Streit über Grund oder Höhe des Gesamthandsgewinns einer Personengesellschaft – und die Klage des Gesellschafters

Besteht Streit über Grund oder Höhe des in einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen festgestellten Gesamthandsgewinns einer Personengesellschaft, ist nur die Gesellschaft selbst klagebefugt. Eine Klagebefugnis des Gesellschafters ergibt sich nicht schon daraus, dass ihm der streitige Gewinn alleine zugerechnet wurde.

Streit über Grund oder Höhe des Gesamthandsgewinns einer Personengesellschaft – und die Klage des Gesellschafters

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen können. Solche selbständigen Feststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft und wer an ihr beteiligt ist, die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer und die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung. Der in Feststellungsbescheiden häufig angegebene „Gesamtgewinn“ bezeichnet lediglich rechnerisch die Summe der verschiedenen Besteuerungsgrundlagen, entfaltet aber keinerlei Rechtswirkungen1.

Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO können gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Klagebevollmächtigte i.S. des § 48 Abs. 2 FGO Klage erheben.

Diese Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass gegen den nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (gesondert und einheitlich) ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid im Grundsatz nur die Personengesellschaft im eigenen Namen, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Klage erheben kann, obwohl sich dieser Bescheid inhaltlich an die einzelnen Gesellschafter als Inhaltsadressaten richtet. Für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft wird damit ein Teil der aus § 40 Abs. 2 FGO folgenden Klagebefugnis der Gesellschafter auf die Gesellschaft verlagert. Den Gesellschaftern selbst steht ein eigenes Klagerecht gegen solche Feststellungsbescheide nur in den Fällen zu, in denen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO vorliegen.

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Nach der in der Vorinstanz vom Finanzgericht Münster2 seiner Annahme einer Klagebefugnis der Gesellschafterin zugrunde gelegten Regelung in § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO steht einem Gesellschafter die Klagebefugnis zu, soweit es sich im Streitfall um eine Frage handelt, die diesen Gesellschafter persönlich angeht. Diese Voraussetzung ist nicht bereits dann erfüllt, wenn die gesondert und einheitlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen Bedeutung für die Besteuerung des Gesellschafters haben. Der Wortlaut würde ein solches Verständnis zwar zulassen, ließe dann aber die bewusste Beschränkung der Klagebefugnis der Gesellschafter durch § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO leerlaufen. So würde etwa bei einer typischen Ein-Personen-GmbH & Co. KG immer auch der Kommanditist klagebefugt sein, weil ihm der Gewinn alleine zuzurechnen ist. Dem Zweck des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO entspricht es vielmehr, nur die Gesellschaft selbst als klagebefugt zu betrachten, wenn Uneinigkeit über die Qualifikation und/oder die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte besteht. Kennzeichen der in § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO angesprochenen persönlichen Streitfragen ist, dass sie nicht dem Bereich der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung, sondern wie beispielsweise die Frage über das Vorliegen oder die Höhe von Sonderbetriebseinnahmen- der eigenen Sphäre des Gesellschafters zugeordnet sind3.

Da Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens ausschließlich der festgestellte Gesamthandsgewinn der Kommanditgesellschaft ist, hätte eine Klage nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nur von der Kommanditgesellschaft selbst erhoben werden dürfen. Der Gesellschafterin stand nach den vorgenannten Maßstäben daneben keine eigene Klagebefugnis zu.

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Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Münster steht mit der Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalls keine Frage im Streit, die die Gesellschafterin als Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft persönlich angeht. Dass angesichts der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise nur für ihren Anteil an der Kommanditgesellschaft die gewinnwirksame Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG bei der Kommanditgesellschaft im Streit steht und sich deshalb die nach Auffassung der Gesellschafterin fehlerhafte Feststellung im Ergebnis nur auf sie selbst auswirken konnte, reicht für deren Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht aus. Zwar hat die im Streit stehende gesondert und einheitlich festgestellte Besteuerungsgrundlage Bedeutung für die Besteuerung der Gesellschafterin als Gesellschafterin, gleichwohl ist aber auch hier nur der Bereich der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung betroffen. Eine Zuordnung der den Gesamthandsgewinn der Kommanditgesellschaft betreffenden Streitfrage zur eigenen Sphäre der Gesellschafterin als Gesellschafterin scheidet deshalb nach den oben ausgeführten Maßstäben aus. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 19.12.20124. Insoweit übersieht das Finanzgericht, dass es im dortigen Streitfall um die Rechtmäßigkeit der Übertragung bzw. der Auflösung von Rücklagen ging, die nicht in der Gesamthandsbilanz einer Personengesellschaft gebildet worden waren, sondern in den Sonderbilanzen der Gesellschafter. Die Frage der gewinnwirksamen Auflösung der Rücklagen betraf daher den jeweiligen Sonderbetriebsgewinn jener Gesellschafter und begründete deshalb anders als hier- deren subjektive Klagebefugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO.

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Im Übrigen könnte sich auch aus § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO keine Klagebefugnis der Gesellschafterin ergeben. Danach ist, soweit es sich im konkreten Streitfall darum handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, jeder klagebefugt, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird. Die Gesellschafterin macht hier aber nicht geltend, dass der Gewinn aus der zinswirksamen Auflösung des ihrer Beteiligung entsprechenden Anteils an der in der Gesamthandsbilanz der Kommanditgesellschaft gebildeten § 6b-Rücklage ganz oder teilweise anderen Gesellschaftern zuzurechnen sei, sondern dass aus dem Vorgang dem Grunde nach kein Gesamthandsgewinn entstanden sei.

Mit der Einräumung einer Klagebefugnis für die Gesellschaft unter gleichzeitiger Einschränkung der Klagebefugnis für die Gesellschafter in Bezug auf Grund und Höhe des Gesamthandsgewinns beinhaltet § 48 Abs. 1 FGO keine Verletzung des Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes nach Art.19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Auch wird die Bedeutung dieses Grundsatzes bei der Auslegung der Norm durch die ständige Rechtsprechung des BFH nicht verkannt5. Solange der Gesellschafter nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden ist und keine ernstlichen Meinungsverschiedenheiten i.S. des § 183 Abs. 2 Satz 1 AO bestehen, die zu einer Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an den Gesellschafter selbst nötigen, kann dem Gesellschafter zugemutet werden, dass eine Klage betreffend Grund oder Höhe des Gesamthandsgewinns nur von der Gesellschaft selbst erhoben werden darf6.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. Juli 2022 – IV R 23/19

  1. z.B. BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 17[]
  2. FG Münster, Urteil vom 17.06.2019 – 4 K 3539/16 F[]
  3. BFH, Urteile vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 22; vom 18.08.2015 – I R 42/14, Rz 10; und vom 28.09.2017 – IV R 17/15, Rz 21 f.[]
  4. BFH, Urteil vom 19.12.2012 – IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl – II 2013, 313[]
  5. dazu ausführlich BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 25 ff.[]
  6. BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 27[]