Die Feststellungswirkung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO bezieht sich nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale, nicht aber auf solche, die außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkunftserzielung liegen. Das Wohnsitz-FA darf den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auch dann in einen laufenden Gewinn im Rahmen eines vom Kläger betriebenen gewerblichen Grundstückshandels umqualifizieren, wenn er im Feststellungsbescheid als Veräußerungsgewinn bezeichnet worden ist.

Lässt sich die Reichweite eines Feststellungsbescheids nicht eindeutig bestimmen, muss zur Auslegung des materiellen Regelungsgehalts auf dessen Gründe zurückgegriffen werden. Die Bindungswirkung erschöpft sich nicht allein in der Übernahme des festgestellten Einkünftebetrags. Vielmehr ist ausgeschlossen, über einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders zu entscheiden [1].
Indes darf das Wohnsitz-Finanzamt auch auf der Grundlage der bindenden Feststellung, die GbR sei gewerblich tätig gewesen, auf der Ebene des Steuerpflichtigen eine zusammenfassende Betrachtung von dessen auf dem Grundstücksmarkt unternommenen Aktivitäten vornehmen und den festgestellten Veräußerungsgewinn in einen laufenden Gewinn umqualifizieren.
Seit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 3. Juli 1995 [2] bezieht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, ggf. § 2 Abs. 1 GewStG) ein. Dabei hat der Große Senat ausdrücklich nicht danach differenzieren wollen, ob die unter Beteiligung Dritter abgewickelten Grundstücksgeschäfte auf der Gesellschaftsebene als gewerblich oder lediglich vermögensverwaltend anzusehen sind. Auch dürfe der Gesellschafter nicht in Abhängigkeit davon unterschiedlich besteuert werden, ob An- und Verkaufsgeschäfte von der Gesellschaft oder von ihm selbst getätigt werden. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen nimmt der Bundesfinanzhof auf die umfangreichen Ausführungen in der vorgenannten Entscheidung des Großen Senats Bezug.
Entsprechend ist die verfahrensrechtliche Reichweite der Feststellungswirkung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO in der Weise begrenzt, dass sie sich stets nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale bezieht, nicht aber auf solche, die außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkunftserzielung liegen. Diese Tatbestandsmerkmale treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen hinzu; sie gehören nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids. Die Umqualifizierung berührt nicht die Grundlagenentscheidung, die weiterhin als richtig anerkannt wird, aber aufgrund der Umstände, die auf der Ebene des Gesellschafters außerhalb des Regelungsbereich des Grundlagenbescheids liegen, in einem anderen Licht erscheint [3].
Auch wenn diese Rechtsprechung bisher vor allem zu Fallgestaltungen ergangen ist, in denen es um die Umqualifizierung der für die Gesellschaft festgestellten Einkunftsart ging [4], gelten die sie tragenden Erwägungen gleichermaßen für die Umqualifizierung eines festgestellten Veräußerungsgewinns in einen laufenden Gewinn. Denn auch für die Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Ausschnitt des Gewinns aus der von einem Steuerpflichtigen insgesamt auf dem Grundstücksmarkt entfalteten Tätigkeit tarifbegünstigt ist oder nicht, darf es nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige ganz oder teilweise durch eine Personengesellschaft tätig wird, und ob diese Gesellschaft auf ihrer Ebene als vermögensverwaltend oder mitunternehmerisch anzusehen ist. Da beim Steuerpflichtigen selbst der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe seines (gesamten) gewerblichen Grundstückshandels nicht tarifbegünstigt wäre [5], kann er die Tarifbegünstigung auch nicht dadurch erlangen, dass er einen Teil seiner Geschäfte über eine Mitunternehmerschaft tätigt und diese ihren Betrieb veräußert oder aufgibt bzw. wie im Streitfall- der Steuerpflichtige seinen Mitunternehmeranteil und damit die darin verkörperten Grundstücke veräußert.
Eine Umqualifizierung der im Feststellungsbescheid enthaltenen Zuordnung zum Veräußerungsgewinn wäre auf der Ebene des Mitunternehmers daher nur dann unzulässig, wenn es dafür kein verfahrensrechtliches Bedürfnis gäbe, weil stets bereits im Feststellungsverfahren unabhängig von den Erkenntnissen, die erst dem WohnsitzFA vorliegen- die zutreffende Entscheidung über die Tarifbegünstigung getroffen werden könnte. Es dürfte also keine Fallgruppe geben, in der zwar im Feststellungsbescheid für die Mitunternehmerschaft materiellrechtlich zu Recht ein begünstigter Veräußerungsgewinn festzustellen, beim Gesellschafter aber gleichwohl eine Umqualifizierung vorzunehmen wäre. Denn dann würde sich die Umqualifizierung wie es der Kläger im Streitfall als gegeben ansieht- lediglich als Korrektur einer bereits als solcher fehlerhaften Entscheidung im Feststellungsbescheid darstellen, was die in § 182 Abs. 1 Satz 1 AO angeordnete Bindungswirkung unterlaufen würde. Der Kläger weist hierzu vor allem auf die Rechtsprechung hin, wonach schon auf der Ebene der Mitunternehmerschaft kein begünstigter Veräußerungsgewinn festgestellt werden darf, wenn diese selbst einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt und der Veräußerungsgewinn auf den stillen Reserven der im Umlaufvermögen gehaltenen Grundstücke beruht [6].
Im Unterschied zur Auffassung des Klägers sind jedoch weitere Sachverhaltskonstellationen denkbar, in denen die endgültige Entscheidung über die Gewährung der Tarifbegünstigung nicht schon auf der Ebene der Mitunternehmerschaft getroffen werden kann, sondern erst beim Mitunternehmer im Lichte der bei ihm gegebenen individuellen Besteuerungsmerkmale.
Hierfür genügt es bereits, wenn das FeststellungsFA nur „unter Umständen“ nicht in der Lage ist, allein aufgrund der in seinem Zuständigkeitsbereich von der Gesellschaft verwirklichten steuerrechtlichen Tatbestände eine sachlich zutreffende Besteuerung des einzelnen Gesellschafters sicherzustellen [7]; hingegen kommt es für die Beurteilung der abstrakten Rechtmäßigkeit einer Umqualifizierung nicht auf die tatsächliche Informationslage im konkreten Fall an.
Zum einen sind hier die Fälle zu nennen, in denen die Vorschriften über die Tarifbegünstigung beim Gesellschafter schon deshalb keine Anwendung finden können, weil dieser seiner Rechtsform nach nicht in den Anwendungsbereich der § 16 Abs. 4, § 34 EStG fällt (z.B. Körperschaftsteuersubjekte [8]).
Ferner ist auf Beteiligungen an vermögensverwaltend tätigen, aber gewerblich geprägten Personengesellschaften hinzuweisen. Bei diesen ist eine Anteilsveräußerung grundsätzlich tarifbegünstigt, weil die Grundstücke einer solchen Gesellschaft nicht zum Umlaufvermögen gehören [9]. Gleichwohl ist hier auf der Ebene des Gesellschafters eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Veräußert der Gesellschafter mehr als drei Anteile an derartigen Gesellschaften innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zu ihrem Erwerb, wird er damit zum gewerblichen Grundstückshändler; die Tarifbegünstigung ist ihm ungeachtet ihrer Feststellung im Gewinnfeststellungsbescheid zu versagen. Denn der Umstand, dass dieser Steuerpflichtige mehr als drei Anteile an derartigen Gesellschaften in engem zeitlichen Zusammenhang zu ihrem Erwerb veräußert hat, ist zwar auf der Ebene der einzelnen Gesellschaft nicht von Bedeutung, wohl aber für die Besteuerung des Gesellschafters [10].
Nichts anderes kann gelten, wenn der Kläger weniger als vier Anteile an derartigen Personengesellschaften veräußert, er die DreiObjektGrenze aber aufgrund der Veräußerung weiterer Grundstücke in eigener Person überschreitet. Auch dann stellt sich die Anteilsveräußerung im Lichte der Gesamttätigkeit des Gesellschafters anders dar als bei einer isolierten Betrachtung der auf der Ebene der Gesellschaft verwirklichten Besteuerungsmerkmale, nämlich als Teil der laufenden Geschäftstätigkeit eines gewerblichen Grundstückshändlers.
Schließlich ist an Gesellschaften zu denken, die originär gewerblich tätig sind, ohne dass ihr Hauptzweck das Betreiben eines gewerblichen Grundstückshandels ist. Betreibt der Gesellschafter in eigener Person auch durch Zurechnung der Tätigkeiten weiterer Gesellschaften oder Gemeinschaften- einen gewerblichen Grundstückshandel und veräußert er die Anteile an der erstgenannten Gesellschaft in engem zeitlichen Zusammenhang zu ihrem Erwerb unter Realisierung einer Substanzwertsteigerung der im Gesellschaftsvermögen enthaltenen Grundstücke, ist denkbar, dass auf der Ebene der Gesellschaft ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn festgestellt wird [11]. Gleichwohl wäre im Rahmen der beim Gesellschafter vorzunehmenden Gesamtwürdigung ein laufender Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel anzunehmen.
Letztlich hat bereits der Große Senat des Bundesfinanzhofs ausgeführt, dass in die auf der Ebene des Gesellschafters vorzunehmende zusammenfassende Betrachtung auch Veräußerungsgewinne einzubeziehen seien, weil Subjekt der Einkunftserzielung immer der einzelne Gesellschafter sei [12].
Ist danach die Zulässigkeit einer Umqualifizierung auch im Hinblick auf die Frage der Tarifbegünstigung eines festgestellten Veräußerungsgewinns abstrakt zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall schon im Feststellungsverfahren eine andere Entscheidung hätte ergehen können oder müssen. Denn eine solche Differenzierung würde worauf das Finanzamt in seiner Revisionsbegründung zutreffend hinweist- voraussetzen, dass das Wohnsitz-Finanzamt im jeweiligen Einzelfall die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids prüft: Erwiese sich dieser als rechtmäßig, wäre eine Umqualifizierung zulässig; bei einem rechtswidrigen Feststellungsbescheid hingegen nicht. Gerade eine solche Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Wohnsitz-Finanzämter der – unter Umständen zahlreichen – Gesellschafter soll durch die gesetzlichen Regelungen über das Feststellungsverfahren aber verhindert werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. April 2012 – X R 34/10
- BFH, Urteil vom 10.12.1998 – III R 61/97, BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390, unter II.02.b[↩]
- BFH, Beschluss vom 03.07.1995 – GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617[↩]
- BFH, Beschluss vom 11.04.2005 – GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.03.b aa[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 07.03.1996 – IV R 2/92, BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369, und vom 11.12.1997 – III R 14/96, BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 10.05.2007 – IV R 69/04, BFHE 217, 147, BStBl II 2010, 973, unter II.03., m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 216, 233, BStBl II 2007, 777[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401, unter II.01.b cc[↩]
- auf diese Fallgruppe weist für Zwecke der Umqualifizierung der Einkunftsart- auch BFH, Urteil vom 05.06.2008 – IV R 81/06, BFHE 222, 295, BStBl II 2010, 974, unter II.01.b bb hin[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 222, 295, BStBl II 2010, 974, unter II.01.a aa, m.w.N.[↩]
- ausführlich zum Ganzen BFH, Urteil in BFHE 222, 295, BStBl II 2010, 974, unter II.01.a dd[↩]
- für die UnterFallgruppe, dass diese Grundstücke bereits bei der Gesellschaft teilweise dem Umlaufvermögen eines gewerblichen Grundstückshandels zuzurechnen waren, offengelassen im BFH, Urteil in BFHE 216, 233, BStBl II 2007, 777, unter II.01.h[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.02.b cc[↩]