Für Veräußerungsgewinne als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kommt die Tarifbegrenzung des § 32c EStG weder ganz noch teilweise in Betracht.

Gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG bemisst sich die tarifliche Einkommensteuer nach dem zu versteuernden Einkommen (zvE). Sie berechnet sich bei zusammenveranlagten Ehegatten unter Anwendung des Splitting-Verfahrens grundsätzlich nach dem allgemeinen Tarif (§ 32a Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 EStG). Hiervon ausgenommen sind u.a. außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 EStG, der für die dort genannten Fälle als spezielle Tarifvorschrift der allgemeinen Tarifvorschrift des § 32a EStG vorgeht (§ 32a Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 5 EStG). Von der durch Anwendung der allgemeinen und besonderen Tarifvorschriften ermittelten tariflichen Einkommensteuer ist in einem weiteren Schritt u.a. der Entlastungsbetrag nach § 32c EStG abzuziehen, wenn in dem zvE Gewinneinkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 EStG enthalten sind. Gemäß § 32c Abs. 1 Satz 4 EStG gelten dabei Einkünfte, die nach den §§ 34, 34b EStG ermäßigt besteuert werden, nicht als begünstigte Gewinneinkünfte.
Außerordentliche Einkünfte sind nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgewinne i.S. des § 16 EStG, wie sie die Kläger im Streitjahr durch die Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile erzielt haben. Im Gegensatz zu laufenden Gewinneinkünften unterliegen Veräußerungsgewinne dem Grunde nach einer Sonderbesteuerung. Diese gestattet die Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte mit ermäßigten Steuersätzen, um die Progressionswirkung zu mildern, die sich ansonsten durch die Zusammenrechnung der einmaligen mit den laufenden Einkünften für Letztere ergeben würde, ohne dass es zu einer nachhaltigen Erhöhung der Leistungsfähigkeit kommt1.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatten die beiden Kläger (Ehegatten) im Veräußerungszeitpunkt ihr 55. Lebensjahr bereits vollendet, so dass sie anstelle der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG die Versteuerung ihrer Veräußerungsgewinne mit dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen konnten. Der Höhe nach ist die Anwendung dieses ermäßigten Steuersatzes auf den Betrag von 5 Mio. EUR beschränkt (§ 34 Abs. 3 Satz 1 EStG). Auf den übersteigenden Betrag sind vorbehaltlich der Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG) die allgemeinen Tarifvorschriften anwendbar (§ 34 Abs. 3 Satz 3 EStG). Im Streitfall wurde von der Anwendung der Fünftel-Regelung abgesehen, weil sich ansonsten eine höhere steuerliche Belastung des übersteigenden Betrags ergeben hätte.
Für Veräußerungsgewinne als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kommt die Tarifbegrenzung des § 32c EStG weder ganz noch teilweise in Betracht.
Die Entlastung der Gewinneinkünfte durch § 32c EStG ist das Gegenstück zu der mit dem Steueränderungsgesetz 2007 vom 19.07.20062 eingeführten fünften Tarifzone in § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG, weil diese Einkünfte nach dem Willen des Gesetzgebers von der Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab einem zvE von 250.000 EUR bzw. 500.000 EUR für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform 2008 –und damit ausschließlich für den Veranlagungszeitraum 2007– ausgenommen werden sollten3. Gesetzestechnisch wurde für die Gewinneinkünfte indes keine Ausnahme von der allgemeinen Tarifnorm des § 32a EStG eingeführt; vielmehr sollte die Steuersatzerhöhung insoweit durch den an den Grundtarif anknüpfenden Entlastungsbetrag nach § 32c EStG kompensiert werden.
Da im ursprünglichen Gesetzentwurf die Gewinneinkünfte ohne Einschränkung für die Ermittlung des Entlastungsbetrags heranzuziehen waren, bat der Bundesrat im weiteren Gesetzgebungsverfahren u.a. zu prüfen, inwieweit die Regelungen zum Zuschlag auf die Einkommensteuer (§ 32a Abs. 1 EStG) und zur Tarifbegrenzung (§ 32c EStG) in den Fällen des Zusammentreffens mit tarifermäßigt zu besteuernden Einkommensteilen (§§ 34, 34b EStG) so ausgestaltet werden könnten, dass Gewinneinkünfte in vollem Umfang von der Tariferhöhung ausgenommen würden, die Steuerbelastung aber nicht unter das für das Jahr 2006 geltende Niveau sinke4. Daraufhin sollten diese Einkünfte zur Vermeidung unsystematischer Ergebnisse durch die Überlagerung der verschiedenen Tarifsysteme aus dem Anwendungsbereich des § 32c EStG ausgeschlossen werden5. § 32c Abs. 1 Satz 4 EStG bezweckte mithin, außerordentliche Einkünfte i.S. der §§ 34, 34b EStG bei der Ermittlung des Entlastungsbetrags nicht zu berücksichtigen und ausschließlich nach den für sie geltenden ermäßigten Tarifen zu besteuern6.
Als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind die Veräußerungsgewinne im Streitfall durch § 32c Abs. 1 Satz 4 EStG von der Anwendung der Tarifentlastung insgesamt ausgenommen. Entgegen der Auffassung der Kläger gilt der Ausschluss auch für die Teile der Veräußerungsgewinne, die die Betragsgrenze von 5 Mio. EUR übersteigen7. Auch insoweit handelt es sich um außerordentliche Einkünfte, die dem Grunde nach der ermäßigten Besteuerung des § 34 EStG unterliegen.
Diese Auslegung der § 32c und § 34 EStG entspricht entgegen der Ansicht der Kläger dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, auch wenn dieser ursprünglich bekundet hat, Gewinneinkünfte sollten von der Erhöhung des Steuersatzes ausgenommen bleiben, weil diese mit einem spezifisch unternehmerischen Risiko behaftet seien8. Dadurch, dass der Gesetzgeber sich technisch für einen pauschalierten Entlastungsbetrag entschieden hat, gelingt die beabsichtigte Kompensation von vornherein nicht in allen Fällen9. Bereits deshalb geht die Behauptung der Kläger ins Leere, eine Schlechterstellung von Beziehern von Gewinneinkünften im Vergleich zum Vorjahr sei (generell) nicht beabsichtigt gewesen. Richtig ist zwar, dass das Steuerbelastungsniveau des Veranlagungszeitraums 2006 nicht unterschritten werden sollte. Daraus ergibt sich aber nicht der von den Klägern gezogene Schluss, eine Mehrbelastung habe der Gesetzgeber „offensichtlich nicht beabsichtigt“ und dürfe in keinem Falle eintreten. Durch die Umsetzung mittels eines pauschalierten Entlastungsbetrags hat der Gesetzgeber vielmehr in Kauf genommen, dass es in bestimmten Konstellationen nicht zu einer vollständigen Kompensation der Tariferhöhung und damit zu einer Mehrbelastung kommt.
Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, die außerordentlichen Einkünfte „ausschließlich nach den für sie geltenden ermäßigten Tarifen“ besteuern zu wollen6. Er unterscheidet damit im Rahmen des § 32c EStG erkennbar zwischen den bereits anderweitig tarifmäßig begünstigten Veräußerungsgewinnen und den laufenden Gewinnen, die dem allgemeinen Tarif ohne Einschränkung unterliegen. Wie sich die Tarifermäßigung des § 34 EStG im Einzelfall auswirkt, war für den Gesetzgeber nicht von Bedeutung. Auch hier hat er sich durch die vollständige Herausnahme der außerordentlichen (Gewinn-)Einkünfte für eine typisierende Lösung entschieden. Zutreffend weisen die Vorinstanz und das Finanzgericht Nürnberg10 in diesem Zusammenhang darauf hin, der Wortlaut des § 32c Abs. 1 Satz 4 EStG enthalte gerade keine dahingehende Einschränkung, dass außerordentliche Gewinneinkünfte nur „insoweit“ nicht als Gewinneinkünfte gelten würden. Eine Kumulation von § 32c EStG und § 34 EStG ist ausgeschlossen.
Im Übrigen unterlagen auch die die Betragsgrenze von 5 Mio. EUR übersteigenden Teile der Veräußerungsgewinne tatsächlich der Besteuerung nach § 34 EStG (§ 34 Abs. 3 Satz 3 EStG). Da die Anwendung der Fünftel-Regelung zu einer gegenüber der Normalbesteuerung nach § 32a EStG nicht günstigeren Besteuerung geführt hätte, hat das Finanzamt aus Billigkeitsgründen die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht angewandt. Dass es deshalb im Streitfall tatsächlich nicht zu einer (weiteren) Ermäßigung kam, ist nach den vorstehenden Ausführungen unerheblich. Die Formulierung „die nach §§ 34, 34b ermäßigt besteuert werden“ umschreibt lediglich zwei spezielle Gruppen von Einkünften, die –anders als „laufende“ Einkünfte– einer besonderen Besteuerung unterliegen. Ziel dieser Sonderbesteuerung ist eine gegenüber § 32a EStG ermäßigte Besteuerung, zu der es im Regelfall auch kommt. Entscheidend ist mithin, dass die von § 32c EStG ausgenommenen Einkünfte –wie im Streitfall– allein dem Grunde nach der Anwendung des § 34 EStG unterliegen.
Die Kläger können auch nicht deshalb die Einbeziehung der von § 34 Abs. 3 EStG nicht erfassten Teile ihrer Veräußerungsgewinne in die Ermittlung des Entlastungsbetrags nach § 32c EStG verlangen, weil das Finanzamt insoweit von der Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG aus Billigkeitsgründen zugunsten von § 32a EStG abgesehen hat. Gründe dafür, diese Billigkeitsmaßnahme insoweit auszuweiten, dass auch der Entlastungsbetrag nach § 32c EStG gewährt wird, sind nicht erkennbar.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juni 2013 – X R 9/12
- vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 34 Rz 1[↩]
- BGBl I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432[↩]
- vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 330/06, 22[↩]
- Empfehlung des Finanzausschusses des Bundesrats, BR-Drs. 330/1/06, 2; Beschluss des Bundesrats, BT-Drs. 16/1859, 6[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/1969, 2 und Bericht des Finanzausschusses des Bundestages, BT-Drs. 16/2028, 10[↩]
- BT-Drs. 16/2028, 10[↩][↩]
- ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 21.09.2011 – 3 K 1208/10; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 34 Rz 56; Zimmermann in Lademann, EStG, § 34 Rz 150; Lemaire, EFG 2012, 1670[↩]
- zur verfassungsrechtlichen Problematik der Begründung dieser Privilegierung, vgl. z.B. Schmidt/Loschelder, EStG, 29. Aufl., § 32c Rz 3, m.w.N.; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32c Rz 10-13; Schiffers, DStZ 2006, 755; sowie FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 14.12.2012 – 1 K 2309/09 E, EFG 2013, 692[↩]
- vgl. hierzu Hechtner/Hundsdoerfer, Betriebs-Berater 2006, 2123; Schiffers, DStZ 2006, 755[↩]
- FG Nürnberg, a.a.O.[↩]