Überentnahme – und die betrieblich veranlassten Schuldzinsen

Vor Einschränkung des Abzugs von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist in einem ersten Schritt zu klären, ob und inwieweit die Schuldzinsen überhaupt betrieblich veranlasst sind.

Überentnahme – und die betrieblich veranlassten Schuldzinsen

Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt wurden. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen) ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieser Regelung nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Sätze 1 bis 4 EStG). § 4 Abs. 4a EStG ist auch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes zu berücksichtigen1.

Die Einschränkung des Abzugs von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist in zwei Stufen zu prüfen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Ergibt die Prüfung, dass Schuldzinsen privat veranlasst sind, so sind sie nicht bei der Ermittlung der Entnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen. Danach ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist2.

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Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist begrenzt auf den Entnahmeüberschuss des Zeitraums von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr. Auch periodenübergreifend ist zu berücksichtigen, dass Verluste für sich genommen nicht zu einer Kürzung des Schuldzinsenabzugs führen dürfen3.

Im vorliegenden Fall hat das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Düsseldorf4 weder Feststellungen dazu getroffen, ob die in Streit stehenden Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind, noch dazu, ob in den Streitjahren überhaupt Überentnahmen vorliegen. Das Finanzgericht hat sich bei der erforderlichen Tatsachenfeststellung im Tatbestand seines Urteils im Wesentlichen darauf beschränkt, das Ergehen von Änderungsbescheiden festzustellen. Für den mit dem Klagebegehren angestrebten Prüfungsumfang reicht das aber nicht aus. Die für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG erforderliche betriebliche Veranlassung der Schuldzinsen ist aus den Feststellungen des Finanzgericht nicht erkennbar. Ebenso fehlen Feststellungen dazu, ob es auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs5 in den Streitjahren überhaupt zu Überentnahmen gekommen ist. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an eigenen Feststellungen hierzu gehindert, zugleich aber im Hinblick auf eine etwa erforderliche Vorlage der aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit des in § 4 Abs. 4a EStG enthaltenen Prozentsatzes von 6 % an das Bundesverfassungsgericht gehalten, die Feststellungen zu veranlassen, die notwendig sind, um die Entscheidungserheblichkeit der ggf. vorzulegenden Rechtsfrage darzulegen6. Das angegriffene Urteil war danach aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen, um dem Finanzgericht die Gelegenheit zu geben, die bislang fehlenden Feststellungen nachzuholen. Solange die Entscheidungserheblichkeit der von der oHG aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht feststeht, sieht der Bundesfinanzhof von einer eigenen verfassungsrechtlichen Prüfung der Frage ab.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. März 2022 – IV R 19/19

  1. BFH, Urteil vom 09.05.2012 – X R 30/06, BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667, Rz 33[]
  2. ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 21.09.2005 – X R 47/03, BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504, unter II. 2. [Rz 20 f.]; und vom 03.03.2011 – IV R 53/07, BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688, Rz 25[]
  3. dazu im Einzelnen BFH, Urteile vom 14.03.2018 – X R 17/16, BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744; und vom 06.12.2018 – IV R 15/17[]
  4. FG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2019 – 15 K 1131/19 G, F[]
  5. BFH, Urteile in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744; und vom 06.12.2018 – IV R 15/17[]
  6. vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 26.02.2020 – 1 BvL 5/19; und vom 06.05.2016 – 1 BvL 7/15[]

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