Technische Datenverarbeitung durch Freiberufler

Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG unter anderem die selbständige Berufstätigkeit der Ingenieure und ähnlicher Berufe. In diesem Umfeld der Ingenieure und ähnlichen Berufe hat nun der Bundesfinanzhof den Kreis der Freiberufler im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung erweitert.

Technische Datenverarbeitung durch Freiberufler

bisherige Rechtsprechung: Software-Entwicklung[↑]

In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs war geklärt, dass die Entwicklung von anspruchsvoller Software durch Diplom-Informatiker oder vergleichbar qualifizierte Autodidakten eine ingenieurähnliche und damit keine gewerbliche, sondern eine freie Berufstätigkeit darstellt.

neue Rechtsprechung: technischer Bereich der Datenverarbeitung[↑]

Für den technischen Bereich der elektronischen Datenverarbeitung hat der BFH nunmehr den Kreis der ingenieurähnlichen Tätigkeiten erweitert. Danach kann neben dem sogenannten software-engineering auch die Administratorentätigkeit, die Betreuung, individuelle Anpassung und Überwachung von Betriebssystemen oder die Tätigkeit als leitender Manager von großen IT-Projekten als freiberuflich zu qualifizieren sein.

Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist, wer über die erforderliche Berufsqualifikation verfügt und eine Ingenieurtätigkeit auch tatsächlich ausübt.

Über die persönliche Qualifikation als Ingenieur verfügt derjenige, der wegen der Prägung des Berufsbildes des Ingenieurs durch die Ingenieurgesetze der Länder aufgrund seiner Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder eines Betriebsführerlehrganges an einer Bergschule befugt ist, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen1. Dem steht das Studium an einer staatlichen Berufsakademie gleich, wenn sein Abschluss zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur berechtigt2.

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Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Welche Aufgaben für den Beruf des Ingenieurs i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG typisch sind, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung. Zu den Aufgaben des Ingenieurs gehört es, auf der Grundlage naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen3. Typisch für den Beruf des Ingenieurs sind aber auch überwachende, kontrollierende und rein beratende Tätigkeiten, soweit sie nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet sind4.

Kernbereiche des Ingenieurberufs sind nach Auffassung des Bundesfinanzhofs im Einzelnen: Forschung und Lehre, Entwicklung, Konstruktion, Planung, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung, Vertrieb, Beratung, Versuchs- und Prüfungswesen, technische Verwaltung und Betriebsführung, Produktions- und Prozesssteuerung, Sicherheit, Patent- und Normenwesen5.

Auf dem Gebiet der EDV und der Informationstechnik gehören zu den Tätigkeiten von Ingenieuren nicht nur die Entwicklung und Konstruktion von Hard- und Software6. Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung. Informatik-Ingenieure arbeiten u.a. auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die Energieeffizienz bestehender Systeme7.

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Systemadministrator[↑]

Auf dieser Grundlage entschied der Bundesfinanzhof, dass ein Diplom-Ingenieur der Studienrichtung technische Informatik, der als Netz- oder Systemadministrator eine Vielzahl von Servern betreut, den Beruf des Ingenieurs ausübt und mithin freiberufliche, nicht der Gewerbesteuer unterliegende Einkünfte erzielt.

Die Tätigkeit des Systemadministrators ist, so der Bundesfinanzhof in seinen Urteilsgründen, davon geprägt, dass er für den freien Beruf des Informatik-Ingenieurs typische Aufgaben wahrnimmt. Er ist nicht fachfremd, sondern im Bereich der EDV berufstätig. Als Systemadministrator hat er Rechnernetze mit mehreren tausend Nutzern zu überwachen, zu optimieren, zu betreuen und zu verwalten. Er ist zudem für die Fehleranalyse und -beseitigung verantwortlich. Derartige Tätigkeiten werden, so der BFH ausdrücklich, vom Berufsbild des Informatik-Ingenieurs erfasst.

Ein als Systemadministrator tätiger Diplom-Ingenieur für technische Informatik kann einen freien Beruf ausüben.

[VIII R 31/07]

Technische Computer-Dienstleistungen[↑]

In zwei weiteren Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof weitere technische Dienstleistungen, die ausgewiesene Computerfachleute erbracht hatten, ebenfalls als ingenieurähnlich eingestuft.

 

Betreuung von Datenübertragungssystemen

Ein Autodidakt, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, kann einen ingenieurähnlichen und damit freien Beruf ausüben, wenn er Betriebs- und Datenübertragungssysteme einrichtet und betreut.

[VIII R 63/06]

Mit der Tätigkeit der Einrichtung und Betreuung von Betriebs- und Datenübertragungssystemen werden Tätigkeiten entfaltet, die bei Anlegung der dargelegten Grundsätze für den Ingenieurberuf typische Tätigkeiten sind.

Mit dieser Tätigkeit ist der Steuerpflichtige, so der Bundesfinanzhof, in einem wesentlichen Betätigungsfeld von Informatikern, nämlich dem der Entwicklung, Implementierung und Betreuung von Software, berufstätig gewesen. Neben der zu Recht als freiberuflich anerkannten Softwareentwicklungstätigkeit werden auch die Arbeiten, die für Kunden verrichtet werden, die Software Dritter nutzten, noch vom Berufsbild eines Informatikers erfasst. Zwar wurde insoweit die Systemsoftware nicht selbst entwickelt, die Tätigkeit hat sich aber auch nicht auf die reine Installation beschränkt. Vielmehr wurde die Software den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Diese Tätigkeit ist der eines Ingenieurs vergleichbar, der ein technisches Werk zunächst konstruiert und das entwickelte Produkt später bei verschiedenen Kunden betriebsfertig installiert.

 

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Projektleiter im IT-Bereich

Ein Autodidakt, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, kann als Leiter von IT-Projekten einen ingenieurähnlichen und damit freien Beruf ausüben.

[VIII R 79/06]

Die IT-Projektleitung gehört, so der Bundesfinanzhof ausdrücklich in den Urteilsgründen seines dritten Urteils, zu dem typischen Betätigungsfeld von Informatik-Ingenieuren. Dies gilt namentlich dann, wenn es sich, wie in dem jetzt vom BFH entschiedenen Verfahren, bei den betreuten Projekten um hoch komplexe Datenverarbeitungsprojekte handelt, bei denen es in erster Linie um die technische Realisierung der Vorhaben geht. In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte der Kläger die technische Oberleitung der Arbeiten und die Verantwortung für die technische Realisierung des Vorhabens. Der Kläger ist damit wie ein projektleitender Ingenieur tätig geworden.

Dass die geleiteten Projekte wegen ihres Umfangs und aufgrund ihrer Schwierigkeit von einem Team bearbeitet wurden, ist unschädlich. Freiberufliche Leistungen können grundsätzlich im Wege der Teamarbeit erbracht werden8. Die Anerkennung freiberuflicher Teamarbeit setzt voraus, dass der –eigenverantwortlich und leitend i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätige– Projektverantwortliche neben Fachkenntnissen über weitere Fähigkeiten verfügt, die nicht auf fachlichem oder technischem Gebiet liegen. Dass von einem IT-Projektleiter oder einem Projektingenieur zusätzlich Managementleistungen und soziale wie kommunikative Fähigkeiten verlangt werden, macht ihn nicht zum Gewerbetreibenden.

Bundesfinanzhof, Urteile vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, VIII R 63/06 und VIII R 79/06

  1. BFH, Urteile vom 09.02.2006 – IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270; vom 18.04.2007 – XI R 29/06, BFHE 218, 65, BStBl II 2007, 781[]
  2. vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Sächsischen Ingenieurgesetzes vom 23. Februar 1993, Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1993, 236[]
  3. BFH, Urteil vom 05.06.2003 – IV R 34/01, BFHE 202, 336, BStBl II 2003, 761, m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2006, 1270[]
  5. vgl. BFH, Urteile vom 11.06.1985 – VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 07.09.1989 – IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359; Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort „Ingenieur“; www.wikipedia.de, Stichwort „Ingenieur“, Abschn. Berufsbild[]
  6. vgl. dazu BFH, Urteile vom 07.12.1989 – IV R 115/87, BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337; vom 07.11.1991 – IV R 17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324; vom 04.05.2004 – XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989; und vom 18.04.2007 – XI R 57/05, BFH/NV 2007, 1854[]
  7. zum Ganzen: Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit, Berufe „Ingenieur – Elektrotechnik/technische Informatik“ und „Ingenieurinformatik“[]
  8. vgl.  BFH, Urteil vom 28.10.2008 – VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642, m.w.N.[]
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Der Steuerberater, die Verpachtung seines Mandantenstamms und die Betriebsaufspaltung