Der Bundesfinanzhof hatte sich aktuell in zwei bei ihm anhängigen Revisionsverfahren mit der Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen bei börsennotierten Aktien zu befassen: Bilanzierte Wirtschaftsgüter können nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Falle einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zu Lasten des Gewinns auf ihren niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden. Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ist bei an der Börse gehandelten Aktien typisierend bereits dann auszugehen, wenn der Kurs am Bilanzstichtag unter den Kurs im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und die Kursdifferenz eine Bagatellgrenze von 5 % überschreitet. Wie der Bundesfinanzhof nun entschied, kommt es insoweit auf die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag grundsätzlich nicht an1. Dies gilt, wie der Bundesfinanzhof in einem zweiten Verfahren entschied2, auch für die Teilwertabschreibung auf Investmentanteile, wenn das Vermögen des Investmentfonds überwiegend aus Aktien besteht, die an Börsen gehandelt werden (sog. Aktienfonds).

Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass eine einzelfallbezogene Prüfung der voraussichtlichen Dauer von Kursdifferenzen sowohl die Finanzbehörden als auch die Steuerpflichtigen überfordern würde. Im Interesse eines möglichst einfachen und gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs ist deshalb von dem grundsätzlich maßgeblichen Börsenkurs zum Bilanzstichtag nur ausnahmsweise abzurücken, z.B. wenn in Fällen eines sog. Insiderhandels oder aufgrund äußerst geringer Handelsumsätze konkrete und objektiv nachprüfbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Börsenkurs nicht den tatsächlichen Anteilswert widerspiegelt.
Mit diesen Urteilen hat der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung präzisiert und bestätigt. Er weicht damit zugleich von der Verwaltungspraxis ab, nach der nur dann von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen ist, wenn der Börsenkurs der Aktien oder der Rücknahmepreis der Fondsanteile zum jeweiligen Bilanzstichtag um mehr als 40 % oder an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen um jeweils mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken ist.
Dauerhafte Wertminderung bei börsennotierten Aktien
Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist bei börsennotierten Aktien grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet. Auf die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag kommt es hierbei nicht an.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997 n.F. sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bilanzieren. Jedoch kann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist.
Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt vor, wenn der Teilwert nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert gesunken ist3 und deshalb aus Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertminderung gerechnet werden muss4. Hierfür bedarf es einer an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichteten Prognose5. Der Bundesfinanzhof hat diese – soweit ersichtlich – nicht umstrittenen allgemeinen Grundsätze mit seinem Urteil in BFHE 219, 1006 dahin konkretisiert, dass allein die Möglichkeit einer Wertsteigerung in der Zukunft einer Teilwertabschreibung nicht entgegensteht; abzustellen ist deshalb darauf, ob aus Sicht des Bilanzstichtages mehr Gründe für ein Andauern der Wertminderung sprechen als dagegen. Hiernach ist bei börsennotierten und im Anlagevermögen gehaltenen Aktien dann von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Börsenkurs der Aktie (zuzüglich der im Falle eines Erwerbs anfallenden Nebenkosten) zum Bilanzstichtag unter ihren Buchwert gesunken ist und keine konkreten Anhaltspunkte für eine baldige Wertsteigerung vorliegen.
Der Bundesfinanzhof hält an dieser Rechtsprechung fest und präzisiert sie mit Rücksicht auf die im Urteil in BFHE 219, 1006 offengebliebene Frage, ob Kursverluste innerhalb einer gewissen Bandbreite als nur vorübergehende Wertschwankungen zu beurteilen sind, dahin, dass grundsätzlich jede Minderung des Kurswerts die Annahme einer gegenüber dem Kurswert im Zeitpunkt des Aktienerwerbs- voraussichtlich dauernden Wertminderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. rechtfertigt und damit weder die im BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 514 vertretenen noch die von der Vorinstanz in Anlehnung an die Auffassung des IDW befürworteten Schwellenwerte7 unterschritten sein müssen. Zum anderen ist die im BFH, Urteil in BFHE 219, 1008 – mangels Entscheidungserheblichkeit – gleichfalls offengebliebene Frage, ob die bis zum Tag der Bilanzaufstellung eingetretenen Kursänderungen als für die Verhältnisse am Bilanzstichtag werterhellend anzusehen sind, dahin zu beantworten, dass es sich hierbei um wertbeeinflussende (wertbegründende) Umstände handelt, die grundsätzlich die Bewertung der Aktien zum Bilanzstichtag nicht berühren.
Das BFH-Urteil in BFHE 219, 1008, nach welchem das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F.) am Kurswert auszurichten ist, beruht auf einer typisierenden Gesetzesauslegung. Hierzu ist auch die Rechtsprechung jedenfalls dann befugt, wenn eine Einzelfallprüfung der steuergesetzlichen Tatbestandsmerkmale angesichts der Vielzahl der hiervon betroffenen Sachverhalte nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Bei Fällen dieser Art gestattet deshalb das berechtigte Interesse sowohl der Steuerpflichtigen als auch der Finanzbehörden nach einem raschen und praktikablen Gesetzesvollzug eine typisierende Bestimmung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, vorausgesetzt, die Typisierung führt weder zu einem Verstoß gegen das Verbot willkürlicher Rechtsanwendung noch zur Verletzung von Grundrechten9.
Der Bundesfinanzhof hat hierzu erläutert, dass die verschiedenen im Handelsrecht sowohl zu § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB a.F. (heute: § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB n.F.) als auch zu § 341b Abs. 1 Satz 3 HGB a.F. (heute § 341b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB n.F.) vertretenen Auffassungen, denen zufolge eine voraussichtlich dauernde Wertminderung an die unterschiedlich bestimmte- Höhe der Differenz zwischen den historischen und den aktuellen Börsenkursen sowie der gleichfalls nicht einheitlich bestimmten- Dauer solcher Kursabweichungen gebunden ist, sowohl die Finanzbehörden als auch die steuerlichen Berater überfordern würden und es deshalb für das durch die Bewältigung einer Vielzahl von Fällen gekennzeichnete Steuerverfahren (Massenverfahren) einfacher und leicht überprüfbarer Kriterien bedürfe10.
Dass der Bundesfinanzhof hiernach zur Bestimmung der voraussichtlich dauernden Wertminderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. auf das typisierende Kriterium des gesunkenen Börsenkurses zurückgreift, verstößt erkennbar weder gegen das Verbot willkürlicher Rechtsanwendung noch gegen Grundrechte.
Nur diese Einschätzung entspricht der gebotenen Objektivierung der Bewertung11 und sichert damit einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug12, da – worauf der BFH bereits im Urteil in BFHE 219, 1006 hingewiesen hat – der aktuelle Börsenkurs die informationsgestützte Einschätzung einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die künftigen Risiken und Erfolgsaussichten des jeweiligen Unternehmens widerspiegelt und zugleich deren Erwartung ausdrückt, dass der jetzt gefundene Kurs voraussichtlich dauerhaften Charakter besitzt. Tragend hierfür ist, dass der aktuelle Börsenwert im Vergleich zum Kurswert bei Erwerb der Anteile- eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, die künftige Kursentwicklung zu prognostizieren.
Soweit das Finanzamt hiergegen einwendet, die These eines informationseffizienten Kapitalmarkts sei im finanzwissenschaftlichen Schrifttum zunehmend umstritten13, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Der Einwand lässt nicht nur außer Acht, dass beispielsweise Marktanomalien, die geeignet sind, den Börsenkurs zu verfälschen, auch im Rahmen der Entscheidung über die Wertminderung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt vor allem, dass selbst dann, wenn man allgemein von teilweise ineffizienten Kapitalmärkten ausgeht, angesichts der Vielzahl der in Frage stehenden Bewertungen (Steuerfälle) sowie der begrenzten personellen Ressourcen regelmäßig weder die Gerichte noch die Finanzbehörden noch die Steuerpflichtigen oder deren Berater in der Lage wären, eine hinreichend sichere und objektiv nachprüfbare Aussage darüber zu treffen, dass die für die einzelnen Aktienwerte vorliegenden Kursnotierungen nicht alle am Bilanzstichtag verfügbaren Informationen verarbeitet hätten. Demgemäß kann es auch nicht in Betracht kommen, bei der Prognose über die zukünftige Wertentwicklung einer Aktie deren Börsennotierung durch einen vermeintlich besseren oder jedenfalls nicht hinlänglich verifizierbaren Schätzwert zu ersetzen14. Vielmehr entspricht nur die typisierende und zudem durch das Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F. legitimierte- Annahme, dass sich im Regelfall der Kurswert einer Aktie unter den Bedingungen eines informationseffizienten Kapitalmarkts gebildet habe, dem Erfordernis eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs.
Die Rechtsprechung des BFHs ist auch insofern verfassungsrechtlich unbedenklich, als die vorgenannte Typisierung wie bereits angedeutet- nicht dazu führt, den zukünftigen Wert der Aktie im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung aus dem Börsenkurs am Bilanzstichtag abzuleiten15. Der Bundesfinanzhof hat hierzu im Urteil in BFHE 219, 1006 dargelegt, dass ein gegenüber den Anschaffungskosten der Aktie- gesunkener Börsenkurs dann nicht auf eine voraussichtlich dauernde Wertminderung schließen lasse, wenn (spätestens) im Zeitpunkt der Bilanzerstellung konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Werterholung vorliegen. Letzteres ist dahin zu präzisieren, dass der Teilwert einer Aktie und damit auch deren voraussichtlich dauernde Wertminderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. nicht nach dem Kurswert bestimmt werden können, wenn aufgrund konkreter und objektiv überprüfbarer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Börsenpreis den tatsächlichen Anteilswert nicht widerspiegelt. Dies kann – ohne dass der Bundesfinanzhof vorliegend die hierfür maßgeblichen Umstände abschließend zu benennen hätte – dann der Fall sein, wenn der Kurs am Bilanzstichtag durch Insidergeschäfte beeinflusst (manipuliert) war16 oder wenn über einen längeren Zeitraum hinweg mit den zu bewertenden Aktien praktisch kein Handel stattgefunden hat17.
Aus der typisierenden Annahme, dass der Börsenkurs sich vorbehaltlich der dargelegten Ausnahmen- auf der Grundlage eines informationseffizienten Kapitalmarkts gebildet hat, sind mit Rücksicht auf das anhängige Verfahren Folgerungen zweierlei Art abzuleiten.
Zum einen ergibt sich hieraus, dass die (typisierende) Prämisse der Informationseffizienz nicht nur der Kursbildung am Bilanzstichtag, sondern auch den anschließenden Notierungen bis zum Tag der Bilanzaufstellung zugrunde zu legen ist. Demgemäß ist es entgegen der Einschätzung der Vorinstanz- ausgeschlossen, Kursänderungen in der Zeit bis zur Aufstellung der Bilanz bei der Entscheidung über die Teilwertminderung am Bilanzstichtag als sog. werterhellende Umstände zu berücksichtigen18. Soweit sich das handelsrechtliche Schrifttum mit Rücksicht auf das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) dafür ausspricht, die Geschehensabläufe bis zur Aufstellung der Bilanz als werterhellend zu würdigen19, kann dies schon mit Rücksicht darauf, dass das Tatbestandsmerkmal der dauernden Wertminderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. einer steuerrechtlich eigenständigen und durch die Informationseffizienzprämisse gekennzeichneten Auslegung unterworfen ist, keine andere Beurteilung rechtfertigen. Unberührt hiervon bleibt allerdings, dass werterhellende Erkenntnisse darüber, dass bereits am Bilanzstichtag objektive Anhaltspunkte für Kursverfälschungen vorgelegen haben, auch in der Zeit bis zur Aufstellung der Bilanz mit der Folge gewonnen werden können, dass der tatsächliche Wert der betroffenen Aktien ohne Bindung an den Börsenkurs zum Bilanzstichtag- zu schätzen ist16.
Mit der typisierenden Annahme eines informationseffizienten Kapitalmarkts ist zum anderen auch verbunden, dass eine objektiv nachvollziehbare Unterscheidung zwischen nur vorübergehenden üblichen Kursschwankungen einerseits und Kursveränderungen aufgrund längerfristig wirkender Faktoren andererseits nur schwer zu treffen sein wird20. Deshalb kann es entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung auch nicht in Betracht kommen, eine Teilwertabschreibung wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung im Grundsatz davon abhängig zu machen, dass der aktuelle Börsenkurs denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs um einen bestimmten Schwellenwert (Signifikanzwert) unterschreitet.
Der Bundesfinanzhof kann sich auch nicht dem Vorschlag anschließen, entsprechend der allgemein im Steuerrecht vertretenen Erheblichkeitsschwelle21 nur Kursrückgänge von mehr als 10% der Erwerbsnotierung als Ausdruck einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zu qualifizieren22. Vielmehr muss – annahmegemäß – auch bei geringeren Kursminderungen davon ausgegangen werden, dass der Markt auch die Dauerhaftigkeit einer solchen Wertminderung verarbeitet hat. Diese Beurteilung führt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch nicht dazu, dass dem Tatbestandmerkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung kein relevanter Regelungsbereich mehr verbleibt23. Der Einwand lässt nicht nur außer Acht, dass der typisierende Rückgriff auf die Börsenkurse am Bilanzstichtag insbesondere durch den Aspekt des gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs legitimiert ist und wie erläutert- unter dem Vorbehalt steht, dass die Annahme einer im wesentlichen informationseffizienten Kursbildung nicht durch konkrete (objektive) Anhaltspunkte widerlegt wird. Hinzu kommt, dass die Ansicht des erkennenden BFHs nur börsennotierte Werte und damit keinesfalls die Gesamtheit aller von den Bewertungsregeln des § 6 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 1 EStG 1997 n.F. erfassten Wirtschaftsgüter betrifft24. Auch insofern verbietet sich die Annahme, dass den Tatbestandsmerkmalen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 oder Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 n.F. kein relevanter Anwendungsbereich mehr zukomme.
Unberührt bleibt hiervon andererseits jedoch, dass es mit Rücksicht auf die gebotene Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens und damit im Einklang mit der für börsennotierte Aktien geltenden typisierenden Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. sachgerecht erscheint, Kursverluste innerhalb einer Bandbreite minimaler und in ihrer Höhe zu vernachlässigender Wertschwankungen außer Ansatz zu lassen (Bagatellgrenze). In Anlehnung an den bilanzrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatz25 ist diese Schwelle geringfügiger Kursverluste auf 5 % der Notierung im Erwerbszeitpunkt zu begrenzen26.
Dauerhafte Wertminderung bei Aktienfonds
Ob Investmentanteile aufgrund einer voraussichtlich dauernden Minderung ihres Werts nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden können, ist bei der gebotenen typisierenden Gesetzesauslegung nach den für börsennotierte Aktien geltenden Grundsätzen zu entscheiden, wenn das Vermögen des Investmentfonds überwiegend in an Börsen gehandelten Aktien angelegt ist.
Diese für börsennotierte Aktien geltenden Grundsätze gelten für Anteile an Aktienfonds, d.h. an Sondervermögen, die nach ihren vertraglichen Bedingungen zumindest überwiegend direkt oder (als Dachfonds) indirekt in börsennotierte Aktien investieren27, entsprechend. Dabei ist es unerheblich, dass – wovon der Bundesfinanzhof im hier entschiedenen Streitfall ausgeht – die Anteilsrechte selbst am Bilanzstichtag nicht an der Börse gehandelt wurden, da sowohl der Ausgabepreis als auch der Rücknahmepreis der Investmentanteile gemäß § 21 Abs. 1 und 5 i.V.m. Abs. 2 Sätze 1 bis 3 KAGG nach dem Anteil am börsentäglich zu ermittelnden Wert des Sondervermögens und letzterer Wert wiederum nach den Kurswerten der zum Fonds gehörenden börsennotierten Aktien zu bestimmen ist28. Der Bundesfinanzhof schließt sich damit – im Ausgangspunkt – der Ansicht des BMF-Schreibens vom 5. Juli 201129 an, nach dem die für die Teilwertabschreibung börsengehandelter Aktien entwickelten Rechtsregeln sinngemäß auch auf nicht börsennotierte Anteile an Investmentfonds Anwendung finden, wenn deren Vermögen überwiegend in an Börsen gehandelten Aktien angelegt ist. Angesichts der beschriebenen, für die Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. gebotenen Typisierung ist es unter dieser Voraussetzung auch zu vernachlässigen, dass dem Vermögen eines solchen Fonds (Aktienfonds) z.B. auch festverzinsliche Wertpapiere angehören können, für die ein Kursverlust regelmäßig nicht die Annahme einer voraussichtlich dauernden Wertminderung rechtfertigt30.
Soweit das BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 735 allerdings der Entscheidung über eine voraussichtlich dauernde Minderung des Teilwerts von (nicht börsengehandelten) Investmentanteilen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F.) durchgängig den Rücknahmepreis zugrunde legt, kann dem – jedenfalls für den Streitfall – nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist vielmehr, dass es sich bei den Anteilsscheinen nicht um für den Betrieb der Klägerin entbehrliche (überflüssige) Wirtschaftsgüter, sondern um Vermögensgegenstände gehandelt hat, die auf Verlangen ihrer Geschäftspartner zur Sicherung (Verpfändung) von vertraglichen Rückzahlungsansprüchen als sog. Stornoreserve und damit im Interesse der Aufrechterhaltung des eigenen Geschäftsbetriebs der Klägerin erworben worden sind. Jedenfalls unter diesen Voraussetzungen ist nicht auf den Rücknahmepreis (Einzelveräußerungspreis), sondern angesichts dessen, dass bei der Teilwertermittlung die Sicht eines gedachten Erwerbers einzunehmen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG 1997 n.F.), auf den Ausgabepreis, d.h. auf den Preis, zu dem die Anteilsscheine erworben werden können, abzustellen31. Der Ausgabepreis kann über den Anteil am Wert des Sondervermögens hinaus auch einen in den Vertragsbedingungen festzusetzenden Ausgabeaufschlag umfassen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 Buchst. f KAGG) und damit den Rücknahmepreis auch dann überschreiten, wenn – wie im Streitjahr32 – der Anteilsinhaber im Falle der Rückgabe seiner Anteilsscheine mit einem Rücknahmeabschlag nicht belastet werden konnte.
Der Bundesfinanzhof vermag dem BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 735 auch insoweit nicht zu folgen, als es in Anlehnung an die Verwaltungssicht zur Bewertung von Aktien eine voraussichtlich dauernde Wertminderung der Investmentanteile nur dann bejaht, wenn die Werte der Anteilsscheine am Bilanzstichtag deren Anschaffungskosten um mehr als 40% oder an zwei aufeinander folgenden Stichtagen um mehr als 25% unterschreiten. Vielmehr ist nach dem gebotenen typisierenden Gesetzesverständnis auch im Rahmen der auf die Kursnotierungen von Aktien gestützten Bewertung von Investmentanteilen anzunehmen, dass vorbehaltlich einer Bagatellgrenze von 5% der Erwerbskosten jeder Rückgang des Ausgabepreises zugleich auch die Dauerhaftigkeit dieser Wertminderung abbildet.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 21. September 2011 – I R 89/10 und I R 7/11
- BFH – I R 89/10[↩]
- BFH – I R 7/11[↩]
- BT-Drucks 14/443, S. 22; BFH, Urteil vom 09.09.1986 – VIII R 20/85, BFH/NV 1987, 442[↩]
- BFH, Urteil vom 27.11.1974 – I R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294[↩]
- BFH, Urteil vom 14.03.2006 – I R 22/05, BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680[↩]
- = BStBl II 2009, 294[↩][↩][↩][↩]
- WPg 2002, 475, s. zu I.04.[↩]
- =BStBl II 2009, 294[↩][↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 31.05.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, 227, 228 f.; vom 04.02.2005 – 2 BvR 1572/01, HFR 2005, 352[↩]
- vgl. einschließlich der Darstellung der handelsrechtlichen Stellungnahmen: BFH, Urteil in BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 07.11.1990 – I R 116/86, BFHE 162, 552, BStBl II 1991, 342: betreffend Teilwertbestimmung[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 78, 214, 229[↩]
- z.B. Fey/Mujkanovic, Wpg 2003, 212, 213[↩]
- ähnlich Schön in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel [Hrsg.], Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, Festschrift für Raupach 2006, S. 299, 314[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss in HFR 2005, 352[↩]
- Gosch, BFH/PR 2008, 138[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108; BFH, Urteil vom 25.08.2009 – I R 88, 89/07, BFHE 226, 296[↩]
- gl.A. Heger, Ubg 2008, 68, 71; Gosch, BFH/PR 2008, 138; Schlotter, BB 2008, 546, 548; Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rz 204.1; Schneider, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 2000, 121, 128[↩]
- z.B. Kessler, Der Betrieb 1999, 2577, 2580[↩]
- Schön in Festschrift Raupach, a.a.O., S. 319; Heger, Ubg 2008, 68, 71[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 07.04.2011 – IV B 157/09, BFH/NV 2011, 1392[↩]
- z.B. Schlotter, BB 2009, 892[↩]
- vgl. hierzu allgemein BFH, Beschluss vom 01.02.2006 – X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, 425, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. zu Gebäuden sowie Fremdwährungsverbindlichkeiten BFH, Urteile in BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680; vom 29.04.2009 – I R 74/08, BFHE 225, 357, BStBl II 2009, 899; vom 23.04.2009 – IV R 62/06, BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778; BFH, Urteil vom 08.06.2011 – I R 98/10, BFH/NV 2011, 1758[↩]
- vgl. Schön in Festschrift Raupach, a.a.O., S. 320; Marx, Finanz-Rundschau 2011, 267[↩]
- Heger, Ubg 2008, 68, 71; vgl. auch Blümich/Ehmcke, a.a.O., § 6 EStG Rz 560c[↩]
- Beckmann in Beckmann/Scholz/Vollmer, Investment, § 4 InvG Rz 16[↩]
- vgl. Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, KAGG/Auslandsinvestmentgesetz, KAGG § 21 Rz 25; zu § 23 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 InvG s. Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, § 36 InvG Rz 18 ff.[↩]
- BMF, Schreiben vom 05.07.2011, BStBl I 2011, 735[↩]
- vgl. – einschließlich Abgrenzungen – BFH, Urteil vom 08.06.2011 – I R 98/10, DStR 2011, 657[↩]
- BFH, Urteile vom 05.10.1972 – IV R 118/70, BFHE 107, 414, BStBl II 1973, 207; vom 22.03.1972 – I R 199/69, BFHE 105, 141, BStBl II 1972, 489; Schmidt/Kulosa, EStG, 30. Aufl., § 6 Rz 263[↩]
- vgl. Schödermeier/Baltzer, a.a.O., KAGG § 21 Rz 18 und 43[↩]