Tonnagebesteuerung – und die Abgeltung von Gewinnen aus Aktienverkäufen

Von der pauschalen Gewinnermittlung nach Tonnage (§ 5a EStG) sind auch Gewinne aus Aktienverkäufen mit abgegolten, wenn die Aktien als Surrogat für die Charterforderung erworben worden sind und von Anfang an die Absicht bestand, sie zeitnah zu veräußern.

Tonnagebesteuerung – und die Abgeltung von Gewinnen aus Aktienverkäufen

Anstelle der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ist bei einem Gewerbetrieb mit Geschäftsleitung im Inland der Gewinn, soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt, auf unwiderruflichen Antrag des Steuerpflichtigen nach der in seinem Betrieb geführten Tonnage zu ermitteln, wenn die Bereederung dieser Handelsschiffe im Inland durchgeführt wird (§ 5a Abs. 1 Satz 1 EStG).

Der Gewinn wird anhand der Tonnage des Handelsschiffes pauschaliert ermittelt (§ 5a Abs. 1 Satz 2 EStG), soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt. Zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gehören gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG auch ihre Vercharterung, wenn sie vom Vercharterer ausgerüstet sind, und die unmittelbar mit ihrem Einsatz oder ihrer Vercharterung zusammenhängenden Neben und Hilfsgeschäfte einschließlich der Veräußerung der Handelsschiffe und der unmittelbar ihrem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter.

In dem hier vom Finanzgericht Hamburg entschiedenen Fall stellte die Vercharterung des Schiff-1 an die A einen Betrieb des Handelsschiffes im internationalen Verkehr dar. Das Schiff ist ausweislich des Time-Charter-Vertrags vom …2007 von der Klägerin ausgerüstet an die A verchartert worden und wurde vom … Charterer in dessen internationalen Linienverkehr einsetzt. Das Entgelt für die Vercharterung des Schiff-1 entfällt somit auf den Betrieb dieses Handelsschiffes im internationalen Verkehr und wird von der Gewinnermittlung nach Tonnage gemäß § 5a Abs. 1 EStG erfasst. Dies bedeutet, dass die jeweils entstandenen Charterforderungen zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörten. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

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Durch die Übernahme der Aktien an der A wurde nach dem Sinn und Zweck der Restrukturierungsvereinbarung vom …2009 ein Teil in Höhe von … % der eigentlich in USD zu zahlenden Charterforderungen der Klägerin vom …2009 bis zum …2011 erfüllt („debt to equity swap“). Die Vereinbarung einer Reduzierung der Charterraten war verknüpft mit der Hingabe der Aktien, deren Anzahl und damit die Beteiligungshöhe sich aus der Reduzierung der Charterraten errechnete. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise stellte die Aktienübereignung eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne von § 364 Abs. 1 BGB dar, die zu einem Erlöschen der ursprünglichen Charterforderungen geführt hat. Die Aktien gingen damit als „Surrogat“ für einen Teil der Charterforderungen in das Betriebsvermögen der Klägerin ein. Sie stellten eine Einnahme dar, die sich – wie die ursprüngliche Charterforderung – aus dem Betrieb des Schiff-1 ergab. Da die Klägerin – unstreitig – von Anfang an vorhatte, die erworbenen Aktien wieder zeitnah zu veräußern, stellten sie kein Anlagevermögen, sondern ein zur Veräußerung vorgesehenes Umlaufvermögen im Sinne von § 247 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB), § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG dar. Bei der Klägerin wurde der Vorgang buchhalterisch dementsprechend erfasst. Die Charterforderungen wurden gegen die als Einnahme aus dem Schiffsbetrieb behandelte Beteiligung an der A ausgebucht (Aktivtausch). Die Wertpapiere wurden buchhalterisch als Umlaufvermögen behandelt.

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Die Veräußerung der Aktien stellt ein Nebengeschäft zur Vercharterung des Schiff-1 dar.

Nebengeschäfte im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG sind dabei solche Geschäfte, die nicht den eigentlichen Zweck der unternehmerischen Betätigung ausmachen und sich auch nicht notwendig aus dem eigentlichen Geschäftsbetrieb ergeben, aber in seiner Folge vorkommen und nebenbei mit erledigt werden. Hilfsgeschäfte sind solche Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb üblicherweise mit sich bringt und die die Aufnahme, Fortführung und Abwicklung der Haupttätigkeit erst ermöglichen. Während Nebengeschäfte regelmäßig bei Gelegenheit des Hauptgeschäfts, also zeitlich neben diesem vorkommen, ist es für Hilfsgeschäfte, die in einer funktionalen Beziehung zum Hauptgeschäft stehen, typisch, dass sie dem Hauptgeschäft auch zeitlich vor- oder nachgehen können1.

Die Veräußerung der Aktien ist kein Hilfsgeschäft zur Vercharterung des Schiff-1 Es fehlt insoweit an dem für ein Hilfsgeschäft typischen Merkmal der funktionalen Beziehung zum Hauptgeschäft. Die Vercharterung eines Handelsschiffes bringt es nicht üblicherweise mit sich, dass Erträge in Form von Aktienbeteiligungen erzielt werden, die dann anschließend veräußert werden, um Liquidität zu erzielen. Handelsschiffe werde vielmehr üblicherweise gegen Geldforderungen (zumeist in USD) verchartert.

Es liegt aber ein Nebengeschäft vor, weil sich die Aktienveräußerung nicht notwendig aus der Vercharterung ergab, sich aber letztlich als Folge des „außerordentlichen Charterertrags“ in Form von Aktien darstellte, weil die Klägerin von Anfang an und kontinuierlich die Absicht hatte, die Wertpapiere zu veräußern.

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Zwischen diesem Nebengeschäft und der Vercharterung des Schiff-1 bestand auch ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG.

Ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn das Nebengeschäft mit der Hauptleistung in Gestalt des Betriebes eines Handelsschiffes im internationalen Verkehr wirtschaftlich verknüpft ist. Durch das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit soll der Verwendungszusammenhang zwischen dem Nebengeschäft und dem Betrieb des Handelsschiffes abgebildet werden. Auf die zeitliche Nähe zum Hauptgeschäft kommt es dabei nicht entscheidend an2. Ein zu großer zeitlicher Abstand zwischen dem Hauptgeschäft und dem Nebengeschäft kann im Einzelfall aber ein Indiz dafür sein, dass die wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Haupt- und Nebengeschäft nicht besteht. Bei der Prüfung, ob ein Neben- oder Hilfsgeschäft vorliegt, müssen zudem aufgrund des Subventionscharakters der Tonnagebesteuerung strenge Anforderungen an das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs gestellt werden3. Die wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Haupt- und Nebengeschäft muss deshalb hinreichend eng sein.

Nach dem BMF-Schreiben vom 12.06.20024 gehören Erträge aus Kapitalanlagen bzw. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mangels unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Betrieb von Schiffen grundsätzlich nicht zu dem Gewinn nach § 5a EStG. Nur Zinserträge aus laufenden Geschäftskonten sollen von § 5a EStG abgegolten sein.

Diese Verwaltungsauffassung bindet das Gericht nicht. Unabhängig davon ist es nach der Auffassung des Finanzgerichts Zielrichtung des BMF, Schreibens, nur Erträge aus solchen Kapitalanlagen, die nicht mit dem Schiffsbetrieb im Zusammenhang stehen, aus dem Anwendungsbereich des § 5a EStG auszuschließen. Dies folgt bereits aus der Aufzählung der Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und den in diesen Zusammenhang gestellten Kapitalanlagen. Anderenfalls wäre eine überzeugende Abgrenzung zwischen Kapitalanlagen und laufenden Geschäftskonten kaum möglich3.

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Hier steht der Ertrag aus der Veräußerung der Aktien im erforderlichen engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Vercharterung des Schiff-1. Die Kapitalanlage ergab sich als „außerordentlicher“ Ertrag aus der Vercharterung des Handelsschiffes, weil sich die Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen „notgedrungen“ gezwungen sah, an der Restrukturierungsvereinbarung teilzunehmen. Die Klägerin hatte von vornherein die Absicht, die Aktien zeitnah zu veräußern, um Liquidität für ihren Schiffsbetrieb zu erhalten. Diese Absicht hat sie auch umgesetzt, wobei sich die Umsetzung durch die besonderen Umstände des Verkaufs (Veräußerung an der Börse in B, Abstimmung mit den beteiligten deutschen Reedereien wegen der Größe der Aktienpakete, Einholung mehrerer Angebote, rechtliche Überprüfung einer Bindung an die Bank-2, Auftragserteilung und Gewinnung von institutionellen Anlegern durch eine „road show“, mehraktiger Verkauf) von Ende April bis Mitte Oktober 2010 hinzog. Diese Zeit wurde aber ausweislich der – unstreitigen – Darstellung der Klägerin benötigt, um den Verkauf wirtschaftlich vernünftig und rechtlich geprüft in B durchführen zu können. Es bestehen auch keine Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin ihre Verkaufsabsicht zwischenzeitlich aufgegeben und beabsichtigt hat, eine – spekulative – Kapitalanlage bei der A vorzunehmen. Sofern dies der Fall gewesen wäre, hätte sich allerdings der erforderliche enge wirtschaftliche Zusammenhang mit Vercharterung des Schiffes gelöst und läge keine Unmittelbarkeit im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG mehr vor.

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Angesichts dieser Umstände führt die Zeitspanne von gut 4 Monaten zwischen dem Erwerb der Aktien und dem ersten Verkauf und von weiteren etwa 6 Wochen bis zum letzten Verkauf nicht dazu, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Aktienverkauf und der Vercharterung des Schiff-1 als Hauptgeschäft zu verneinen. Die von vornherein vorhandene Absicht der Veräußerung der Aktien zur Gewinnung von Liquidität für den Schiffsbetrieb, mithin letztlich – wirtschaftlich betrachtet – zur Rückgängigmachung des Tausches „Charterforderung gegen Aktien an der A“ begründet vielmehr diesen engen unmittelbaren Zusammenhang. Der Umstand, dass die gewonnenen Mittel tatsächlich im Schiffsbetrieb zur Bestreitung der laufenden Aufwendungen verwendet worden sind und auch als Bemessungsgrundlage für Forderungen Dritter dienten, die sich – wie das Bereederungsentgelt – an den Chartereinnahmen ausrichteten – bestätigt diesen unmittelbaren Zusammenhang.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 4. Juni 2014 – 2 K 175/13

  1. vgl. BFH, Urteile vom 26.09.2013 – IV R 46/10, BStBl II 2014, 253; vom 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl II 1984, 155, zu § 34c Abs. 4 EStG a. F.; FG Hamburg Urteil vom 17.01.2014 6 K 19/13, juris; FG Niedersachsen Urteil vom 23.11.2010 8 K 347/09[]
  2. vgl. FG Hamburg, Urteile vom 17.01.2014 – 6 K 19/13; vom 18.02.2013 – 6 K 8/11, EFG 2013, 1096[]
  3. vgl. FG Hamburg, Urteil vom 17.01.2014 – 6 K 19/13[][]
  4. BMF, Schreiben vom 12.06.2002, BStBl I 2002, 614, Rn. 9[]
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