> 113, 167 <214> 145, 106 <143 Rn. 101> 152, 274 <312 Rn. 97> 160, 41 <64 Rn. 53> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 71[]
  32. BVerfGE 55, 72 <90> 89, 132 <141 f.> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 71[]
  33. vgl. BVerfGE 4, 144 <155> 36, 174 <187> 55, 72 <90> 145, 106 <143 Rn. 101> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 71[]
  34. vgl. BVerfGE 9, 334 <337> 55, 72 <90> 76, 256 <329> 85, 176 <187> 101, 275 <291> 115, 381 <389> 141, 1 <39 Rn. 94> 145, 106 <143 Rn. 101> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 71[]
  35. stRspr; vgl. BVerfGE 112, 164 <174> 122, 210 <230> 126, 268 <277> 138, 136 <181 Rn. 122> 139, 285 <309 Rn. 71> 141, 1 <39 Rn. 94> 145, 106 <145 Rn. 105> 148, 147 <184 Rn. 95> 152, 274 <313 Rn. 98> m.w.N.[]
  36. vgl. BVerfGE 88, 87 <96> 129, 49 <69> 138, 136 <180 f. Rn. 122> 145, 106 <145 Rn. 105> 160, 41 <64 f. Rn. 54> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 72[]
  37. BVerfGE 6, 55 <70>[]
  38. BVerfGE 43, 108 <120> 61, 319 <343 f.> 66, 214 <223> 82, 60 <86> 89, 346 <352> 127, 224 <248> 145, 106 <142 Rn. 99> 152, 274 <313 Rn. 99> 160, 41 <65 Rn. 55> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 75[]
  39. BVerfGE 127, 1 <27> 139, 285 <309 Rn. 72> 145, 106 <143 f. Rn. 102> 148, 147 <184 f. Rn. 96> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 76[]
  40. vgl. BVerfGE 120, 1 <44> 123, 1 <19> 145, 106 <144 Rn. 103>[]
  41. BVerfGE 84, 239 <271> 93, 121 <136> 99, 88 <95> 99, 280 <290> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 76[]
  42. vgl. BVerfGE 105, 73 <125> 137, 350 <366 Rn. 41> 138, 136 <181 Rn. 123> 141, 1 <40 Rn. 96> 145, 106 <144 Rn. 104 m.w.N.> 148, 147 <184 Rn. 96> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 76; stRspr[]
  43. vgl. BVerfGE 84, 348 <359> 113, 167 <236> 126, 268 <278 f.> 133, 377 <412 Rn. 86> 145, 106 <145 Rn. 106> 152, 274 <314 Rn. 101> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 77[]
  44. vgl. BVerfGE 11, 245 <254> 78, 214 <227> 84, 348 <359> 122, 210 <232> 126, 268 <278> 133, 377 <412 Rn. 86> 145, 106 <145 f. Rn. 106> 152, 274 <314 Rn. 101> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 73[]
  45. vgl. BVerfGE 82, 159 <185 f.> 122, 210 <232> 126, 268 <279> 133, 377 <412 Rn. 87> 152, 274 <314 Rn. 102> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 74[]
  46. BVerfGE 111, 115 <137> 152, 274 <314 Rn. 102>[]
  47. BVerfGE 122, 210 <232 f.> 126, 268 <279> 132, 39 <49 Rn. 29> 133, 377 <412 Rn. 87> 152, 274 <314 f. Rn. 102> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 74[]
  48. vgl. BVerfGE 116, 164 <182 f.> 122, 210 <232 f.> 126, 268 <279> 132, 39 <49 Rn. 29> 133, 377 <412 Rn. 87> 137, 350 <375 Rn. 66> 145, 106 <146 Rn. 107> 152, 274 <315 Rn. 102> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 74[]
  49. BVerfGE 110, 274 <292> 117, 1 <31> 120, 1 <30> 123, 1 <19> 133, 377 <413 Rn. 88> 137, 350 <375 Rn. 66> 145, 106 <146 f. Rn. 108> 152, 274 <315 Rn. 103>[]
  50. BVerfGE 63, 119 <128> 84, 348 <360> 126, 233 <263 f.> 133, 377 <413 Rn. 88> 145, 106 <146 f. Rn. 108> 152, 274 <315 Rn. 103> BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14 u.a., Rn. 74[]
  51. BVerfGE 68, 287[][]
  52. vgl. BVerfGE 1, 184 <188 f.> 68, 337 <344> 80, 54 <59> 86, 52 <57> 138, 64 <92 Rn. 82>[]
  53. vgl. BT-Drs. 2/481, S. 78[]
  54. vgl. Briese, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 6a Rn. D 83 [][][]
  55. BVerfGE 68, 287 <309 f.>[]
  56. vgl. BVerfGE 68, 287 <307>[]
  57. BVerfGE 68, 287 <307 f.>[]
  58. BVerfGE 68, 287 <308>[]
  59. BVerfGE 68, 287 <310>[]
  60. unter Berufung auf BVerfGE 68, 287 <309>[]
  61. vgl. BVerfGE 68, 287 <308 f.>[]
  62. vgl. Deutsche Bundesbank, Statistische Sonderveröffentlichung 5, Jahresabschlüsse westdeutscher Unternehmen 1971 bis 1996, 1999, S.19 ff.[]
  63. Weckerle, DB 2017, S. 1284, 1286 f.[]
  64. für die Zugrundelegung des Ergebnisses vor Steuern ebenfalls Melan, DStR 2018, S. 1512 <1517>, und Schätzlein, FR 2020, S. 947 <948 f. m.w.N.> letzterer ermittelt auf diese Weise Unternehmensrenditen, die noch 2018 über 6 % lagen; offenlassend, ob das Ergebnis vor oder nach Steuern zugrunde zu legen ist, Weckerle, DB 2017, S. 1284 <1287 Fn. 40> vgl. auch Briese, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 6a Rn. D 83 []
  65. BVerfGE 158, 282[]
  66. BVerfGE 158, 282 <324 f. Rn. 103>[]
  67. vgl. BVerfGE 135, 1 <11 f. Rn. 32>[]
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Der Selbständige - und die Fahrten zu ständig wechselnden Betriebsstätten

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